SCHWEIZERISCHE28. Februar 2025 Die Zeitung für KMU | Regionalbund | Standpunkt-Ausgabe Nr. 592 | 28. JahrgangAZB 4133 PrattelnPost CH AGDIE MEINUNGMehr Wertschöpfungfür höhere LöhneBERUFSLEHRE – Dass sich ein Bildungsdirektor vor versammelter Lehrerschaft für eine Lehre stark macht,kommt selten genug vor – und hat Symbolcharakter. Die Wirtschaftskammer Baselland setzt sich bereits seitLangem für das duale System ein, mit einer ganzen Palette an konkreten Initiativen und Projekten.Danke, Herr AticiVon Christoph Buser,DirektorWirtschaftskammerBasellandDie Baselbieter Bevölkerung hat sich mit 51,4Prozent gegen einen kantonalen Mindestlohnentschieden und damit ein sozialpolitischesExperiment abgewendet, das zu Bürokratie,steigenden Kosten und negativen Auswirkungenauf den Arbeitsmarkt geführt hätte. DasErgebnis ist ein Sieg für die Berufsverbändeund alle, die sich für eine wirtschaftsfreundlichePolitik einsetzen. Es zeigt jedoch auch,dass viele die Konsequenzen eines Mindestlohnsnicht vollständig bedacht haben.Besonders bemerkenswert ist das Abstimmungsmuster:Während in stadtnahen Gebietenüberwiegend für den Mindestlohn gestimmtwurde, lehnten ihn die ländlichen Regionenab. Dieses Ergebnis ist kein Zufall. Inder Stadt herrscht weitgehend die Überzeugung,dass Unternehmen grundsätzlich höhereLöhne zahlen könnten – eine Annahme,die durch die staatliche Lohnpolitik zusätzlichbekräftigt wird. Doch gerade kleinere Unternehmenin Branchen mit geringer Wertschöpfung,die oft in ländlichen Gegenden ansässigsind, stehen unter einem so hohen Kostendruck,dass sie in manchen Fällen nur mitLöhnen unter dem Mindestlohn gegen dieausländische Konkurrenz bestehen können.Diese Realität scheint in stadtnahen Gebieten,wo die industrielle Produktion längst verschwundenist, kaum mehr vorstellbar.Mit dem Nein setzt die Bevölkerung auf einefunktionierende Sozialpartnerschaft, die derSchweiz über Jahrzehnte faire Löhne undeinen flexibler Arbeitsmarkt beschert hat. DiesesErfolgsmodellwäre durch einen staatlichverordneten Mindestlohn gefährdet. Besondersbetroffen wären Einstiegs- und Hilfsjobs.Ein Systemwechsel von branchenüblichenLöhnen hin zu einer staatlichen Lohnvorgabehätte viele Nachteile gebracht. Erfahrungenaus Kantonen wie Genf und Neuenburg zeigen:Mindestlöhne verbessern die soziale Lagenicht, sondern kosten Arbeitsplätze, erhöhendie Arbeitslosigkeit und führen zu einerWelle an Regulierungen. Wenn es für Unternehmenim Baselbiet nicht mehr rentabel ist,hier zu produzieren, steigen nicht nur diePreise – es verschwinden auch Arbeitsplätze.Besonders betroffen wäre die Berufslehre. EinMindestlohn verringert den Anreiz, eine Ausbildungzu beginnen, da ungelernte Arbeitskräfteähnliche Löhne verdienen könnten.Dadurch würde die Bedeutung der Berufslehresinken und den KMU würden künftig Fachkräftefehlen.Die Baselbieter haben sich also für ein Systementschieden, das jungen Menschen eine Perspektivedurch die Berufslehre bietet undgleichzeitig die Unternehmen stärkt. Wer höhereLöhne will, muss für bessere wirtschaftlicheRahmenbedingungen sorgen, damitKMU wachsen können. Genau hier setzt unserImpulsprogramm «Wirtschaftsstandort Baselland:Zurück in die Erfolgsspur» an. Es gilt,diesen Weg konsequent weiterzugehen.Mustafa Atici wählte klare Worte. Am19. Februar warb der basel-städtischeErziehungsdirektor (SP) vor