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Standpunkt 538, 8. April 2022

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18 | Standpunkt der Wirtschaft INSERATE 8. April 2022

8. April 2022 RATGEBER Standpunkt der Wirtschaft | 19 POLIT-KOLUMNE Das Bohren dicker Bretter lernt man im Bundeshaus Wir müssen nachbessern, wo dies nötig ist. Wo politische Entscheidungen getroffen werden, welche die KMU betreffen, da müssen wir ebenfalls am Tisch sitzen.» Wer so spricht, weckt Erwartungen. Es waren die Worte des Tessiner Unternehmers und Mitte-Nationalrats Fabio Regazzi, der nach seiner Wahl an die Spitze des Schweizerischen Gewerbeverbandes (sgv) von Ende Oktober 2020 das Selbstverständnis dieser Organisation mit Entschlossenheit beschrieb. Ebenso klar bezog er Stellung gegen ausufernde und wirtschaftsfeindliche Regulierungen. Grösstmögliche Einigkeit und viel Selbstvertrauen über den Tag hinaus sollten künftig zur «Wirkung im Ziel» beitragen. Wie aber erreicht man das? Ein Beispiel für zielbewusstes Vorgehen lieferte der Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen mit seiner Parlamentarischen Initiative vom 20. März 2019: «Das Bundesgesetz über Radio und Fernsehen (RTVG) ist so zu ergänzen, dass Doppelzählungen des Umsatzes von der Abgabepflicht für Unternehmen ausgenommen werden.» Andere schlugen in die gleiche Kerbe. Worum geht es? Zur Debatte stehen Artikel 68 RTVG und weitere damit zusammenhängende Gesetzestexte: «Der Bund erhebt eine Abgabe zur Finanzierung der Erfüllung des verfassungsrechtlichen Leistungsauftrags von Radio und Fernsehen. Die Abgabe wird pro Haushalt und pro Unternehmen erhoben. Der Ertrag und die Verwendung der Abgabe werden in der eidgenössischen Staatsrechnung (...) nicht ausgewiesen. Dieser Gesetzestext sei so zu ändern, dass künftig nur noch Unternehmen mit 250 oder mehr Beschäftigten (Vollzeitstellen) die Abgabe für den Empfang von Radio und Fernsehen zu entrichten haben. Mit dem Systemwechsel vom 1. Januar 2019 wuchs nämlich bei Unternehmern die Unzufriedenheit und das Unverständnis über die neue Besteuerung durch die Eidgenössische Steuerverwaltung. Denn die umsatzbezogene Abgabe führe bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mit grossen Umsätzen, aber sehr tiefen Margen zu eklatanten Härtefällen. Es gebe «DEN BUNDESRAT BEIM WORT ZU NEHMEN, FÄLLT IN DIESEM KLAREN FALL DEN START- UND SPRUNGBEREITEN BUNDESPARLAMENTARIERN FÜR EINMAL NICHT BESONDERS SCHWER.» Peter Amstutz* KMU, die für den Radioapparat zum Beispiel in einer Autowerkstatt neu 5750 Franken statt wie bisher 200 Franken abliefern müssten, wurde beanstandet. Zur Interpellation des Tessiner Mitte-Nationalrats Nicolo Paganini in gleicher Sache kündigte der Bundesrat eine umfassende Analyse der Auswirkungen der Unternehmensabgabe an und bestätigte, dass bei Änderungsbedarf die nötigen Schritte eingeleitet würden. Aus der Nationalratsdebatte wurde protokolliert: «Rein sachlich betrachtet können nur Menschen (natürliche Personen) Radio, Fernsehen und andere Medien konsumieren, nicht aber Unternehmen (juristische Personen). Der Daseinszweck von Unternehmen ist nicht der, dass Mitarbeitende und Mitarbeiter ihren Arbeitstag mit TV- oder Radiokonsum verbringen. Die Arbeitsbedingungen lassen es gar nicht zu. Nie würde eine Firma akzeptieren, dass ihre Mitarbeitenden während der Arbeitszeit TV konsumieren.» Da die Medienkonsumenten stets natürliche Personen seien, könne es nicht nachvollziehbar