SCHWEIZERISCHE 20. September 2024 Die Zeitung für KMU | Regionalbund | Standpunkt-Ausgabe Nr. 584 | 27. Jahrgang AZA 4133 Pratteln Post CH AG DIE MEINUNG «Draghi-Bericht»: Rolle rückwärts Von Christoph Buser, Direktor Wirtschaftskammer Baselland Vor einigen Tagen präsentierte der ehemalige EZB-Präsident Mario Draghi seine Analyse zur Wettbewerbsfähigkeit der EU. Die mediale Berichterstattung verkürzte den sogenannten «Draghi-Report» jedoch auf die Forderung nach jährlich 800 Milliarden Euro an Gemeinschaftsschulden, um die Wettbewerbsfähigkeit wiederherzustellen. Abgesehen davon, dass «neues» stets auch eine Hypothek für künftige Generationen bedeutet und daher mit Vorsicht eingesetzt werden sollte, ging der Kern der schonungslosen Bestandsaufnahme völlig unter: Die tiefgreifenden strukturellen Probleme, die Europas Wirtschaft hemmen. Draghi legt den Finger in die Wunde, indem er aufzeigt, wie dramatisch Europas Produktivitätswachstum hinter dem anderer Wirtschaftsmächte zurückbleibt. Besonders alarmierend sei der Rückstand im Bereich Innovation, Unternehmensgründung und wirtschaftliche Dynamik: Europa bringt seit Jahrzehnten keine grossen Innovationen hervor. Die grossen Unternehmen sind hier noch die gleichen wie vor 30 Jahren. In den USA sind die grössten Unternehmen solche, die es vor 30 Jahren noch gar nicht gegeben hat. Die Entstehung der grossen Digitalunternehmen fand ohne europäische Beteiligung statt. Draghi verdeutlicht in seiner Analyse, dass die ausufernde Regulierung wesentlich zur fehlenden wirtschaftlichen Dynamik beiträgt und schleichend die Wertschöpfung aus der EU verdrängt. So hat die EU-Kommission in den letzten Jahren 13 000 neue Gesetze verabschiedet, während die USA im gleichen Zeitraum «nur» 5000 erlassen haben. Regulierungen wie die Datenschutz-Grundverordnung und der AI-Act hätten direkte negative Folgen. Viele Gründer beginnen zwar in Europa, verlassen den Kontinent jedoch wieder, da sie sich durch die strengen Regulierungen behindert fühlen. Start-ups, die Lösungen für drängende Herausforderungen entwickeln könnten, kehren Europa den Rücken – ein alarmierender Befund. In seiner Analyse fordert Draghi daher eine radikale Wende. Regulierungen wie der AI-Act, die Datenschutzverordnung oder das Verbot von Verbrennungsmotoren sollten abgeschafft werden, um Europa wieder auf Kurs zu bringen. Die Liste ginge weiter. Ohne eine signifikante Reduktion der Regulierungsintensität finde Europa nicht zurück in die Erfolgsspur. Fehlende Wertschöpfung? Erfolgsspur? Richtig. Es sind die gleichen Befunde, die wir auch im Rahmen der Analysen von «Baselland Business» für die Wirtschaft im Baselbiet gewonnen haben. Nicht alles im Draghi-Report ist unumstritten, doch die Stossrichtung, die Wettbewerbsfähigkeit entschieden zu verbessern, ist auch für unseren Wirtschaftsstandort von grosser Bedeutung. HEUTE IM STANDPUNKT 3 | WENIGER STAAT Journalistin Katharina Fontana im Interview. MUTTENZ – Die Sperrung der Tramlinie 14 in die Basler Vorortsgemeinde sorgt bei den Gewerbetreibenden schon länger für Unmut. Seit bekannt ist, dass im Herbst 2025 die Strecke erneut für mehrere Monate geschlossen werden soll, fordert KMU Muttenz eine Verschiebung der Bauarbeiten ins 2026. «Wir wollen nicht jedes Jahr mehrmonatige Baustellen» Grundsätzlich sei niemand gegen die Sanierung der Tramlinie 14, sagt Markus Oberholzer, Präsident der KMU Muttenz. Doch was jetzt der Gemeinde und vor allem den Gewerbetreibenden zugemutet werde, gehe einfach zu weit. «Zwei Mitglieder wissen wegen den Baustellen nicht, wie lange sie noch in Muttenz bleiben können, und ein Mitglied hat Schwierigkeiten, die Betriebskosten vom August zu decken.» Das 14er-Tram gilt in Muttenz als eine wirtschaftliche Lebensader. Von Pratteln und von Basel kommen Kundinnen und Kunden in die Basler Nachbarsgemeinde. Doch seit dem Streckensanierungsbeginn 2023 sind die Zahlen stark rückläufig, die Laufkundschaft fehlt zunehmend. «Noch ist die Hauptstrasse voll mit Läden, doch die Frage ist: Wie lange bleibt das so?», sagt Oberholzer. Tramersatzbusse stecken im Stau Ein zusätzliches Problem, das diese Trambaustelle verursacht, ist der Stau. Die Tramersatzbusse stecken oft fest, da die Umleitungsrouten völlig überlastet sind. Resultat: Der Fahrplan kann kaum eingehalten werden. Und Alternativrouten für die Busse sind aufgrund von langfädigen Verfahren und der vielen Zustimmungen, die es vonseiten Behörden, Polizei und Privatgrundbesitzern braucht, nicht zu realisieren. Zudem leidet auch der motorisierte Individualverkehr unter der