versammelterLehrerschaft für das duale Bildungssystem– eine Botschaft, die insbesonderebei Baselbieter KMU undLehrbetrieben auf offene Ohrenstösst. Atici, Migrant aus der Türkeiund lange selber Unternehmer, fordertevor 4000 Lehrerinnen und Lehrern,Berufslehre und Berufsbildungzu stärken. «Die Berufsbildung ist dasRückgrat unseres Bildungssystems.Sie bietet jungen Menschen nicht nureine Perspektive, sondern ist auch essenziellfür die Wirtschaft», zitiert die«Basler Zeitung» den Bildungsdirektor.Es brauche in den Schulen einUmdenken, denn zu viele Jugendlichewürden automatisch in RichtungGymnasium gedrängt. «Es muss nichtimmer die Uni sein», sagte Atici. EineLehre in der Schweiz sei gleichwertigzur Matura – und ermögliche in vielenFällen bessere berufliche Perspektiven.Die Forderung von Atici entsprichtgenau jener der WirtschaftskammerBaselland, die sich für eine«Renaissance der Berufsbildung»stark macht. «Die Botschaft von Aticiist beherzt und enorm wichtig –sie verdient auch andernorts weitmehr Aufmerksamkeit», sagt ChristophBuser, Direktor der WirtschaftskammerBaselland. Und erbetont ebenfalls: «Wenn wir es nichtschaffen, junge Talente für die Lehrezu begeistern, fehlen uns langfristigdie Fachkräfte und die Wettbewerbsfähigkeitunseres Standortesgeht verloren.»Auch Marc Scherrer, stellvertretenderDirektor der Wirtschaftskammerund Leiter des KompetenzzentrumsBerufsbildung, fordert ein Umdenken:«Das duale Bildungssystem verliertMit 51,4 Prozent hat das BaselbieterStimmvolk die Einführung eines kantonalenMindestlohns knapp abgelehnt.Dass die Gegner gewinnen würden,war keineswegs sicher. «Es wareine Blackbox und damit unklar, wiedie Menschen dazu stehen und inwieweitmoralische Überlegungen ihr Votumbeeinflussen würden», sagt ChristophBuser, Direktor der WirtschaftskammerBaselland. «In anderen Kantonensind solche Abstimmungenschon verloren worden.»Eine echte Debatte über die Auswirkungeneines Mindestlohns fandMustafa Atici, Bildungsdirektor von Basel-Stadt, fordert mehr Engagementfür die Berufslehre.Foto: IWF-Archivan Attraktivität, weil immer mehr Jugendlicheauf weiterführende Schulengelenkt wurden und werden.»Auch Politik steht in der PflichtScherrer, der sich täglich für dieLehrlingsausbildung engagiert, beobachtet,dass «viele Betriebe händeringendnach Lehrlingen suchen,während die Anmeldezahlen für dieallgemeinbildenen Schulen steigen».Das führe dazu, dass die Wirtschaftzunehmend vor einem Fachkräftemangelstehe, der nur durcheine Stärkung des dualen Bildungssystemsbehoben werden könne.Für Buser stehen auch Politikerinnenund Politiker in der Pflicht.«Die Politik muss der Berufsbildungdieselbe Wertschätzung entgegenbringenwie akademischen Laufbahnen»,so Buser.während des Abstimmungskampfeskaum statt. Weder die Konsequenzenfür den Arbeitsmarkt noch Alternativenwie gezielte Lohnanpassungendurch Gesamtarbeitsverträgewurden vertieft debattiert. Eine solcheAuseinandersetzung wäre jedochessenziell gewesen, um die Fragedes Mindestlohns endgültig vomTisch zu bekommen, sagt Buser.Die Initiative der GewerkschaftUnia forderte einen Mindestlohn von22 Franken pro Stunde. Während Befürworterbetonten, dies würde Geringverdienerentlasten, warnten dieGegner vor negativen wirtschaftlichenFolgen: Höhere Lohnkosten hättenbesonders kleinere Unternehmenbelastet und zu Stellenabbau geführt.Auch die