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Standpunkt 579, 24. Mai 2024

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2 | Standpunkt der Wirtschaft URTEIL 24. Mai 2024 ZAK – Das Kantonsgericht Basel-Landschaft hat zum zweiten Mal über die Berichterstattung der «Basler Zeitung» geurteilt, mit welcher der Wirtschaftskammer 2018 über Monate hinweg gravierende Fehler vorgeworfen worden waren. Fazit: 5 Berichte wurden als unlauter qualifiziert; 4 Artikel, 16 Passagen in weiteren Artikeln, 5 Tweets und rund 200 Leserkommentare musste die BaZ löschen. Es bleibt dabei: Berichterstattung der «Basler Zeitung» ist unlauter Das zweite Verfahren vor dem Kantonsgericht war notwendig geworden, nachdem die «Basler Zeitung» das erste Urteil des Gerichts vom Oktober 2021, im Gegensatz zur Wirtschaftskammer, am Bundesgericht angefochten hatte. Das Bundesgericht hatte anschliessend in einem ausgesprochen medienfreundlichen Urteil entschieden, dass einige der gerügten Passagen noch von der Medienfreiheit geschützt seien oder nicht die Wirtschaftskammer, sondern primär deren Mitglieder betreffen würden. Das Kantonsgericht setzte nun in seinem im April 2024 versandten Entscheid vom 14. November 2023 die Vorgaben des Bundesgerichts um und entschied über diejenigen Artikel und Aussagen, deren Beurteilung vom Bundesgericht noch offengelassen worden waren. Das Resultat bestätigt im Wesentlichen die Erkenntnisse aus dem ersten Entscheid des Kantonsgerichts. Gemäss dem neuen Urteil sind fünf Berichte aus dem Jahr 2018 gesamthaft als unlauter qualifiziert worden. Die «Basler Zeitung» sowie der verantwortliche Journalist werden unter Strafdrohung verpflichtet, 16 Passagen in fünf Artikeln, zwei Berichte gesamthaft sowie fünf Tweets zu löschen. Zwei weitere Berichte sowie unzählige Kommentare waren von der «Basler Zeitung» schon während des Verfahrens gelöscht worden. Gelöscht werden müssen etwa Aussagen wie diejenigen, das Geschäftsmodell der Wirtschaftskammer bestünde im «Abschöpfen von Steuergeldern», sie habe «Steuergelder zweckentfremdet», sich «über das Gesetz gestellt» oder ihre Arbeitsmarktkontrollen seien «rechtswidrig» gewesen. Zusätzlich zu den bereits früher gelöschten Berichten müssen neu auch die Artikel «Christoph Busers heikle Zahlungsanweisung» vom 3. März 2018 und «Die unsauberen Geschäfte der Wirtschaftskammer» vom 13. Dezember 2018 gesamthaft gelöscht werden. Auch wenn die Gerichte einige der strittigen Aussagen allzu gnädig noch als tolerabel und mit der Medienfreiheit vereinbar taxierten, bleibt es damit bei der Feststellung, dass die Kampagne, welche die «Basler Zeitung» und ihr damaliger Journalist Joël Hoffmann im Jahr «DIE KAMPAGNE DER «BASLER ZEITUNG» IM 2018 WAR IN WEITEN BEREICHEN RECHTSWIDRIG, FALSCH UND IRREFÜHREND.» 2018 gegen die Wirtschaftskammer führten, in weiten Bereichen rechtswidrig und unzutreffend war. Als unlauter wird ein Medienbericht nämlich nur dann taxiert, wenn er nicht nur herabsetzend, sondern darüber hinaus falsch oder irreführend ist. Wesentliche Verfahren gewonnen Da dieses Verdikt aus Sicht der Wirtschaftskammer auch im neuen Entscheid genügend klar zum Ausdruck kommt, hat sie auch in Bezug auf diesen zweiten Entscheid auf einen Weiterzug ans Bundesgericht verzichtet, obwohl einige Überlegungen des Kantonsgerichts, namentlich im Zusammenhang mit den mangelhaften Anordnungen zur Publikation des Urteils, durchaus diskutabel wären. Mit diesem Entscheid neigt sich auch die Aufarbeitung der Kampagne dem Ende zu, mit welcher die «Basler Zeitung» ab 2018 im Verbund mit einzelnen Vertretern des KIGA