SCHWEIZERISCHE 22. März 2024 Die Zeitung für KMU | Regionalbund | Standpunkt-Ausgabe Nr. 575 | 27. Jahrgang AZA 4133 Pratteln Post CH AG DIE MEINUNG Den unguten Fortgang in der Politik stoppen BEVORMUNDENDE BÜROKRATIE – Der Staat reguliert das Bauen zu stark und hält damit zunehmend Investoren ab. Der Wirtschaftsrat befürchtet drastische Folgen für die Wirtschaft im Baselbiet und hat deshalb die Fachkommission Bauwirtschaft reaktiviert. Das Ziel: Zeitenwende herbeiführen. Nicht wie in Basel-Stadt Von Christoph Buser, Direktor Wirtschaftskammer Baselland Was da gerade in der regionalen Politik vor sich geht, stimmt nachdenklich. Zum einen werden im Bausektor Investoren durch Vorschriften und Auflagen vergrault, wie das Beispiel Basel- Stadt in unserer Titelgeschichte zeigt. Zum anderen fabriziert im Baselbiet eine politische Mehrheit zusammen mit dem Regierungsrat ein bevormundendes und übergriffiges Energiegesetz und platziert dabei die wichtigsten Bestimmungen in einem Dekret, um diese am Stimmvolk vorbeischmuggeln zu können. Es ist offensichtlich, dass zunehmend Ideologie die politische Agenda bestimmt. Dabei wird die Politik immer dreister und ersetzt systematisch die Mechanismen eines freien Marktes durch planwirtschaftliche Steuerungselemente wie etwa der Order, welche Wohnungen wie und zu welchem Preis gebaut werden sollen. Wer nun denkt, es gehe alles einfacher, wenn der Staat überall befiehlt und sogar in den Heizungskeller hineinregiert, der irrt gewaltig. Die Lücke, die entsteht, wenn sich private oder institutionelle Investoren ob so viel Bevormundung zurückziehen, ist gross. Und genauso gross ist der Trugschluss, eine rücksichtslosere Gangart in der Energiepolitik mit schärferen Pflichten und Verboten sei die Lösung der Klimaprobleme und müsse hingenommen werden. Die Mehrheit der Politik verschweigt heute geflissentlich, wie empfindlich die Auswirkungen einer schroffen Klimapolitik die Menschen im Geldbeutel treffen werden – die neuesten Zahlen des Bundesamtes für Statistik geben eine Vorstellung davon: Schweizweit werden 70 Prozent aller Mietwohnungen mit fossilen Energieträgern wie Heizöl oder Gas versorgt. Bei den Eigentumswohnungen sind es 57 Prozent, und Mieterinnen und Mieter wohnen häufiger in grossen, mit Öl- und Gaskesseln ausgerüsteten Gebäuden. Wenn eine solche Heizung ab 2026 im Baselbiet kaputtgeht und ein Heizungsersatz ansteht, werden die deutlichen Zusatzkosten, die durch einen Wechsel auf ein alternatives Heizsystem entstehen, auf die Mietparteien übergewälzt. Das bedeutet: Mietzinserhöhungen. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Nicht nur bei der Energie ist die Regelflut kontraproduktiv, auch für den Häuser- und Wohnungsmarkt. Investoren suchen sich den idealen Standort für ihre Tätigkeiten nach ihren eigenen Kriterien aus und nicht nach jenen, die irgendwelche Politikerinnen und Politiker gerade für richtig erachten. Zudem sind viele Investoren wie Versicherungen, Banken oder Pensionskassen auch ihrer Kundschaft verpflichtet und müssen eine Rendite erzielen. Ist diese nicht möglich, investieren sie anderswo. Wir aktivieren deshalb die Fachkommission Bauwirtschaft mit dem Ziel, konkrete Massnahmen auszuarbeiten. Denn die Wirtschaftskammer will, dass das Baselbiet investorenfreundlich bleibt. HEUTE IM STANDPUNKT 2 | TEMPO 30 Fragwürdig: Grüne arbeitete an Rechtsgutachten mit. Die Berichte, dass sich das Unternehmen Baloise aus Sanierungsprojekten von Wohnhäusern zurückzieht und auch die UBS auf dem Horburg-Areal wegen der Flut von Bau- und Wohnschutzvorschriften auf Distanz geht, hat in der Baubranche ein Erdbeben ausgelöst. «Wenn Investoren sich zurückhalten, ist das ein Alarmsignal», sagt Christoph Buser, Direktor der Wirtschaftskammer Baselland (Wika). Und Peter Meier von Mevo-Fenster aus Reinach sowie Zentralpräsident von AM Suisse ergänzt: «Die kurzfristigen Auswirkungen von fehlenden Investitionen können an Häusern in Basel beobachtet werden, die langfristigen an Gebäuden in Genf.» Die Aussagen von Baloise und UBS wecken bei den KMU im Landkanton Befürchtungen. «Das Ausbleiben von Bauinvestitionen bedeutet für mich eine tiefere Arbeits auslastung und dadurch zwangsläufig die Verkleinerung der Firmenstruktur», sagt etwa