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Standpunkt 554, 17. Februar 2023

Standpunkt 554, 17. Februar

SCHWEIZERISCHE 17. Februar 2023 Die Zeitung für KMU | Regionalbund | Standpunkt-Ausgabe Nr. 554 | 26. Jahrgang AZA 4133 Pratteln Post CH AG DIE MEINUNG Parlament gewinnt an Bedeutung PETITION GEPLANT – Gegen die vorschnelle Schliessung der Rheinstrasse zwischen Augst und Pratteln erhebt sich nun konkreter Widerstand. Ein Komitee von betroffenen Unternehmen im Gebiet will eine Petition lancieren. Wachsender Widerstand Von Christoph Buser, Direktor Wirtschaftskammer Baselland Die Stimmen sind ausgezählt, die ersten Analysen sind Geschichte, die Plakate verschwinden wieder aus den Strassenbildern. Die Gesamterneuerungswahlen im Baselbiet sind Geschichte, die Positionen für die kommenden vier Jahre bezogen. Die neue Regierung ist nun auch offiziell nicht mehr bürgerlich – den Partei- und Wahlkampfleitungen ist es nicht gelungen, Sandra Sollberger als Kandidatin für die Nachfolge von SVP-Vertreter Thomas Weber in der notwendigen Stärke zu positionieren und erfolgreich durchzubringen. Angesichts der breiten Wahlbasis, die die SVP als neu wieder stärkste Landratsfraktion in den Parlamentswahlen nach wie vor mobilisiert, ist dies kein wirklich gutes Zeugnis. Eine tiefgreifende Veränderung auf Regierungsebene werden wir trotz der Abwesenheit der SVP nicht erleben. Die Regierung hat in den vergangenen vier Jahren schon in der bisherigen Zusammensetzung in vielen Bereichen nicht mehr bürgerlich gehandelt: die jüngsten Vorlagen und Entscheidungen in den Bereichen Mobilität und Energie sprechen hier eine deutliche Sprache. Durch die klare Bestätigung und Stabilisierung der bürgerlichen Mehrheit im Landrat – ich gratuliere bei dieser Gelegenheit allen gewählten KMU-freundlichen Kandidatinnen und Kandidaten – werden sich die Pole weiter akzentuieren. Dem Parlament wird noch stärker als bisher die Rolle der Opposition zukommen. Es wird noch mehr korrigierende Eingriffe benötigen, um den Kanton weiter auf Erfolgskurs halten zu können. Monica Gschwind hat noch am Wahlabend richtig erkannt, dass es für die künftige Regierung schwieriger werden wird, mehrheitsfähige Vorlagen und Lösungen zu präsentieren. Die Schliessung der Rheinstrasse zwischen Augst und Pratteln seit dem vergangenen 9. Dezember hat im wichtigen Gewerbe- und Industriegebiet Netziboden für viel Ärger gesorgt. Markante Umsatzeinbrüche, schlechte Erreichbarkeit, genervte Kundschaft und Tausende von unnützen und umweltbelastenden Mehrkilometern durch die viel zu umständliche Umfahrung des Gebiets haben die Unternehmungen auf den Plan gerufen. Am 14. Februar trafen sich über 50 betroffene Firmen auf Initiative der Wirtschaftskammer Baselland zu einem Informations- und Diskussionsanlass. Grosses Unverständnis Mit einem unübersicht lichen Verkehrsschild karikiert die Baudirektion des Kantons Basel-Landschaft ihren unverständlichen und offensichtlich irreführenden Parcours an der östlichen Sperrzone gleich selbst. «Das Unverständnis ist riesig, niemand begreift, warum hier ohne Not eine Situation geschaffen wurde, die den Unternehmen ganz erhebliche Probleme beschert», sagt Christoph Buser, Direktor der Wirtschaftskammer Baselland, der am Anlass die aktuelle Situation erläuterte und die politischen Möglichkeiten aufzeigte. Am Ende des Anlasses stellten sich mehrere Unternehmerinnen und Unternehmer für ein Petitionskomitee zur Verfügung, das in den kommenden Tagen und Wochen die Petition für eine sofortige Wiedereröffnung der Rheinstrasse und die Einberufung eines runden Tisches zur Diskussion über ein Gesamtverkehrskonzept für dieses wichtige wirtschaftliche Entwicklungsareal des Kantons lancieren möchte. Die Vorbereitungen wurden sofort an die Hand genommen – sobald die Finanzierung sichergestellt ist, wird das Anliegen auf entsprechenden Petitionskarten und online unterschriftsbereit sein. 4,6 Kilometer statt 300 Meter Ein Film mit Quotes von Betroffenen zeigte am Event eindrücklich auf, wie konfus die Situation im Quartier momentan ist. Wer von Augst ins Netzibodenquartier fahren möchte, muss gegenwärtig statt wie zuvor rund 300 Meter ab der Sperrung einen Umweg von sagenhaften 4,6 Kilometern fahren – ein ökologischer und ökonomischer Unsinn, der seines gleichen sucht. Dazu kommt, dass die zuständige Baudirektion des Kantons Basel- Landschaft ihren unverständlichen und offensichtlich