und Konkurrenten versucht hatte, aufgrund angeblich unsauberer Vorgänge rund um die Arbeitsmarktkontrollen den Ruf der Wirtschaftskammer zu zerstören. Nachdem die Strafuntersuchung gegen Vertreter der Wirtschaftskammer schon im Jahr 2018 eingestellt und der damalige Regierungsrat Thomas Weber in derselben Sache im Juni 2021 freigesprochen worden war und nachdem zudem auch die Zivilforderung des Kantons Basel-Landschaft auf Rückerstattung angeblich übersetzter Beiträge an die Zentrale Arbeitsmarktkontrolle (ZAK) im Januar 2022 vollumfänglich abgewiesen wurde, stellt dieser nunmehr rechtskräftige Entscheid des Kantonsgerichts einen weiteren wichtigen Meilenstein zur Rehabilitation der Wirtschaftsammer dar. Ganz ausgestanden ist die Angelegenheit zwar noch nicht, da am städtischen Zivilgericht noch der persönlichkeitsrechtliche Parallelprozess zum eben abgeschlossenen Verfahren pendent ist und ein Strafverfahren gegen den Journalisten Joël Hoffmann läuft. Allerdings würde es überraschen, wenn sich die städtischen Richter und die Staatsanwaltschaft in ihren Entscheiden nicht eng an die Erkenntnisse ihrer Baselbieter Kollegen halten würden, zumal diese in grossen Teilen bereits durch das Bundesgericht geprüft worden sind. Adrian Bachmann* * Adrian Bachmann von Bachmann Rechtsanwälte AG vertritt die Wika im Rechtsfall. AUSZUG AUS DEM URTEILSDISPOSITIV DES KANTONSGERICHTS BASEL-LANDSCHAFT Es bleibt dabei: Die Basler Zeitung ist verurteilt und muss zahllose Streichungen vornehmen. So steht es im Urteilsdispositiv des Kantonsgerichts Basel-Landschaft. Es wird erkannt: 1. Feststellungen Es wird festgestellt, dass die Beklagten 1 und 2 die Klägerin unlauter in deren Wettbewerbsstellung verletzt haben und zwar mit den Berichterstattungen in der Basler Zeitung vom: 1.1. 24. Februar 2018 zur Schwarzarbeitskontrolle unter den Titeln «Wirtschaftskammer in Bedrängnis» (Front) und «Vertraulicher Bericht zeigt Missstände auf» (S. 21 und online) 1.2. 3. März 2018 zur Schwarzarbeitskontrolle unter den Titeln «Fragwürdige Abrechnungen» (Front) und «Christoph Busers heikle Zahlungs-Anweisung» (S. 21 und online) 1.3. 22. März 2018 zur Arbeitsmarktkontrolle unter den Titeln «Rechtswidri-ge Arbeitsmarktkontrolle» (Front) und «Wirtschaftskammer stellte sich übers Gesetz» (S. 3 und online) 1.4. 10. August 2018 unter dem Titel «Verdacht auf Kontroilmissbrauch» (S. 17 und online) 1.5. 3. Dezember 2018 unter den Titeln «Vertrauensverlust für Thomas Weber» (Front) und «Aktenzeichen WK1 18 180 – die unsauberen Geschäfte der Wirtschafts kammer» (S. 2 und 3) 2 Das Begehren gemäss Ziffer 2 der Klage vom 23. August 2018 auf Feststellung einer unlauteren Medienkampagne gegen die Klägerin durch die Beklagten 1 und 2 wird abgewiesen. 3.Löschungen 3.1. Berichterstattung vom 24. Februar 2018 Die Beklagte 1 wird verpflichtet, folgende Aussage im Artikel vom 24. Februar 2018 «Vertraulicher Bericht zeigt Missstände auf» (S. 21 ), sowie im Artikel «Wirtschaftskammer in Bedrängnis» (Front), abrufbar auf der Webseite unter https://bazonline.ch/basel/land/vertraulicher-bericht-zeigt-missstaende-auf/story/24803359 sowie im Online-Archiv unter https://verlag.baz.ch/ archiv und, soweit noch aufgeschaltet, in der E-Paper-Ausgabe https://verlag.baz. ch/epaper/ zu löschen: «Ebenfalls bleibt unklar, ob Busers Firmennetz einerseits für die fiktiven Arbeitsstunden Steuergelder kassierte und gleichzeitig für denselben Mitarbeiter Erwerbsersatz.» 