SCHWEIZERISCHE23. Mai 2025 Die Zeitung für KMU | Regionalbund | Standpunkt-Ausgabe Nr. 597 | 28. JahrgangAZB 4133 PrattelnPost CH AGDIE MEINUNGWir müssen Verkehrspolitikneu denkenWas nicht funktioniert, muss neu gedacht werden.GGenau das trifft auf die Verkehrspolitik imBaselbiet zu. Wer täglich auf unseren Strassenunterwegs ist, sei es als Pendler, Unternehmer,Handwerker oder für Besorgungen, kennt dasBild: Baustellen, Stau, Umwege, Verspätungen.Und das trotz jahrzehntelanger Planungen, Koordinationsgremien,Volksabstimmungen undpolitischer Versprechen. Die nüchterne Diagnose:Das System blockiert sich selbst.Die Motion für ein eigenständiges AgglomerationsprogrammBaselland kommt zur richtigenZeit. Sie ist kein Rückzug, kein ideologisches Manifest,sondern ein pragmatischer Befreiungsschlag.Es braucht einen politischen Neustart.Denn das heutige «Agglomerationsprogramm Basel»ist überladen: vier Kantone, drei Länder, 175Gemeinden. Das ist eine Planungskrake, die zuschwerfällig ist, zu weit weg von der Realität derMenschen und KMU im Baselbiet. Was zentralgedacht gut gemeint war, wirkt lokal lähmend.Das Baselbiet bleibt buchstäblich auf der Strecke– mit zunehmendem Verkehrschaos und sinkenderWettbewerbsfähigkeit.Der Blick in andere Regionen spricht Bände: Wilhat ein eigenes Agglomerationsprogramm, Biel-Lyss ebenso, selbst Brig-Visp-Naters und Burgdorf.Alles kleinere Räume als unsere Region.Und doch soll sich das Baselbiet weiterhin mitBasel, Colmar, Frick, Liestal, Solothurn und Lörrachkoordinieren. Ein planerisches Missverhältnis.Eine der wirtschaftlich vitalsten Regionender Schweiz braucht eine eigene Plattform, umInfrastrukturprojekte gezielt zu priorisieren. DieKompetenz, das Know-how und der Wille zurUmsetzung sind vorhanden. Es fehlt nur der politischeEntscheid. Dabei geht es nicht um einenAusstieg, sondern um eine Ergänzung: ein zweites,eigenständiges Programm für das Baselbiet,das ansetzt, wo Mobilitätsbedürfnisse zu kurzkommen.Ein Baselbieter Agglomerationsprogramm bringtdie Steuerung dorthin zurück, wo sie hingehört:in den Kanton. Es ermöglicht Planung mit Augenmass,kürzere Verfahren, gezieltere Mittelverwendung.Wer auf Entscheide aus Basel oderColmar warten muss, verliert Jahre. Irgendwannauch die Geduld.Mit unseren drei Mobilitätsinitiativen im Rahmenvon «Wirtschaftsstandort Baselland: Zurück indie Erfolgsspur» geben wir die Richtung vor:funktionierende Infrastrukturen, die den Alltagerleichtern. Das Baselbiet braucht keine Warteschleifemehr, sondern Bewegung. Jetzt ist derMoment für den Befreiungsschlag. Und für denMut zur Verantwortung.HEUTE IM STANDPUNKTVon Christoph Buser,DirektorWirtschaftskammerBasellandSEITE 5 | PRATTELN Tag derLernenden zeigte Perspektiven aufVERKEHR – Der Unmut über die Ausgestaltung der Agglomerationsprogramme Basel wächst.Via Motion fordert FDP-Landrätin Christine Frey nun die Herauslösung des Baselbiets aus dembestehenden Programm. Kantonale Verkehrsinteressen sollen mehr Beachtung erhalten.Das Baselbiet braucht eigenesAgglomerationsprogrammDie Mobilitätsbedürfnisse zwischenStadt und Land driften auseinander– ein Trend, der auch entlang derVerkehrsplanung beider Basel sichtbarwird. Während Basel-Stadt mitseinen urbanen Strukturen stark aufÖV-, Velo- und Fussverkehr setzt, istim ländlich geprägten Baselbiet dasAuto für viele Menschen nach wievor unverzichtbar – sei es für denArbeitsweg, die Kinderbetreuungoder alltägliche Besorgungen. Dochdieser Realität trage das aktuelle Agglomerationsprogrammder trinationalenRegion Basel kaum mehrRechnung, heisst es aus bürgerlichenKreisen.Ein Blick auf die Zahlen zeigt,dass die Kritiker nicht falsch liegen:Im sogenannten A-Horizont derfünften Programmgeneration – dementscheidenden Zeitfenster für Projektemit Bundesmitfinanzierung –findet sich lediglich ein einziges Vorhabenzugunsten des motorisiertenIndividualverkehrs (MIV) wieder.Nur 26 Prozent der Gesamtkostenwerden für den MIV zur Verfügunggestellt. Dies steht im Kontrast zuden Forderungen vieler BaselbieterWirtschaftsvertreter, die den dringendstenHandlungsbedarf im Bereichder Engpassbeseitigung aufden Strassen sehen.