irreführenden Parcours mit einem unübersichtlichen Verkehrsschild an der östlichen Sperrzone selbst karikiert, und dass die Polizei fast schon mit Dauerpräsenz irritierte Verkehrsteilnehmende mit Bussen eindeckt. Für nicht Ortskundige, die sich auf GPS oder Google Maps verlassen, wo stets die falsche Zufahrt vorgeschlagen wird, ist das eine nicht zu bewältigende Herausforderung. Die untragbare Verkehrssituation im Quartier, die Betroffene zu Recht als «Schildbürgerstreich» der Verwaltung bezeichnen, führte neben Umsatz einbussen von über 40 Prozent bei Unternehmen mit Kundenkontakt auch schon zu personellen Konsequenzen in Firmen. In einem Fall ist sogar die Versorgungssicherheit mit lebensnotwendigen Gütern Bild: ds betroffen. Die vorschnelle Sperrung der Rheinstrasse ist umso unverständlicher, als dass wichtige Naherschliessungsachsen wie eine ausgebaute Netzibodenstrasse oder die Verlängerung der Lohagstrasse an den Kreisel der neuen Rauricastrasse noch lange Zeit nicht funktional oder gar nicht gebaut sind. Diese Achsen wären aber essenziell für eine effiziente Erschliessung des gesamten Quartiers, die mit einer offenen Rheinstrasse problemlos gewährleistet werden könnte. Zumal weitere wichtige Entlastungsprojekte wie die Kapazitätserweiterung der Autobahn A2/A3 und die Umfahrung Augst seit Jahren ihrer Umsetzung harren. Daniel Schaub Seite 5 Das muss nicht zwingend schlecht sein – die erkennbaren Tendenzen, dass am Volk «vorbeipolitisiert» wird, können in der neuen Konstellation besser gebremst und zurechtgerückt werden. Den Verbänden und ihrer starken Mitglieder basis, auch uns als Wirtschaftskammer Baselland, kommt in diesem Prozess eine wichtige Rolle zu, in dem die Bedürfnisse und nötigen Schritte noch deutlicher formuliert und in die Entscheidungsgremien getragen werden. HEUTE IM STANDPUNKT 4 | KMU LEHRBETRIEBSVERBUND Auf den kommenden August sind noch Lehrstellen frei. 7 | TAG DER WIRTSCHAFT Der Anlass wird von Rainer Maria Salzgeber moderiert. INTERVIEW – Die demografische Entwicklung stellt unsere Wirtschaft vor grosse Herausforderungen, sagt Demograf Hendrik Budliger, aber leider werde das Problem noch nicht ernst genommen. Wettbewerb um Arbeitskräfte nimmt zu «Wir sind erst am Anfang des Problems», sagt Hendrik Budliger unzweideutig. Und er stellt fest: «Der sich verstärkende Fachkräftemangel wird nicht ernst genommen.» Die Schweiz stehe demografisch schlecht da, weil der Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung stagniert und bald sinkt, aber besser als die meisten anderen europäischen Länder, da er dort bereits am Sinken ist. Und trotz eines positiven Zuwanderungssaldos sei der Kanton Basel- Landschaft der zweitälteste der Schweiz, hinter dem Tessin. Budliger ist Demograf und sorgte jüngst für Schlagzeilen, weil er die 10-Millionen-Schweiz für unwahrscheinlich hält, aber trotzdem viele Probleme auf unsere Wirtschaft zukommen sieht, die ihre Ursache in der demografischen Entwicklung haben. Altersstruktur in Schieflage «Die Generation der Babyboomer verlässt den Arbeitsmarkt, während eine viel kleinere Generation neu in den Arbeitsmarkt eintritt», erklärt Budliger und stellt fest, dass die Alters struktur in den Schweizer KMU in Schieflage ist. Die Konsequenzen sind laut Budliger vielfältig: «Mit den Babyboomern gehen nicht nur viele Arbeitskräfte verloren, sondern auch viel Know-how, Beziehungen und Erfahrung. Grosse und kleine Unternehmen sind dabei, diesen Wandel zu verschlafen, da sie sich zu wenig mit der Altersstruktur in der Organisation, dem Wissensmanagement und der Fluktuation auseinandersetzen.» Man müsse jetzt Massnahmen umsetzen, um einem zunehmend schwierigeren Umfeld ein attraktiver Arbeitgeber zu bleiben, fordert Budliger. Er geht auch davon aus, dass Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland abnehmen kann und Auswanderung zunimmt. Der Wettbewerb um Arbeitskräfte werde innerhalb der Branchen, zwischen den Branchen und zwischen den Ländern zunehmen. Budliger: «Da ein Sinken der Zuwanderung von Fachkräften aus Europa wahrscheinlich ist, muss man sich als attraktiver Arbeitgeber positionieren, um im Wettbewerb mit den anderen Arbeitgebern bestehen zu können. Als KMU muss man die Vorteile, kein Grossunternehmen zu sein, ausspielen und seine Stärken von vielseitigeren Aufgaben und Karrieremodellen in den Vordergrund rücken.» Patrick Herr Seite 3

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