3.2. Berichterstattung vom 3. März 2018 Die Beklagte 1 wird verpflichtet,- a) den unter https://bazonline.ch/ basel/land/christoph-busers-heikle-zahlungsanweisung/story/22609720 abrufbaren Artikel vom 3. März 2018 «Christoph Busers heikle Zahlungs-Anweisung» (S. 21), mit Ausnahme des Zusatzartikels in der Box, von ihrer Website und gemeinsam mit dem Artikel «Fragwürdige Abrechnungen» (Front) aus ihrem Online-Archiv https://verlag.baz. ch/archiv/ und, soweit noch aufgeschaltet, in der E-Paper-Ausgabe https://verlag.baz. ch/epaper/ zu löschen; b) den unter https://twitter.com/ bazonline abrufbaren Tweet vom 3. März 2018 «Wirtschaftskammer-Direktor Christoph Buser hat persönlich ... « von ihrer Twitter-Timeline zu löschen. Der Beklagte 2 wird verpflichtet, den unter https://twitter.com/ JoelHoffmannjho abrufbaren Tweet vom 3. März 2018 «Brisante Unterlagen belegen heikle Anweisung ... « sowie den Retweet des genannten Tweets der Beklagten 1 von seiner Twitter-Timeline zu löschen. 3.3. Berichterstattung vom 7. März 2018 Die Beklagte 1 wird verpflichtet, folgende Aussage im Artikel «Weber und die Wirtschaftskammer» (S. 17) vom 7. März 2018 aus ihrem Online-Archiv https://verlag.baz. ch/archiv/ und, soweit noch aufgeschaltet, in der E-Paper-Ausgabe https://verlag.baz. ch/epaper/ zu löschen: «ihr Geschäftsmodell, das Abschöpfen von Steuergeldern» (S. 17, Spalte 2)». 3.4. Berichterstattung vom 22. März 2018 Die Beklagte 1 wird verpflichtet, folgende Aussagen im Artikel vom 22. März 2018 «Wirtschaftskammer stellte sich übers Gesetz» (S. 3) sowie im Artikel «Rechtswidrige Arbeitsmarktkontrolle» (Front), abruf-bar auf der Webseite unter https://bazonline. ch/basel/land/Wirtschaftskammer-stelltesich-uebers-Gesetz/story/11719994 sowie im Online-Archiv unter https://verlag.baz. ch/archiv und, soweit noch aufgeschaltet, in der E-Paper-Ausgabe https://verlag.baz. ch/epaper/ zu löschen: a) «Rechtswidrige Arbeitsmarktkontrolle» (Front, Titel); b) « Baselbieter Wirtschaftskammer stellte sich übers Gesetz, wie geheimes Gutachten belegt» (Front, Untertitel);» c) «Diese habe sich im Zusammenhang mit Arbeitsmarktkontrollen rechtswidrig verhalten und ihre Rolle diesbezüglich verschleiert.» (Front, Spalte 2)»; d) «(Darin werden gleich mehrere Gesetzesverstösse der ZAK) respektive der federführenden Wirtschaftskammer (festgehalten)» (Front, Spalte 3 f.; nur unterstrichene Passage; Rest in Klammern bleibt) e) «Wirtschaftskammer stellte sich übers Gesetz» (S. 3, Titel, und Online-Ausgabe) f) «Verband verschleierte seine rechtswidrige Rolle.» (S. 3, Untertitel, und Online- Ausgabe) g) «Seit 2010 hat die Wirtschaftskammer den sozialpartnerschaftlichen Verein ZAK vorgeschoben, um zu verschleiern, dass der KMU-Verband die 650 000 Franken Steuergelder pro Jahr selber verwaltete.» (S. 3, Spalte 1, und Online-Ausgabe) h) «Diese schwer durchschaubare, komplexe Firmenstruktur ist typisch für die Wirtschaftskammer. Der Sinn dahinter: Durch dieses Geflecht werden nicht Steuergelder für die Bekämpfung von Schwarzarbeit und Lohndumping eingesetzt, sondern sie landen auch bei der Wirtschaftskammer.» (S. 3, Spalte 1, und Online-Ausgabe). Im Weiteren wird die Beklagte 1 verpflichtet, den unter https://twitter. com/bazonline abrufbaren Tweet vom 22. März 2018 «Ein brisantes, bisher unbekanntes Gutachten zeigt, wie sich die Wirtschaftskammer übers Gesetz stellt.» von ihrer Twitter-Timeline zu löschen. Der Beklagte 2 wird verpflichtet, den unter https://twitter.com/ JoelHoffmannjho abrufbaren Tweet vom 22. März 2018 «Wirtschaftskammer Baselland stellte sich übers Gesetz – Vertrauliches Rechtsgutachten zu Arbeitsmarktkontrollen zeigt: Verband verschleierte seine rechtswidrige Rolle.» von seiner Twitter-Timeline zu löschen. 