Situation, weil die Busse auf der Fahrbahn halten und nicht in einer Nach den deutlichen Preisanstiegen in den letzten beiden Jahren stehen die Zeichen an den Strommärkten auf Entspannung. Für 2025 haben mehrere Stromanbieter stagnierende oder leicht sinkende Strompreise angekündigt. Mittel- bis langfristig aber müssen die Baselbieter Strombezügerinnen und Strombezüger mit weiter steigenden Preisen rechnen. Grund ist die vom Bundesrat beschlossene Solaroffensive, die unter anderem den Ausbau der Photovoltaik verlangt, um die Ziele der Energiewende 2050 zu erreichen. Markus Oberholzer, Präsident KMU Muttenz (l.), sowie Alain Bai, FDP-Gemeinderat von Muttenz, fordern von BVB ein Umdenken. Foto: zVg separaten Bucht – die Folge ist massiver Zeitverlust für die Betriebe. «Das Gewerbe von Muttenz befindet sich durch die Nähe zur Autobahn und wichtigen Verkehrsachsen eigentlich an einer sehr guten Lage und lebt von einer besonderen Attraktivität, leicht und rasch erreichbar zu sein», sagt Alain Bai, Gemeinderat (FDP) von Muttenz. Bis 2028 noch soll diese Er- Das Problem: Auf diese Solaroffensve ist das bestehende Elektrizitätsverteilernetz nicht ausgerichtet. Denn dieses wurde auf die Verteilung aus den grossen, zentrale Kraftwerke ausgerichtet. «Der Ausbau erneuerbarer Energien erfordert erhebliche Investitionen und eine Erweiterung des Stromnetzes, insbesondere vor dem Hintergrund des Bevölkerungswachstums», heisst es etwa bei Primeo Energie. «Die Energieeinspeisung nimmt zu, und die Stromflüsse werden aufgrund von tages- und jahreszeitlichen Schwankungen unregelmässiger.» reichbarkeit massiv beeinträchtigt bleiben. Weil die Basler Verkehrsbetriebe (BVB) die Streckensanierung in mehreren Etappen planen, wurde die Strecke bereits zweimal gesperrt: 2023 fuhr während 12 Wochen ein Tramersatz, dieses Jahr ist es von Ende April bis am 22. September. «Nun soll von August bis November 2025 eine erneute Komplettsperrung mit Busersatz ELEKTRIZITÄT – Im 2025 dürften die Stromkosten vorerst stagnieren oder gar etwas sinken. Doch mittelfristig könnte es teurer werden. Warum? Standpunkt hat bei Stromanbietern nachgefragt. Solaroffensive verteuert Netznutzung kommen – die Wiederaufnahme der Bauarbeiten wäre genau Ende Sommerferien, und sie würden bis Ende November dauern, also ins Weihnachtsgeschäft hineinreichen», sagt Bai. «Das können wir so nicht annehmen. Wir im Baselbiet sollten uns von der BVB nicht einfach diktieren lassen, wann solche Grossbaustellen begonnen und beendet werden. Denn die bittere Wahrheit für die Gewerbetreibenden lautet: Verlorene Kunden lassen sich nicht einfach so ersetzen.» Oberholzer und Bai verlangen deshalb von den BVB, dass sie die für 2025 geplanten Bauarbeiten ins 2026 verschieben. BVB blockieren Lösungen Bai wie Oberholzer stufen den Umstand, dass die BVB während der Frauen-Fussball-EM und dem ESC-Anlass im Sommer 2025 auf Baustellen rund um die St. Jakobshalle verzichten, als «besonders befremdlich» ein, weil alle Änderungsvorschläge aus Muttenz bisher abgeblockt wurden. Weder von einem isolierten Tramstreckenbetrieb zwischen Schänzli und Muttenz noch von einem Einspurbetrieb wollten die BVB etwas wissen. Gerade Letzteres ist verwunderlich – denn als die Tramachse Basel – Riehen (2016-2021) erneuert werden musste, blieben die Geleise einspurig befahrbar. «Ich habe das Gefühl, bei der BVB wählt man den einfachsten Weg», sagt Oberholzer. Und Bai ruft in Erinnerung: «Es geht alles zulasten des Gewerbes.» Mischa Hauswirth Wohin genau der Strompreis geht, können die vom Standpunkt angefragten Anbieter nicht sagen. «Die zukünftige Entwicklung der Stromtarife der BKW hängt von vielen Faktoren ab, etwa der Entwicklung der Produktionskosten der Wasserkraft, den Netzkosten und den rechtlichen Rahmenbedingungen», so die Berner Kraftwerke (BKW). «Eine verbindliche Aussage zu steigenden oder sinkenden Tarifen zu treffen ist deshalb nicht möglich.» Geopolitische Spannungen, wie zum Beispiel der Ukraine-Krieg oder der Konflikt in Nahost, können ebenfalls den Strompreis jederzeit nach oben treiben, da die Anbieter unterschiedlich grosse Anteile ihres Stromes am internationalen Strommarkt beziehen, was 2022 zu erheblichen Preisaufschlägenführte. Auch wenn der Strompreis von verschiedenen Faktoren abhängig ist, eines scheint klar: Investitionen und steigende Netznutzungskosten werden auf die Stromkunden umgelegt. Davon dürften ländliche Gebiete wie das Baselbiet stärker betroffen sein als urbane Bereiche. Dorothea Gängel Seite 4
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