8 | Standpunkt der Wirtschaft ARBEITSMARKTKONTROLLE 12. Mai 2021 JAHRESBERICHT 2020 – Die Arbeitsmarktkontrolle für das Baugewerbe (AMKB) war im Corona-Jahr 2020 stark gefordert. Das in den letzten Jahren entwickelte ganzheitliche Konzept hat sich bewährt, die Verstossquote indes bleibt hoch. Jede fünfte Kontrolle zeigt Verstösse «Arbeitsmarktkontrolle im Wandel» – so lautete der Titel im Geschäftsbericht 2019 der Arbeitsmarktkontrolle für das Baugewerbe. Und dieser Prozess hat – verstärkt durch die Covid- 19-Pandemie – auch das Geschäftsjahr 2020 geprägt: Mit der Übernahme der Kontrolltätigkeit im Kanton Basel-Stadt und der Beauftragung durch Regierungsrat Thomas Weber für die Durchführung von Covid- 19-Hygienekontrollen im Kanton Basel-Landschaft hat die AMKB ihre Geschäftstätigkeit ausgeweitet. Am 7. März 2021 hat die Stimmbevölkerung im Kanton Basel-Landschaft die neuen Gesetze zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und das Arbeitsmarktgesetz mit rund 85 Prozent Ja-Stimmen gutgeheissen. Das ist auch ein Vertrauensbeweis gegenüber der AMKB und ihrer täglichen Kontrolltätigkeit auf den Baustellen. Parallel zur Gesetzesrevision hat die AMKB mit der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Basel- Landschaft eine neue Leistungsvereinbarung ausgearbeitet. Dabei wurde darauf geachtet, Leistungspakete zu schnüren, die an klare Messgrössen gebunden sind. Themen- und branchenübergreifende Kontrollen Zudem ist die Erfahrung der vergangenen Jahre eingeflossen: Die themen- und branchenübergreifende Kontrolltätigkeit hat sich bewährt und ist in der neuen Leistungsvereinbarung weiter verankert worden. «Dies ist ein wichtiger Punkt im Zusammenhang mit ganzheitlichen und effizienten Kontrollen in allen Bereichen bei unseren Baustellenbesuchen und vermeidet Zuständigkeitsdiskussionen vor Ort», sagt Michael von Felten, Delegierter des Vorstandes der AMKB. Die AMKB ist vom Kanton Basel- Landschaft ab Beginn der neuen Leistungsvereinbarung am 1. Juli 2021 mit folgenden sechs Leistungspaketen beauftragt: Michael von Felten, Delegierter des Vorstandes der Arbeitsmarktkontrolle für das Baugewerbe (AMKB). Bild: zVg • Durchführung von mindestens 2000 Baustellenkontrollen • Durchführung von 300 Schwarzarbeitskontrollen • Durchführung von 50 Submissionskontrollen • Durchführung von Hygienekontrollen auf Baustellen, die regelmässig besucht werden • Kontrolle von Unterkünften von entsandten Arbeitnehmenden • Information und Prävention «Mit der neuen Regelung müssen wir zwar nur noch 300 statt wie bisher 450 Schwarzarbeitskontrollen durchführen, doch wir können uns so stärker auf die Verdachtsfälle konzentrieren. Unsere Kontrollpersonen haben dafür den entsprechenden Riecher», so von Felten. «System wird unterlaufen» Zudem beauftragen die Paritätischen Kommissionen des Baunebengewerbes die AMKB mit der Durchführung von Entsendekontrollen (FLAM) und gezielten GAV-Kontrollen bei Schweizer Betrieben. Kernstück des neuen Leistungsauftrages des Kantons Basel-Landschaft sind mindestens 2000 Baustellenbesuche. Im Rahmen von regelmässigen Besuchen werden Informationen über den Baufortschritt eingeholt, Erhebungen darüber gemacht, welche Firmen mit wie viel Mitarbeitenden in welcher Branche (Unterstellung GAV) auf der Baustelle sind und festgestellt, welche Subunternehmerketten, Personalverleihe und Selbstständigerwerbende eingesetzt werden. Vor Ort werden je nach Situation auch Befragungen durchgeführt, so wie im Fall Pratteln (vgl. Artikel auf der rechten Seite). «Wir beobachten seit einiger Zeit, dass es immer mehr grössere Firmen aus der EU gibt, die die rechtlichen Rahmenbedingungen in