3.5. Berichterstattung vom 3. April 2018 Die Beklagte 1 wird verpflichtet, folgende Aussagen im Artikel vom 3. April 2018 «Die Firma», abrufbar auf der Webseite unter https://bazonline.ch/basel/land/ die-firma/story/26275084, sowie im Online-Archiv https://verlag.baz.ch/archiv/ und, soweit noch aufgeschaltet, in der E- Paper-Ausgabe https://verlag.baz.ch/epaper/, zu löschen: a) «Gesetzeswidrige Arbeitsmarktkontrollen, Chaos in der Buchhaltung, intransparenter Umgang mit Steuergeldern und, und, und.» (S. 17, Spalte 1, und Online-Ausgabe); b) «Gysin und sein Nachfolger Christoph Buser führen also ein komplexes System, mit dem sie staatliche Macht ausüben sowie Steuergelder zweckentfremden und abführen können.» (S. 17, Spal-te 4 f., und Online-Ausgabe) 3.6. Berichterstattung vom 2. Mai 2018 Die Beklagte 1 wird verpflichtet, folgende Aussagen im Artikel vom 2. Mai 2018 «Wann ist Schluss mit diesem Unsinn?», abrufbar im Online-Archiv https://verlag.baz. ch/archiv/ und, soweit noch aufgeschaltet, in der E-Paper-Ausgabe https://verlag.baz. ch/epaper/ zu löschen: a) «Die Wirtschaftskammer Baselland und die Gewerkschaften haben trotzdem bei den Gewerblern und den Arbeitnehmern Lohnabgaben für die Kontrolltätigkeiten eingezogen.» (S. 21, Spalte 1 ); b) «Dieses juristisch noch schwer einschätzbare neue Problem steht nicht für sich, sondern reiht sich in eine lange Reihe von Missständen ein.» (S. 21, Spalte 1 ); c) «Sie aber glauben (Steuerzahler und Gewerbler), mit ihren Beiträgen die Arbeitsmarktkontrollen zu finanzieren und nicht etwa den Weinkonsum der Wirtschaftskammer- und Gewerkschaftsbossen.» (S. 21, Spalte 2). d) «Während sich die Bürgerlichen nicht getrauen, Busers Wirtschaftskammer die staatlichen Aufgaben zu entziehen, machen Journalisten ihren Job und recherchieren weiter über diese Machenschaften.» (S. 21, Spalte 4). 3.7. Berichterstattung vom 10. August 2018 Die Beklagte 1 wird verpflichtet, a) den Artikel «Verdacht auf Kontrollmissbrauch» (S. 17) aus ihrem Online-Archiv https://verlag.baz.ch/archiv/ und, soweit noch aufge-schaltet, in der E-Paper-Ausgabe https://verlag.baz.ch/epaper/, zu löschen; b) den unter https://twitter.com/bazonline abrufbaren Tweet vom 10. August 2018 «Verbandssprecher Schindler spricht ... » von ihrer Twitter- Timeline zu löschen. 3.8. Berichterstattung vom 13. Dezember 2018 Der Beklagte 2 wird verpflichtet, den unter https://twitter.com/Joel Hoffmannjho abrufbaren Tweet vom 13. Dezember 2018 «Die unsauberen Geschäfte der Wirtschaftskammer Baselland – Staatsangestellte werfen ... » von seiner Twitter-Timeline zu löschen. 4. Die Beklagte 1 wird verpflichtet, innert 10 Tagen nach Rechtskraft des Urteils die notwendigen Willenserklärungen, d.h. Löschungsanträge hinsichtlich der gemäss den Dispositiv-Ziffern 3.1 bis 3.8 hievor zu löschenden Artikel und Textpassagen, gegenüber folgenden Mediendatenbanken und folgender Internet-Suchmaschinen abzugeben: a) Google bzw. Google Switzerland GmbH inkl. Google-Index und Google- Cache, b) Swissdocs bzw. Swissdocs AG, c) SMD bzw. Schweizerische Mediendatenbank AG, d) Genios bzw. GBI-Genios Deutsche Wirtschaftsdatenbank GmbH. DAS URTEIL ONLINE