«Es kann nicht sein, dass eine Regionmit der wirtschaftlichen Bedeutungdes Baselbiets beim Strassenbausystematisch leer ausgeht undso die Last der vielen Staus tragenmuss», sagt FDP-Landrätin ChristineFrey, die nun via Motion den DruckWer im Baselbiet ein Baugesuch einreicht,braucht nicht nur Geduld, sondernauch Durchhaltevermögen. FDP-Landrätin Christine Frey hat mit ihrerInterpellation eine einfache, aber entscheidendeFrage gestellt: Wie kannes sein, dass sich die Dauer der Bewilligungsverfahrenverlängert, obwohldie Zahl der Baugesuche sinktund das bei mehr Personal?Die Antwort des Regierungsrats istausführlich und gleichzeitig ernüchternd,denn sie offenbart, wie komplexder kantonale Bewilligungsapparatmittlerweile geworden ist. ImZentrum steht eine Zahl, die aufhor-Der Stau belastet das Baselbiet nicht nur beim Verkehr. Deshalb brauchtBasel-Landschaft eigene Lösungen.Foto: IWF AGerhöht. «Unsere Bürger, aber auchunsere KMU, sind auf funktionierendeVerkehrsachsen angewiesen – genaudiese aber werden inzwischennicht mehr prioritär behandelt. Bevölkerungund Wirtschaft fühlensich zunehmend alleine gelassen.»Starkes UngleichgewichtBAUGESUCHE – Eine Baubewilligung im Baselbiet braucht Zeit und viel Koordination, denn Dutzendevon Fachstellen mischen mit. Wo liegt die Grenze zwischen Qualitätssicherung und Systemüberlastung?70 Stellen reden den Bauherren dreinchen lässt: Insgesamt sind rund 70kantonale Fachstellen im System erfasst,die je nach Projekt zur Prüfungbeigezogen werden können. Schonbei mittleren Bauvorhaben sind 20bis 30 Stellen keine Ausnahme.Endloser BewilligungsprozessNatürlich sind gesetzliche Auflageneinzuhalten. Natürlich braucht esFachwissen. Doch es stellt sich dieFrage, ob ein solches System überhauptnoch steuerbar ist. Wenn jedeTeilprüfung von der nächsten abhängigist, wenn sich Rückmeldungenverzögern, weil Fristen verstreichenWeiter kritisiert Frey die Aushöhlungeines ursprünglichen Prinzips: Verkehrsprojektesollten wieder unabhängigder Verkehrsart, dafür abernach ihrem gesellschaftlichen Nutzenbeurteilt werden. In der Praxiswerde dieser Grundsatz allerdingszunehmend durch ideologische Gewichtungenersetzt.Der Regierungsrat selbst verweistzwar auf die weiterhin geltendeNeutralität, räumt jedoch in Antwortenauf bisherige Vorstösse ein, dassoder Sitzungen ausbleiben, wird ausdem Bewilligungsprozess ein endlosesPingpong zwischen Ämtern, Gemeindenund externen Instanzen.Digitale Lösungen wie «eBaugesuch»sollten Abhilfe schaffen, dochbisher ist das Gegenteil eingetreten.Die Koordination zwischen Fachstellenfunktioniert oft nur auf demPapier. Und das Bauinspektorat, obwohlfederführend, hat kaum Einflussauf Tempo und Priorisierung derexternen Prüfstellen. Der Aufwandsteigt, der Überblick sinkt.Christine Frey fordert keine Abkürzungdurch die Gesetze, aberdas Verhältnis zwischen den Verkehrsartentatsächlich stark verschobensei.«Wir wollen keine Konfrontationmit Basel-Stadt, aber wir müssen dieInteressen unserer Gemeinden endlichernst nehmen», sagt auch SVP-LandratAndi Trüssel, Mitglied der Bau undPlanungskommission. «Ein eigenständigesAgglomerationsprogramm würdees uns ermöglichen, näher an denBedürfnissen der Bevölkerung zu planenund zu investieren.»Frey begründet ihren politischenVorstoss auch mit nationalen Entwicklungen:Denn in anderen Landesregionenwerden vermehrt kleinere,stärker differenzierte Agglomerationengebildet, um die Problemlösungnäher an der Bevölkerung zuverankern. Dieser Ansatz bietet mehrTransparenz, schnellere Entscheidungsprozesseund eine bessere Mittelverwendung.Klar ist: Bereits geplante Projekteauf Baselbieter Boden sollen entwedervollständig in ein neues Programmüberführt oder im bestehenden Rahmenzu Ende geführt werden. MittelfristigesZiel jedoch sei die Ausarbeitungund Einreichung eines eigenenProgramms.Ob der Vorstoss Erfolg haben wirdund das Baselbiet zu mehr verkehrspolitischerSelbstbestimmung findet,wird sich zeigen. Die Botschaft aberist eindeutig: Die spezifischen verkehrspolitischenBedürfnisse desLandkantons sollen künftig nichtmehr unter den Tisch fallen, sondernim Zentrum stehen. David Jooseine ehrliche Analyse. Wie viel Regulierungist nötig und wo beginntdie Selbstblockade? Ihre Kritik zieltnicht auf einzelne Behörden, sondernauf ein System, das sich überJahrzehnte verästelt hat.Die Verwaltung ist in der Pflicht,sich dieser Frage zu stellen. Dennam Ende darf es nicht sein, dass eineinfaches Einfamilienhaus durcheine Vielzahl von Prüfstellen monatelangblockiert wird. Wer baut,braucht Verlässlichkeit. Planungssicherheitist ein entscheidenderStandortfaktor, gerade im Baselbiet.Timmy Nguyen
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