der Schweiz systematisch unterlaufen», sagt von Felten. Gerade bei der Bekämpfung der Schwarzarbeit und systematischen Verstössen gegen orts- und branchenübliche Arbeitsbedingungen sind Kenntnisse über die Verhältnisse auf den Baustellen und über die verschiedenen Akteure entscheidende Voraussetzungen. Im Gegenzug sollen diejenigen Firmen, die sich an die Gesamtarbeitsver- träge halten, von administrativem Aufwand entlastet werden. Die 2020 durchgeführten Kontrollen zeigen, dass die Verstossquoten in allen Bereichen weiterhin hoch sind (vgl. untenstehende Tabelle). Bezogen auf die gesamthaft 763 Kontrollen im Kanton Basel-Landschaft wurde bei fast jeder fünften ein Verstoss festgestellt. Die Verstossquote ist gegenüber dem Vorjahr sogar noch leicht gestiegen. «Das hat auch damit zu tun, dass weniger Kontrollen bei Firmen durchgeführt wurden, bei denen sich keine Verdachtsmomente ergeben haben», präzisiert von Felten zwar. Aber er hält auch klar fest: «Wir können nicht sagen, wir hätten kein Problem.» Eine enorme Leistung Für die neuen Auftraggeber im Kanton Basel-Stadt und andere Paritätische Kommissionen hat die AMKB im vergangenen Jahr zusätzlich 245 GAV-Kontrollen durchgeführt, im Auftrag des AWA Basel-Stadt zusätzlich 190 Schwarzarbeitskontrollen. Das ergab für das Jahr 2020 insgesamt 1200 Schwarzarbeits- und GAV-Kontrollen. Dazu kamen im Zuge der Corona- Pandemie 850 durchgeführte Hygienekontrollen auf den Baustellen im Kanton Basel-Landschaft. Das ergibt im Durchschnitt pro Tag acht abgeschlossene Kontrollen. Eine enorme Leistung, die nur dank dem Einsatz der Mitarbeitenden der AMKB möglich gemacht wurde. Daniel Schaub DIE KONTROLLTÄTIGKEIT DER AMKB IM BASELBIET 2020 Kategorie Anzahl Kontrollen Verstösse Verstossquote Schwarzarbeit 353 73 20,7% Flam-Kontrollen 361 58 16,1% CH-Kontrollen 20 6 30,0% Submissionskontrollen 29 4 13,8% Total 763 141 18,5% AMKB – Die Arbeitsmarktkontrolle ist notwendiger denn je. Manuel Käppler von der Unia und Hannes Jaisli von der Wirtschaftskammer Baselland beurteilen als Vertreter in der AMKB das momentane Umfeld und fordern schärfere Sanktionen bei Verstössen auf Baustellen. «Das Sanktionsregime reicht offensichtlich nicht aus» Standpunkt: Manuel Käppler, wenn Sie als Vertreter der Unia Aargau Nordwestschweiz in der AMKB von den Verstössen auf der Baustelle in Pratteln hören, was geht Ihnen da durch den Kopf? Manuel Käppler: Es ist unschwer zu erkennen, dass hier eine üble Systematik dahintersteckt. Auf dem Buckel der osteuropäischen Arbeiter wird hier ganz offensichtlich betrogen. Es sind Zustände, die nicht tolerierbar sind. Und Sie, Hannes Jaisli, wie beur teilen Sie als Vertreter der Wirtschaftskammer Baselland die Vorgänge in Pratteln? Hannes Jaisli: Mir fehlen etwas die Worte. Wenn bis zu 140 Arbeiter aus Osteuropa hier mit Bussen auf die Baustelle gefahren werden unter Missachtung minimaler Anforderungen an Lohn und Arbeitszeit – und das mitten im Baselbiet – dann zeigt das sehr deutlich auf, wie wichtig die Arbeitsmarktkontrollen sind, um unsere Schweizer KMU-Wirtschaft zu schützen. Bei den Kontrollen der AMKB erreichte die Verstossquote letztes Jahr fast 20 Prozent, oft auch durch Schweizer Unternehmen. Das ist einfach zu viel und man will sich nicht vorstellen, welche Zustände herrschen würden, wenn wir nicht gezielt kontrollieren würden. Das Kontrollsystem scheint ja durchaus effizient zu sein und greift. Das müsste im Prinzip abschreckend wirken. Warum bleibt die Verstossquote so hoch? Jaisli: Ganz offensichtlich reicht das derzeitige Sanktionsregime nicht aus, um hier trotz der intensiven Kontrollen eine abschreckende Wirkung zu