24. Mai 2024 INTERVIEW Standpunkt der Wirtschaft | 3 INTERVIEW – Andreas Lucco (47) ist Experte für Marketing und als Beirat in diversen Unternehmen tätig. Zudem praktiziert er als Dozent an der HSLU in Luzern. Zu seinen wissenschaftlichen Kernthemen gehört Service Innovation und Künstliche Intelligenz (KI) und die Frage, was sich weiter im Markt durchsetzen wird. «KI wird sich auf den gesamten Dienstleistungssektor ausweiten» Standpunkt: Unsere Zeit ist geprägt vom rasanten Aufstieg von Künstlicher Intelligenz (KI). Chat-GPT von Open AI hat die Technologie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Wie geht die Entwicklung in naher Zukunft weiter? Andreas Lucco: Chat-GPT und Dall- E von Open AI haben die Generierung von Text und Bilder demokratisiert und werden sich wie Excel oder Powerpoint zunehmend im Geschäftsalltag etablieren. Gleichzeitig kommen fast täglich neue, sehr spezifische GPTs (Generative Pre-Trained Transformers) auf den Markt. Dies sind Anwendungen, die basierend auf den bestehenden GPT- Plattformen konkrete Aufgaben umsetzen, wie beispielsweise Profile auf LinkedIn analysieren und daraus für Sales-Agenten Kontaktstrategien generieren oder Online- Newskanäle scannen und diese intelligent aggregieren oder Innovationsprozesse für Unternehmen durchführen und potenzielle neue Services, Produkte und Business- Modelle entwickeln. Und längerfristig? Wagen Sie einen Blick in die Glaskugel? Nun, wahrscheinlich ist, dass die neuen GPT-Plattformen und deren Anwendungen zu digitalen Service- Ökosystemen heranwachsen, analog, wie sich die Betriebssysteme von Microsoft (Office), Apple (OS) oder Google (Android) entwickelt haben. Diese Ökosysteme werden im Markt gegeneinander konkurrenzieren. Der Professor in Luzern versucht wissenschaftlich herauszufinden, wie sehr künstliche Intelligenz für Werbezwecke genutzt wird und wo ihre Grenzen liegen. Dabei ist es gar nicht immer so einfach zu erkennen, was durch einen Computer erstellt wurde und was von einem Menschen. Die Grenzen werden zunehmend fliessend, was die Gesellschaft vor neue Herausforderungen stellt. Bild: zVg Die Tech-Giganten haben einen riesen Vorteil, durch ihre KI- Anwendungen Milliarden von Menschen zu erreichen. Ist das ein fairer Wettbewerb? Trennen wir vorerst den Markt für GPTs zwischen einerseits der Basis- Technologie und andererseits den darauf entwickelten Anwendungen auf. Für die Entwicklung der Basis- Technologie sind Manpower ein klarer Erfolgsfaktor und «Giganten» im Vorteil. Aber weil GPTs über Alltagssprache gesteuert werden und nicht über Programmiercodes wird die Entwicklung von Anwendungen auch für Nicht-IT-Menschen zugänglich. Also salopp ausgedrückt, wer sich strukturiert und präzise ausdrücken kann, «ist dabei» und kann im Markt mitspielen. Das ist eine sehr faire Ausgangslage. «KI-BILDER, -SONGS UND -ARBEITEN AUF ANHIEB ZU ERKENNEN, IST ZWEIFELSOHNE EINE HERAUSFORDERUNG.» Was ist entscheidend, ob sich ein Produkt auf dem Markt durchsetzt? Und wo sind da die Chancen von kleinen Unternehmungen oder Start-ups? Erfolgsfaktoren im Markt für GPTs und deren Anwendungen sind typischerweise Auffassungsgabe der Künstlichen Intelligenz, Qualität der Outputs und letztlich Benutzerfreundlichkeit. Also, Anwender werden sich fragen: «Kann ich die AI-Applikation(en) einfach bedienen, versteht sie, was ich will, und löst sie für mich die Aufgaben so, als wenn ich sie selbst machen würde bzw. noch besser?» KMUs oder Start-ups sind tendenziell fokussierter und agiler und können am Markt Bedürfnisse schneller erkennen und umsetzen. Das kann ein Vorteil sein. Erkennen Sie auf Anhieb künstlich erzeugte Bilder, Songs, Briefe oder Arbeiten Ihrer Studentinnen und Studenten? Das ist zweifelsohne eine Herausforderung. Ich gehe das aber anders an: Meine Studenten werden von mir aktiv motiviert und angeleitet, GPTs für die Recherche, Analyse, Entwicklung von Gedanken oder Konzepten zu nutzen. Sie sollen lernen, mit ChatBots zu «sprechen» oder eben zu «prompten» und diese als Helferlein