sein, dass Unternehmungen überhaupt eine Mediensteuer abliefern müssten. Seit 2019 sind praktisch alle Haushalte der Schweiz mediensteuerpflichtig. Geschäftsinhaber und Mitarbeitende sind verpflichtet, sowohl für die Firma als auch für den Privathaushalt zu zahlen. Nach gründlicher Vorberatung in den Sachbereichskommissionen steuert das heftig umstrittene Ratsgeschäft nun in Richtung der Zielgeraden. Die nationalrätliche Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF) gab «grünes Licht» für die Weiterbehandlung nach den Verfahrensregeln des Zweikammersystems und hielt fest, dass Unternehmensabgaben für Radio- und Fernsehkonsum für KMU «eine ungerechtfertigte Belastung» darstellten. Die Stellungnahme des Bundesrates dazu lässt Kompromissbereitschaft erkennen: «Ob die Unternehmensabgabe in allen Teilen die erwarteten und erwünschten Auswirkungen zeigt, ist eine andere Frage. Derzeit kann noch nicht vollständig überblickt werden, welche konkreten Auswirkungen die Unternehmensabgabe hat.» Ein neuerlicher Wechsel beim Abgabesystem wäre aus Sicht des Bundesrats aber «unverhältnismässig und würde zur Verunsicherung der Abgabepflichtigen führen». Der Bundesrat hatte allerdings bereits bei der Einführung des neuen Abgabesystems am 18. Oktober 2017 beschlossen, dass er dessen Auswirkungen – gestützt auf die Erfahrung des ersten Erhebungsjahres – bis spätestens Mitte 2020 prüfen wolle. Ihn darum beim Wort zu nehmen, fällt in diesem klaren Fall den start- und sprungbereiten Bundesparlamentariern für einmal nicht besonders schwer. Die Landesregierung hat nämlich versprochen: «Sollte die Bilanz des Abgabesystems zeigen, dass gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, wird der Bundesrat die nötigen Schritte unternehmen.» Das geduldige Bohren dicker Bretter im Bundeshaus kann andauern. *Peter Amstutz, ehemaliger Leiter der Bundeshaus-Redaktion der «Basler Zeitung» Der Autor gibt seine eigene Meinung wieder. Diese muss sich nicht mit jener der Wirtschaftskammer decken. RATGEBER RECHT – Verlieren Arbeitnehmende ihren Anspruch auf Ferien, wenn sie die Arbeitsleistung nicht erbringen? Wann dürfen Ferien gekürzt werden, und wie ist dabei vorzugehen? Der Ratgeber Recht bietet eine kurze Übersicht. Ferienkürzung bei Arbeitsverhinderung – was gilt? Dr. Dominik Rieder Andreas Dürr Alexander Heinzelmann David Hug Markus Prazeller Philipp Rupp LEGAL-TEAM Die Wirtschaftskammer Baselland steht ihren Mitgliedern für eine juristische Erstberatung zur Verfügung. Von Gesetzes wegen haben Arbeitnehmende jedes Dienstjahr Anspruch auf vier Wochen Ferien – Arbeitnehmende bis zum vollendeten 20. Altersjahr auf deren fünf. Dieser Ferienanspruch fällt anteilsmässig zur geleisteten Arbeit an. Ist der Arbeitnehmende an der Erbringung der Arbeitsleistung verhindert, sieht das Gesetz vor, dass der Ferienanspruch unter Umständen gekürzt wird. Dabei ist zwischen der verschuldeten und unverschuldeten Arbeitsverhinderung zu unterscheiden. Krankheitsbedingte Absenzen Der Regelfall stellt die unverschuldete Arbeitsverhinderung des Arbeitnehmenden dar. Zu denken ist dabei an die Arbeitsverhinderung infolge von Krankheit oder Unfall. Ist der Arbeitnehmende aus solchen Gründen mehr als zwei volle Monate an seiner Arbeitsleistung verhindert, kann sein Ferien anspruch um einen Zwölftel gekürzt werden und für jeden weiteren vollen Monat um einen zusätzlichen Zwölftel. Der erste Monat der unverschuldeten Arbeitsverhinderung stellt eine Karenzzeit