erzielen. Die systematischen Rekrutierungen von Billigarbeitern, speziell aus Osteuropa, erreichen eine neue Dimension, obwohl sie ganz klar rechtswidrig sind. Die gesetzlichen Grundlagen wären vorhanden, um weit energischer und auch monetär schmerzhafter durchzugreifen, doch es fehlt die Konsequenz der Behörden. Die Täter können sich zu oft ungeschoren aus dem Staub machen und wissen, dass sie danach kaum mehr zur Rechenschaft gezogen werden. Käppler: Die Verantwortung der Auftraggeber wird zu wenig stark wahrgenommen und zu oft auf Subunternehmer geschoben, die wiederum Subunternehmer engagieren. Dieses Netzwerk ist meist verstrickt und schwer greifbar. Das darf aber die Justiz nicht davon abhalten, Verstösse mit dem nötigen Nachdruck zu verfolgen. Kommen die ursprünglichen Auftraggeber zu gut weg? Käppler: Wir hatten in den vergangenen Jahren Fälle auf Baustellen der IWB oder der Roche. Werden Verstösse festgestellt, werden die geforderten Nachzahlungen und eine allfällige Busse schnell beglichen, der Fall ist erledigt und die mediale Empörung ebbt schnell wieder ab. Von aussen betrachtet macht das fast ein wenig den Eindruck, als sei das einkalkuliert. Jaisli: Die Erfahrungsberichte aus der Praxis zeigen uns, dass es viele Schlupflöcher gibt. Das wirkungsvollste Instrument ist eine Schliessung der Baustelle, bis die Missstände behoben sind. Das ist dann nicht nur ein Problem des Subunternehmers, sondern auch des Auftraggebers. Wir haben nun seitens der AMKB beim KIGA Baselland für den Fall in Pratteln eine solche Schliessung verlangt. Ohne harte Massnahmen lachen sich die Betreiber dieser Subunternehmer-Konstrukte doch einfach ins Fäustchen. Im schlimmsten Fall kommen sie aktuell auf eine Dienstleistungs-Sperrliste, doch gerade die osteuropäischen Anbieter wechseln dann ihre Firmennamen und jene der vermittelten Arbeiter schnell wieder aus. Der Liste fehlt es so schlicht an Wirkung. Per 1. Juli 2021 treten im Kanton Basel-Landschaft die im März an der Urne bewilligten neuen Arbeitsmarkt- und Schwarzmarktgesetze in Kraft, die dazu gehörige Leistungsvereinbarung hat eben mit 14:0-Stimmen die vorberatende Landratskommission durchlaufen. Was ist aus Ihrer Sicht bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen wichtig? Jaisli: Wir mussten in der gesamten Vorberatung enorm dafür kämpfen, dass wir das Niveau der möglichen Sanktionen bei Verstössen überhaupt halten konnten. Die Wichtigkeit der Kontrollen und des Umstandes, dass die Sozialpartner, die am Puls des Geschehens die Missstände kennen, weiterhin eine zentrale Rolle in der Abwicklung spielen, zeigt sich durch solche Vorfälle wie in Pratteln umso mehr. Entscheidend ist nun, dass man an den gemeinsam geschaffenen Rahmenbedingungen innerhalb der Leistungsvereinbarung nicht kurz vor Torschluss noch unnötige und falsche Korrekturen anbringen will. Käppler: Die Arbeitsmarktkontrolle für das Baugewerbe im Kanton Basel-Landschaft mit der tripatiten Kommission ist ein ausgewogenes Erfolgsmodell. Das haben auch die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger beim Urnengang im vergangenen März deutlich bestätigt. Wir sollten nun auch die letzte Ziellinie noch ohne Schlenker erreichen und so gute Voraussetzungen für die Zukunft schaffen. Sie sind, wie man jetzt sieht, wichtiger denn je. Interview: Daniel Schaub