Sozialpartnerschaft, inder Löhne flexibel und branchenspezifischausgehandelt werden,wäre geschwächt geworden. Gesamtarbeitsverträge(GAV) sichernbereits heute Mindeststandards undberücksichtigen wirtschaftlicheUnterschiede. «Damit höhere Löhnebezahlt werden können, mussdie Wertschöpfung vorhandensein», so Buser.Die Wirtschaftskammer lässt esnicht nur bei Worten bewenden. Umdie Berufslehre zu stärken, hat sieim Rahmen ihres Impulsprogramms«Wirtschaftsstandort Baselland: Zurückin die Erfolgsspur» mit 16Volksinitiativen (vgl. Seite 3) speziellzwei Begehren lanciert, die auf eineStärkung der Berufslehre abzielen:Einerseits soll ein Berufsbildungsfondsausreichend finanzielle Mittelorganisieren und so Attraktivität undQualität der Berufslehre erhöht werden.Andererseits geht es um dieFörderung eines praxisnahen Schulunterrichtszur «Stärkung der beruflichenOrientierung»: Mit dieser Initiativesoll der Schulunterricht praxisorientiertergestaltet und die Wirtschaftstärker in die Entwicklung derLerninhalte einbezogen werden. Zudemhat die Wirtschaftskammer Basellandvor drei Jahren das «KompetenzzentrumBerufsbildung» ins Lebengerufen: In Kooperation mit demKanton Basel-Landschaft wurde einevielseitige Modulbox entwickelt, diegezielte Massnahmen und Aktivitätenzur Stärkung der Berufsbildungumfasst – sowohl in der Sekundarschuleals auch darüber hinaus. Sieumfasst unter anderem Schulbesuchevon Wirtschaftsvertretern, dieOrganisation von Schnuppertagenin Betrieben, Lehrstellentischmessensowie gezielte Veranstaltungen fürEltern und Bildungsinteressierte.Berufsschau als HighlightDer direkte Austausch mit Lernendenspielt eine zentrale Rolle, wenn einUmdenken stattfinden soll: Beim «Tagder Lernenden» diskutieren jeweilsBildungsexperten und junge Berufsleuteüber ihre Erfahrungen und Perspektiven.In diesem Jahr dreht sicham 5. Mai alles um die Frage, wie jungeMenschen für eine Berufslehre begeistert,Qualität in der Berufsbildunggefördert und Talente während derBerufslehre entfaltet werden können.Ein besonderes Berufsbildungs-Highlight dieses Jahr wird die Berufsschauvom 26. bis 30. November inder St. Jakobshalle in Münchensteinsein. Als grösste Berufsschau derSchweiz spielt sie eine zentrale Rollefür die berufliche Orientierung vonJugendlichen in der Region Basel.Erwartet werden über 85 Ausstellungsständesowie ein breites Angebotan Mitmach-Aktivitäten. Die WirtschaftskammerBaselland und derKanton Basel-Landschaft engagierensich für die Organisation dieses Grossanlasses,um Jugendlichen, Eltern undLehrpersonen die Vielfalt der Berufslehrenäherzubringen.www.berufsschau.chMINDESTLOHN – Der Kanton Basel-Landschaft sagte am 9. Februar Nein zu einem kantonalen Mindestlohnvon 22 Franken pro Stunde. Die Haltung der Berufsverbände war entscheidend für das Ergebnis.Ja zur SozialpartnerschaftTatsächlich liegt das Bruttoinlandsproduktpro Kopf im Kanton Basel-Landschaft auf dem gleichen Niveauwie im Kanton Jura.Die Abstimmung im Baselbiet reihtsich in ein Muster ein: Während urbaneZentren Mindestlöhne tendenziellbefürworten, zeigt sich in ländlicherenRegionen mehr Skepsis. Sostimmten die Baselbieter Gemeindenrund um Basel-Stadt für die Vorlage– ein Trend. So votierten etwa städtischeGebiete wie Zürich, Genf, Winterthuroder Neuenburg für einenMindestlohn. Mischa Hauswirth
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