4 | Standpunkt der Wirtschaft ENERGIE 20. September 2024 Warum hat sich der Strompreis in BL seit 2022 so stark – in einigen Gemeinden sogar bis zu 46 % pro Kilowattstunde – verteuert? Aus welchen Komponenten setzt sich die Kalkulation des Strompreises für Privatund Gewerbekunden zusammen? Neben den strukturellen Faktoren (Energiewende) war der stärkste Preistreiber die Energiekrise, die zu höheren Energiekosten führte. Darüber hinaus sind die Netznutzungskosten aufgrund des Netzausbaus bei gleichzeitig geringerem Stromverbrauch (dezentrale Stromerzeugung) gestiegen, was sich negativ auf den Preis pro Einheit auswirkt. Hinzu kam im Jahr 2024 die neu eingeführte Winterstromreserve des Bundes von 1,2 Rappen pro kWh. Der Strompreis besteht aus fünf Teilen: Energie, Netznutzung, Systemdienstleistungen, Förderung von Energieeffizienz und Bundesabgaben. Der grösste Posten ist die Energie. Dabei handelt es sich um die Kosten, die für ihre Produktion in den Kraftwerken anfallen. Alle Privatkundinnen und -kunden von Primeo Energie erhalten 100% des Stroms aus erneuerbarer Energie. Die BKW kann nur Aussagen zu ihrer eigenen Stromtarifentwicklung machen. Die Situation anderer Schweizer Stromversorger können insbesondere aufgrund individueller Kundenstrukturen sowie Beschaffungsstrategien sehr unterschiedlich sein. Die Stromtarife in der Grundversorgung setzen sich aus den folgenden drei Elementen zusammen: 1. Energietarif (Kosten für die Energieerzeugung); 2. Netznutzungstarif (Kosten für das Verteilnetz der BKW und das Übertragungsnetz der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid, inklusive allgemeine Systemdienstleistungen und Stromreserve des Bundes) 3. Gesetzliche Förderabgabe (Netzzuschlag) und Abgaben an die Gemeinden. Die Haupttreiber für den Anstieg der Gesamtstrompreise in der Grundversorgung sind vielfältig. Zum einen mussten die stark angestiegenen Energiepreise der Jahre 2021 und 2022 teilweise an die Kunden weitergegeben werden, aber auch die Kosten für den Bau und den Unterhalt des Verteilnetzes sind aufgrund der allgemeinen Lage stark angestiegen. Ebenfalls wurden die umgelegten Kosten der Swissgrid in den letzten Jahren stark erhöht und werden erst für das Tarifjahr 2025 wieder leicht sinken. Kosten für die bezogene Energie, Kosten für den Betrieb und Unterhalt der Netz-Infrastruktur, Kapitalkosten für den Bau der Netz-Infrastruktur, Kosten für die vorliegenden Netze (Swissgrid), Abgaben und Leistungen an das Gemeinwesen. Solaroffensive und Netzausbau sind mitver Im Kanton Basel-Landschaft haben die Stromkosten in einigen Gemeinden seit 2022 deutlich zugenommen, in einigen Fällen sogar bis zu 46 Prozent pro Kilowattstunde (kWh). Wo liegen die Ursachen für diese Preissteigerung? Die Zusammensetzung des Strompreises für Privat- und Gewerbekunden im Baselbiet basiert auf mehreren Komponenten, wie die drei grossen Energieanbieter Primeo Energie, BKW und EBL auf Anfrage mitteilen. Der grösste Anteil entfalle auf die Energiekosten, welche die Produktion und den Einkauf von Strom abdecken müssen. Hinzu kommen die Netznutzungskosten, die die Betriebskosten und Investitionen in das Verteilnetz sowie die Nutzung des Übertragungsnetzes von Swissgrid umfassen. Systemdienstleistungen, Förderabgaben für Energieeffizienzmassnahmen sowie Gemeindeabgaben sind ebenfalls Teil der Preisstruktur. Jede dieser Komponenten hat in den letzten zwei Jahren eine unterschiedliche Entwicklung durchlaufen. Insbesondere die Netznutzungskosten und die Systemdienstleistungen verzeichnen einen signifikanten Anstieg. Zusätzliche Kostenfaktoren Die Energieanbieter heben hervor, dass die Energiewende ein erheblicher Preistreiber sei. Grund: Die Dezentralisierung der Stromerzeugung, insbesondere durch den Ausbau von Photovoltaikanlagen auf den Dächern von Hauseigentümerinnen und Hauseigentümern, das Bevölkerungswachstum, sowie die zunehmende Elektromobilität, stellen hohe Anforderungen an das Stromnetz. Dieses stösst an seine Kapazitätsgrenze und muss deshalb ausgebaut werden. Die damit verbundenen Investitionen führen zwangsläufig zu steigenden Netznutzungskosten, die via Strompreis an die Stromkunden weitergegeben werden. Neben infrastrukturbedingten Veränderungen hat die Energiekrise, ausgelöst durch geopolitische Spannungen, ebenfalls zu Preissteigerungen an den Energiemärkten geführt. Insbesondere in den Jahren 2021 und 2022 mussten die Versorger stark gestiegene Einkaufspreise für Energie an die Kunden weitergeben. Ein zusätzlicher Kostentreiber im Jahr 2024 ist die vom Bund eingeführte sogenannte Winterstromreserve, die mit 1,2 Rappen pro kWh zu Buche schlägt. Diese Massnahme wurde ergriffen, um die Versorgungssicherheit in den Wintermonaten zu gewährleisten und die Risiken eines Strommangels zu minimieren.