12. Mai 2021 ARBEITSMARKTKONTROLLE Standpunkt der Wirtschaft | 9 DER FALL VON PRATTELN – Das Ergebnis einer Baustellenkontrolle in Pratteln: Die Qualifikation der 140 Arbeiter wurde nie nachgefragt, der Stundenlohn beträgt 10 Euro. SO SIEHT ES DIE AM SUISSE Millionengeschäft mit Dumping «Es wird immer mehr und immer systematischer betrogen», sagt Michael von Felten. Er ist Delegierter des Vorstandes der Arbeitsmarktkontrolle für das Baugewerbe, besser bekannt unter dem Kürzel AMKB. «Letztlich geht es um Millionen von Franken, die den Schweizer Firmen entgehen», sagt von Felten, wenn es um die Kontrolle und Aufdeckung von «Bschiss» im Baugewerbe geht. Und er fügt an, dass es immer grössere Firmen sind, die wissentlich gegen das Gesetz verstossen. In der jüngeren Vergangenheit haben einige Fälle in der Region für Schlagzeilen gesorgt. Die Liste könnte demnächst ergänzt werden. Und zwar um den Fall in Pratteln, wo ein Industriegebäude rückgebaut und im Ausland wiederaufgebaut wird. Bei der Kontrolle wurden vielerlei Verstösse festgestellt. «Nur» 10 Euro Stundenlohn Um Verstösse festzustellen, arbeiten die Kontrollpersonen der AMKB detektivisch. Das niederländische Unternehmen, das den Auftrag für den Rückbau erhalten hat, braucht Arbeiter. Dafür arbeitet es mit Subunternehmern in Osteuropa zusammen. Diese Subunternehmen rekrutieren Personen in Polen, Litauen und Lettland. Spätestens hier beginnen die Probleme, die bis in die Schweiz reichen. Die Subunternehmer rekrutieren die Leute via Internetanzeigen. Nach einer Qualifikation wird dabei offenbar nicht gefragt. Laut Aussagen von Beteiligten wurden solche nie verlangt. Die ganze Kommunikation lief hauptsächlich über WhatsApp und Mail. Hauptkriterium für die Anstellung ist, dass der Arbeiter mit dem Stundenlohn von 10 Euro pro Stunde einverstanden ist. Das ist viel Geld für die Menschen aus Osteuropa. Zum Vergleich: Der gesetzliche Mindestlohn in Polen beträgt rund 3.50 Euro. Für jemanden aus Lettland klingen 10 Euro gar noch paradiesischer: Dort beträgt der Mindestlohn 2.54 Euro. In der Schweiz wären für die Art von Arbeit, wie sie in Pratteln verlangt wird, mindestens 20 Franken pro Stunde vorgeschrieben. Ob die 10 Euro den Arbeitern 1:1 ausbezahlt werden, konnte (noch) nicht festgestellt werden. Das ist Gegenstand von Abklärungen. In einem Fall war es jedoch möglich zu dokumentieren, dass eine Person in dreieinhalb Wochen 195 Stunden gearbeitet und dafür einen Lohn von 1416 Euro erhalten hat. Das wären dann 7.20 Euro für die Arbeitsstunde! Gegen Quarantäne verstossen Womit das nächste Thema ansteht: die Arbeitszeit. Die Arbeiter auf der Prattler Baustelle haben gemäss der Kontrollinstanz weit mehr als die erlaubten 50 Wochenstunden gearbeitet. Nämlich zwischen 55 und 57 Stunden, wie die Kontrolleure in akribischer Detektivarbeit festgestellt haben. Das ist weitaus mehr, als es das Gesetz und der Vertrag mit den Arbeitern vorsehen. Die nächste Verfehlung, welche die Kontrolleure festgestellt haben, betrifft die Arbeitssicherheit. Die Art der Arbeit verlangt in der Schweiz zusätzliche Qualifikationen, beispielsweise für die Arbeit in der Höhe. Nur wurden Qualifikationen offenbar nie eingeholt. Für die Kontrolleure ist klar: Hier wurde in vielen Fällen die Arbeitssicherheit verletzt. Mangelnde Qualifikationen, Dumpinglöhne, fehlende Sicherheit bei der Arbeit – kommt da noch was? Ja, denn die Arbeiter wohnen allesamt in Deutschland, in grenznahen Hotels (mit Kochgelegenheit) und werden täglich mit Kleinbussen auf die Baustelle gefahren. Die Unterkunft wird vom Auftragnehmer bezahlt, der über den Subunternehmen steht. Damit wurde bei der Einreise nach Deutschland mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch gegen die Quarantäne-Vorschriften verstossen. Was die Menschen im grenznahen Deutschland wenig freuen wird, denn die Polen, Letten und Litauer waren ennet der Grenze auch regelmässig einkaufen, da sie Selbstversorger sind und