in ihrem Alltag zu integrieren. Auch, weil dies die Kompetenzen sind, die sie zukünftig auf dem Arbeitsmarkt auszeichnen werden. KI wird sicher auch rund um die amerikanische Präsidentschaftswahl im Herbst eine wichtige Rolle spielen. KI-Fakes zu eruieren dürfte auch da nicht einfach werden. Logisch. Der Fall «Cambridge Analytica» während der Präsidentschaftswahl 2016 hat bereits gezeigt, wie Datenanalyse und gezielte Werbestrategien, basierend auf persönlichen Daten, genutzt werden können, um Wählermeinungen zu beeinflussen, was die Bedeutung ethischer Richtlinien und Regulierungen im Umgang mit KI-Technologien im politischen Kontext unterstreicht. Persönlich sehe ich das Problem aber vielmehr im Zerfall der Medienqualität. «DATENANALYSE KANN GEZIELT FÜR WERBESTRATEGIEN GENUTZT WERDEN, UM MEINUNGEN ZU BEEINFLUSSEN.» Wenn wir bei der Politik sind, dann schauen wir doch mal in die Schweiz. Gibt es hierzulande spezielle Unterstützung oder Anreize von staatlicher oder regionaler Seite, um KI-Innovation voranzutreiben? Als Dozent und Wissenschaftler sind Forschung sowie Entwicklung Teil meines Arbeitspensums an der HSLU in Luzern. Zusätzlich können vom Bund, namentlich von Innosuisse, finanzielle Mittel beantragt werden. Ich kann also bestehende Finanzierungstöpfe gezielt für Forschungsvorhaben mit KI-Bezug nut- zen. Zudem stellen auch Kantone direkte Forschungsgelder zur Verfügung mit konkreten Entwicklungszielen, wie beispielsweise die Verknüpfung von KI mit der Blockchain-Technologie. Wie steht es um die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen, Start-ups und Forschungseinrichtungen im Baselbiet, um die Anwendung von KI zu ermöglichen? Den aktuellen Stand in punkto Forschungskooperation zwischen Wissenschaft und Praxis kann ich im kantonalen Kontext nicht kommentieren. Grundsätzlich bestehen aber schweizweit sehr einfach greifbare Mittel, wie Forschende und Unternehmen gemeinsam (auch) KI-gestützte Innovationen entwickeln können. Ein Beispiel: Über so genannte Innovationschecks im Wert von bis zu 15 000 Franken werden Machbarkeitsstudien finanziert, um zu prüfen, ob und wie eine Geschäftsidee entwickelt werden kann. Welche Branchen oder Bereiche hierzulande profitieren am meisten von KI-Entwicklungen? Aktuell profitieren insbesondere der Finanz- und Life-Science-Sektor von der verfügbaren KI-Technologie. Bald wird sich der Nutzen auch flächendeckend auf den gesamten Dienstleistungssektor ausweiten, insbesondere dort, wo ein hoher Digitalisierungsgrad und Service- anteil vorliegt, wie beispielsweise Architekturbüros, Versicherungen, Kommunikationsagenturen, aber auch im produzierenden Gewerbe, wenn es um Innovation und Services geht. Werden Ihrer Ansicht nach auch neue Berufsfelder entstehen? Nicht unmittelbar. Aber das Anforderungsprofil für bestehende Berufe wird sich erweitern. Der Umgang mit GPTs und deren Bedienung werden zu einer Kompetenz, die zu den Grundanforderungen von Angestellten gehören werden. Interview: Adrian Jäggi ZUR PERSON Andreas Lucco, Dr. rer. pol., ist Experte für Marketing und insbesondere Service-Innovationen. Er gilt als Motivator und Macher und unterstützt Unternehmen, nachhaltig profitabel auf dem Markt zu agieren. Darum ist er auch Business Coach an der Swiss Innovation Challenge. Seit 2022 doziert er an der Hochschule Luzern (HSLU) und ist Lehrbeauftragter an der FHNW, ZHAW und an der FHGR. Zuvor war Lucco als Unternehmensberater, KMU-Geschäftsführer und als Leiter Marketing und Vertrieb beim Sinfonieorchester in Basel tätig. Red.

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