20. September 2024 ENERGIE Standpunkt der Wirtschaft | 5 Wie sind die Aussichten für die weitere Entwicklung des Strompreises in BL? Verteuert der für den Umstieg auf erneuerbare Energien notwendige Netzausbau den Strompreis? Vor dem Hintergrund volatiler Strompreise und hoher Kosten für Ausgleichsenergie der Swissgrid ist es generell schwierig, Prognosen zu erstellen. Ebenso sind die Auswirkungen der Umsetzung des neuen Energiegesetzes, welches bereits im Januar in Kraft tritt, noch nicht klar. Aus heutiger Sicht werden die Energiekosten im Tarifjahr 2026 sinken, und die höhere Strom-nachfrage aufgrund der stark steigenden Zahl von Wärmepumpen wird den Preis pro kWh senken, da die Netzkosten auf mehr Volumen verteilt wird. Der Ausbau erneuerbarer Energien erfordert erhebliche Investitionen und eine Erweiterung des Stromnetzes, insbesondere vor dem Hintergrund des Bevölkerungswachstums. Die Energieeinspeisung nimmt zu, und die Stromflüsse werden aufgrund von tages- und jahreszeitlichen Schwankungen unregelmässiger. Durch flexible Tarifmodelle belohnen wir Kunden, die Strom dann einspeisen, wenn weniger Solarstrom produziert wird, und Energie konsumieren, wenn Produktionsspitzen entstehen. Die zukünftige Entwicklung der Stromtarife der BKW hängt von vielen Faktoren ab, etwa der Entwicklung der Produktionskosten der Wasserkraft, den Netzkosten und den rechtlichen Rahmenbedingungen. Eine verbindliche Aussage zu steigenden oder sinkenden Tarifen zu treffen ist deshalb nicht möglich. Der Netzausbau für die Energiewende will finanziert sein. Deshalb werden die Kosten mittelfristig bei sämtlichen Netzbetreiberinnen steigen. Alle Verteilnetzbetreiber müssen ihr Stromnetz aus- und umbauen, weil die Schweiz immer mehr Strom aus erneuerbaren Quellen produziert und zunehmend Elektrizität konsumiert. Insbesondere das Laden von Elektroautos führt zu einer neuartigen Netzbelastung, wenn viele Personen gleichzeitig ihre Fahrzeuge aufladen. Es ist nicht möglich, eine zuverlässige Aussage über die Preisentwicklung für die Energie zu machen. Eine wesentliche Komponente der Strompreise ist die notwendige Infrastruktur für die Energieverteilung. Ja. Die fortschreitende Elektrifizierung der Wärmeversorgung (Wärmepumpen) sowie der Mobilität als auch die Dezentralisierung der Energieerzeugung mit PV und Wind machen einen Ausbau und stärkere Digitalisierung dieser Infrastruktur notwendig. Dieser Ausbau wird zusätzliche Kosten verursachen, die aufgrund der geopolitischen Lage und der damit verbundenen Preisentwicklung für Material und Löhne noch signifikanter werden. antwortlich für steigende Strompreise Trotz der erheblichen Kostensteigerungen seien die Energieversorger Primeo Energie, BKW und EBL bemüht, die Belastung für die Verbraucher so gering wie möglich zu halten, wie es auf Anfrage heisst. «Es ist uns bewusst, dass die höheren Preise für viele Kundinnen und Kunden in einem generell inflationären Umfeld eine zusätzliche Belastung darstellen», schreibt beispielsweise die Primeo Energie. «Im Sinne des genossenschaftlichen Auftrags leistete Primeo Energie einen Preisentlastungszuschuss von 25 Millionen Franken und verzichtete auch auf die Rückforderung von Deckungsdifferenzen im Netz. Nur weil wir auf einen Teil unseres Gewinns verzichtet haben, fiel die Erhöhung der Strompreise 2024 nur im mittleren einstelligen Prozentbereich aus.» Entwicklung für 2025 ungewiss Wie es weitergeht bei den Strompreisen, bleibt offen. Denn die künftige Entwicklung bleibt unsicher und ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig. Eine langfristige Beschaffungsstrategie, wie das Stromunternehmen praktizieren, sieht den Kauf von Tranchen über mehrere Jahre vor und hilft kurzfristige Preisschwankungen abzufedern. Der volatile Markt stellt aber weiterhin ein Risiko dar. Auch werden sich die Strompreisspitzen des Jahres 2022 noch bis ins Jahr 2025 auswirken, wenn auch in abgeschwächter Form. Auch die vom Bund ergriffenen Massnahmen für eine bessere Versorgungssicherheit drückten den Strompreis nach oben, zu nennen sind hier vor allem die Einrichtung von Reservekraftwerken und eine Notstromgruppe. Immerhin: Für das Jahr 2025 hat Swissgrid eine Senkung der Stromreserve auf 0,23 Rappen pro kWh beschlossen. Einen durchschnittlichen Haushalt mit einem Verbrauch von 4500 kWh kostet die Stromreserve 2025 damit noch 11 Franken, im Gegensatz zu 54 Franken im Jahr 2024. Gemäss der jüngsten Umfrage des Verbands Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) unter seinen Mitgliedern, scheint sich die Lage zu entspannen. Demnach geht die Mehrzahl der Stromversorger von einer tendenziellen Senkung der Strompreise aus. Dies sei auf eine Entspannung der Marktpreise an den europäischen Strommärkten sowie tiefere Kosten für die inländischen Stromreserven zurückzuführen. Die definitiven Stromtarife für das Jahr 2025 müssen der ElCom bis spätestens Ende August gemeldet werden. Dorothea Gängel
Laden...
Laden...
Wirtschaftskammer Baselland
Haus der Wirtschaft
Hardstrasse 1
4133 Pratteln