sich von den 10 Euro Stundenlohn auch ernähren müssen. In der Schweiz wären dafür übrigens rund 60 Franken Spesen fällig. Bild: Standpunkt Zur Präzisierung: Wir sprechen von rund 140 Personen, die von Dezember bis jetzt auf dieser Baustelle unter diesen Bedingungen zu verschiedenen Zeiten tätig waren. All das ist ein lohnendes Geschäft, weil der Auftrag ein lukrativer ist. Eine Kontrolleurin: «Das muss man sich vorstellen. Da verdienen alle Beteiligten Millionen, die Arbeiter sind in der Illegalität und erhalten nicht mal den Mindestlohn von 20 Franken.» Von den betrogenen seriösen Schweizer Unternehmern, die Mindestlöhne, Sozialabgaben und Spesen zahlen, gar nicht zu sprechen. Diese hatten unter diesen Umständen gar keine Chance, einen solchen Auftrag zu erhalten, wird von der Kontrollinstanz ergänzt. Sicher ist, dass renitente Arbeiter sofort nach Hause geschickt und die Hotelkosten vom ausstehenden Lohn abgezogen werden. Die Baustelle war bei Redaktionsschluss noch in Betrieb. Es gilt die Unschuldsvermutung. Patrick Herr Peter Meier, Zentralpräsident der AM Suisse. Bild: zVg «Solche Fälle müssen öffentlich werden» Standpunkt: Herr Meier, Sie sind Zentralpräsident der AM Suisse, welche die Arbeitgeberund Bildungsinteressen der Branchen Metallbau, Landtechnik und Hufschmiede vertritt. Was bedeutet das für die hiesigen Metallbauer, dass der Rückbau des Rohner-Areals in Pratteln durch Billigarbeiter aus Osteuropa abgewickelt wird? Peter Meier: Zunächst muss man festhalten, dass es keine Firma in unserem Verband in der Nordwestschweiz gibt, die auf Rück- und Wiederaufbau von Industrie- und Produktionsanlagen spezialisiert ist. Daher ist es für uns vertretbar, dass die Arealeigentümerin für diese komplexe Arbeit ein niederländisches Unternehmen beauftragt hat. Was natürlich nicht geht, ist, wenn ein osteuropäisches Subunternehmen Personal rekrutiert und für Einsätze in der Schweiz vermittelt, ohne dafür die hier geltenden Bestimmungen in Sachen Lohn, Arbeitszeit und Sicherheit zu beachten. Das ist gleich in doppelter Hinsicht verwerflich. Weshalb? Die Anstellung von Billigarbeitern, die in der Schweiz für Dumpinglöhne arbeiten und missbräuchlichen Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind, benachteiligt das hiesige Gewerbe. Zudem gilt es zu erwähnen, dass wir hier in der Region genug Personalverleiher haben, die im Industriesektor tätig sind und Personal rekrutieren können. Leute, die dann sicher unter GAV-Bedingungen arbeiten. Von gleich langen Spiessen im Wettbewerb kann hier also nicht mehr die Rede sein. Wie wehren Sie sich seitens AM Suisse gegen solche unhaltbaren Zustände? Wir als Verband können derartige Fälle nicht aufdecken. Aber uns ist es extrem wichtig, dass die AMKB und das Kiga hier an vorderster Front aktiv sind. Die AM Suisse begrüsst es ebenfalls, wenn solche Fälle öffentlich gemacht werden. Denn somit erfahren unsere Mitglieder, dass tatsächlich kontrolliert wird. Und zwar nicht nur die kleinen Arbeitgeber, sondern auch die grossen und mächtigen. Schliesslich senden die aufgedeckten Missstände auch ein Zeichen an die Branche, insbesondere an die ausländischen Mitbewerber: Wer in der Schweiz tätig sein will, muss sich an unsere Vorschriften, Gesetze und Tarife halten. lv DIE ARBEIT DER KONTROLLPERSONEN – Wer Baustellen überprüft, muss viel detektivischen Spürsinn haben. Denn es gibt immer mehr Fälle von systematischem Betrug, sagt eine Kontrollperson. Gefordert wird, dass die Fehlbaren stärker zur Rechenschaft gezogen werden. «Diese grösseren Fälle sind leider nicht mehr die Ausnahme» Wir hatten Gelegenheit, uns mit einer Person zu unterhalten, die