Nicole Ott von der Reinhard Ott AG in Arlesheim. «Dank Bauinvestitionen können wir Arbeitsplätze sichern und den Abbau von Arbeitsplätzen verhindern.» Fachkommission übernimmt Die Wika will angesichts der Situation rasch handeln. Konkret bedeutet dies, dass sie in einem ersten Schritt am 4. März die «Fachkommission Bauwirtschaft» (FKBII) reaktiviert hat. Eigentlich gab es diese Kommission schon mal, war aber länger nicht mehr aktiv – was sich jetzt ändern soll. Für Investoren ist nicht nur der immer enger werdende Handlungsspielraum ein Hindernis, sondern auch die durch Auflagen entstehenden Kosten. Rolf Buch, Chef von Deutschlands grösstem Immobilienunternehmen Vonvia, sagte unlängst in einem Podcast, dass Bauvorschriften den Wohnraum um 3000 bis 5000 Ob der «Horburg-Turm» in Basel tatsächlich realisiert wird, ist mehr als ungewiss. Die UBS als Investor hat aufgrund der vielen Bau- und Wohnschutzauflagen signalisiert, sich aus dem Projekt zurückzuziehen. Visualisierung: bbarc.ch ABSTIMMUNG – Es ist wohl die wichtigste Vorlage des Jahres, über welche die Baselbieterinnen und Baselbieter am 9. Juni abstimmen. Der Wirtschaftsrat unterstützt dabei den HEV BL. Wirtschaftsrat sagt Nein zu Energiegesetz Bereits Monate vor der Abstimmung am 9. Juni macht sich bei den Befürwortern des neuen Energiegesetzes (EnG) mit seinem Dekret Nervosität breit. Grund: Was die politische Mehrheit und die Regierung schlank durchbringen wollten, könnte an der Urne scheitern, denn es formiert sich Widerstand. Der Wirtschaftsrat hat am 7. März entschieden, das EnG zur Ablehnung Euro pro Quadratmeter verteuern. Tendenz steigend. Für die Schweiz liegen solche Zahlen nicht vor. Der Bedarf an Wohnungen ändert sich gerade rasant, auch als Folge einer sich im Wandel befindenden Arbeitswelt und der wachsenden Bevölkerung. Weil der Reiz zum Pendeln angesichts überfüllter Züge und verstopfter Strassen abnimmt, gewinnt das Wohnen in der Stadt oder in der Agglomeration an Attraktivität. Dabei steigt die Nachfrage nach unkonventionellen Wohnformen wie Tinyhäusern, Boardingrooms, Mikro erreicht wurde. Wichtig: Über das Dekret wird nicht abgestimmt – es tritt am 1. Oktober 2024 in Kraft. Das Dekret will, dass ab Oktober bei Neubauten und ab dem Jahr 2026 auch bei bestehenden Bauten auf erneuerbares Heizen gesetzt werden muss. Zudem müssen ab Herbst 2024 alle Neubauten mit Fotovoltaikanlage ausgestattet werden. Gegen diese Vorschriften lanciert der Hauseigentümerzu empfehlen. Er möchte lieber auf Freiwilligkeit und Anreize statt Verbote setzen, so wie es beim Erfolgsmodell «Baselbieter Energiepaket» schon seit Jahren gemacht wird. Der Landrat hat am 19. Oktober 2023 dem EnG und dem dazugehörigen Dekret (Vollzugserlass) zugestimmt. Das EnG muss nun dem Volk vorgelegt werden, da in der Schlussabstimmung das Vierfünftelmehr nicht wohnungen, möblierte Business Appartements oder Studios. Um aber mehr Wohnraum schaffen zu können, wäre das Umfunktionieren von Bürogebäuden zu Wohnhäusern oder das Zulassen einer Mischform von Wohnungen und Büroräumen wichtig. Doch hier blockt die Baselbieter Politik. Die Regierung lehnt eine flexible Interpretation der Zonen ab und versteckt sich hinter einem Entscheid des Kantonsgerichts aus dem Jahr 2016. Unter dem Deckmantel «Nutzungskonflikte vermeiden» werden de facto wichtige Anpassungen verhindert. Nun sollen Gemeinden es richten, indem sie Umzonungen vornehmen, was aber einen langwierigen Prozess bedeutet. Zeit, die weder Wohnungssuchende noch Investoren noch der Baselbieter Wirtschaftsstandort haben. In den nächsten Wochen wird die FKBII nun eine Auslegeordnung der Situation vornehmen, um dann konkrete Massnahmen zur Verbesserung vorzuschlagen. Klar ist jetzt schon: Die Politik dürfte sich bald mit diesen Themen befassen müssen. Mischa Hauswirth verband Baselland (HEV) eine Nein- Kampagne. Denn ein Nein zum Gesetz bedeutet auch ein Nein zum Dekret. Die Baselbieter Stimmbevölkerung hat sich 2021 gegen das CO 2 -Gesetz und 2022 gegen die Klimainitiative gestellt. Für den HEV zeigen diese Abstimmungen, dass eine mehrheitsfähige Klimastrategie nicht einfach auf Verboten und Pflichten zulasten der Bevölkerung abstützen darf. hws
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