regelmässig Kontrollen auf Baustellen macht und auch im oben erwähnten Fall tätig war. Die Redaktion entspricht dem Wunsch der Person, aus Diskretionsgründen keinen Namen zu nennen. Die Person, die wir nachstehend D.K. nennen, ist der Redaktion jedoch bekannt. Standpunkt: Wie ordnen Sie den vorliegenden Fall ein: ein ganz normaler Verstoss oder doch eine grössere Sache? D.K.: Es gibt leider immer mehr Fälle, bei denen systematisch gegen die Gesetze verstossen wird. Die kriminelle Energie wird immer mehr, wohl wissend, dass man so in der Schweiz viel Geld verdienen kann. Der Fall in Pratteln ist sicherlich kein kleiner Fall und sicherlich – leider – auch nicht mehr die Ausnahme. Das muss man in dieser Deutlichkeit sagen. Wie sind Sie konkret vorgegangen, um die Verstösse aufzudecken? Wir gehen bei Entsendemeldungen immer kontrollieren. Das ist unser Alltag. Wenn wir bei einer Kontrolle Widersprüche feststellen, gehen wir der Geschichte etwas näher auf den Grund. In diesem Fall haben wir das getan und unsere erfahrenen Kontrolleure haben rasch erkannt, dass die Aussagen der Arbeiter und der Chefs nicht übereinstimmen. So ist das Ganze ist Rollen gekommen. Dann hat es sicherlich auch viel detektivische Kleinarbeit gebraucht, mehr kann und will ich dazu nicht sagen. Aber die Branchenkenntnis und die Kenntnis über die Machenschaften in den Herkunftsländern der Arbeiter und Subunternehmen war dabei sehr nützlich. Als Laie ist man überrascht von der kriminellen Energie und der Skrupellosigkeit, die offenbar in der Branche vorhanden ist. Wie beurteilen Sie das? Wir sind darüber nicht mehr überrascht. Wir treffen das immer wieder an. Soviel kann ich Ihnen sagen: Es wird leider immer mehr und immer grösser. Es gibt Fälle, an denen arbeiten wir mehrere Jahre. Welches sind die grössten Schwierigkeiten, denen Sie bei Ihren regelmässigen Kontrollen begegnen? Es gibt gefälschte Unterlagen, der Kontakt zu den Arbeitern wird erschwert und es gibt juristische Winkelzüge. Leider ist die Rechtslage angesichts der kriminellen Energie nicht immer optimal. Die Arbeiter werden unter Druck gesetzt, damit sie nicht die Wahrheit sagen. Wenn es jemand tut und das kommt raus, dann verliert er sofort seinen Job. 10 Euro sind viel Geld für diese Menschen. Woher wissen Sie, wenn etwas nicht stimmt? Das ist viel Erfahrung und Menschenkenntnis. Oftmals spürt man einfach, wenn etwas nicht stimmt. Wie gehen Sie vor um zu beweisen, dass gegen das Gesetz verstossen wird? Wir sammeln Beweise, um diese dann vorlegen zu können. Das ist viel detektivische Arbeit. Was können Sie mit Ihrer täglichen Arbeit auf den Baustellen bewirken? Ich treffe immer wieder Schweizer Handwerker, die mir erzählen, dass sie für einen Auftrag offeriert haben. Und zwar so niedrig, dass es sich für sie kaum lohnt. Dennoch wird der Auftrag an eine Firma vergeben, die noch tiefer offeriert. Für die Schweizer Unternehmer ist es nicht nachvollziehbar, dass ihr Angebot unter Einhaltung aller Vorschriften, mit Mindestlohn und Sozialabgaben, unterboten wurde. Mein Anliegen ist, dass die Gesetze eingehalten werden, ein fairer Wettbewerb herrscht und Menschen nicht ausgebeutet werden. Das hilft der Schweiz. Was würden Sie sich aus Sicht der Kontrolleure von der Politik wünschen? Das Schweizer Gesetz basiert auf Werten wie Eigenverantwortung, Selbstdeklaration und Vertrauen. Das sind ehrenwerte Dinge, die aber von den Leuten, die wir kontrollieren, nicht oder wenig beachtet werden. Hier müsste das Gesetz strenger sein. Zumindest bei der Bestrafung der Fehlbaren sollte es wehmachen. Interview: Patrick Herr
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