dar und ist bei der Ferienkürzung nicht zu berücksichtigen. Ist die Arbeitnehmerin infolge einer Schwangerschaft an der Arbeitsleistung verhindert, darf erst ab dem dritten vollen Monat eine Ferienkürzung um einen Zwölftel vorgenommen werden. Es gilt demnach eine Karenzzeit von zwei Monaten. Die Karenzzeiten beginnen mit jedem frischen Dienstjahr neu zu laufen. Ausgeschlossen ist eine Ferienkürzung hingegen beim Mutter- bzw. Vaterschaftsurlaub. Kein Grund für eine Ferienkürzung stellt auch die Freistellung des Arbeit nehmenden durch den Arbeitgeber dar. Verschuldete Arbeitsverhinderung Wenn der Arbeitnehmende während eines Dienstjahres mehr als einen Monat an der Arbeitsleistung verhindert ist, kann der Arbeitgeber den Ferienanspruch für jeden vollen Monat der Verhinderung um einen Zwölftel kürzen. Ein Verschulden des Arbeitnehmenden an der Arbeitsverhinderung wird nicht leichthin angenommen. Dem Arbeitnehmenden muss ein offensichtliches Fehlverhalten vorgeworfen werden können. Eine verschuldete Arbeitsverhinderung wird in der Praxis also nur selten vorliegen. Massgebend für die Ferienkürzung sind nur die vollen Monate der Arbeitsverhinderung. Für die Berechnung ist nicht der Kalendermonat, sondern der Arbeitsmonat massgebend. Ein Arbeitsmonat umfasst durchschnittlich 21,75 Tage. Fehlt eine Arbeitnehmende während eines Dienstjahres wegen Krankheit, kann eine Ferienkürzung um einen Zwölftel frühstens nach einer Abwesenheit von 43,5 Tagen vorgenommen werden. Dabei werden die Absenztage zusammengerechnet. Für Arbeitgeber empfiehlt es sich, die Voraussetzungen einer Ferienkürzung genau zu konkretisieren, damit eine einheitliche Handhabung gewährleistet werden kann. Dies ist im Rahmen des Arbeitsvertrags oder eines Personalreglements möglich, sofern die Belegschaft durch die Regelungen nicht schlechter gestellt wird als durch die gesetzlichen Vorgaben. David Hug ist Rechtsanwalt und Partner in der Kanzlei Wagner Prazeller Hug. Er ist Mitglied des Legal-Teams der Wirtschaftskammer Baselland. Das Legal-Team von sechs Rechtsanwälten im Haus der Wirtschaft in Pratteln wird von Dr. Dominik Rieder geleitet und besteht weiter aus Markus Prazeller und David Hug (Wagner Prazeller Hug AG), Alexander Heinzelmann (Heinzel mann & Levy), Philipp Rupp (Rupp Meier Rechtsanwälte) und Andreas Dürr (Battegay Dürr AG). Sie schreiben regelmässig in der Rubrik «Ratgeber Recht» über aktuelle rechtliche Themen. Kontakt zum Legal-Team: Wirtschaftskammer Baselland KMU-Dienstleistungen Dr. Dominik Rieder Head Legal Wirtschaftskammer Hardstrasse 1 4133 Pratteln Telefon: 061 927 66 70 E-Mail: d.rieder@kmu.org IMPRESSUM Herausgeber ⁄ Verlag: Schweizerischer Gewerbeverband sgv, Schwarztorstrasse 26, Postfach 8166, 3001 Bern, Tel. 031 380 14 14, verlag@sgv-usam.ch Redaktion sgz: Schwarztorstrasse 26, 3007 Bern Tel. 031 380 14 14, redaktion@sgv-usam.ch Regionalbund «Standpunkt» Herausgeber: Wirtschaftskammer Baselland Arbeitgeber Baselland, Unabhängiges Podium für eine liberale Wirtschaft und Gesellschaft, Haus der Wirtschaft, Hardstrasse 1, 4133 Pratteln Tel. 061 927 64 64, Fax 061 927 65 50 www.kmu.org, standpunkt@kmu.org Verantwortung: Christoph Buser, Direktor Redaktion/Umbruch: Reto Anklin, Patrick Herr, Daniel Schaub, Fabienne Steiger Produktion: IWF, Hardstrasse 1, 4133 Pratteln Abonnement im Mitgliederbeitrag inbegriffen Adressänderungen: standpunkt@kmu.org Der Abdruck von Textbeiträgen mit vollständiger Quellenangabe ist erlaubt.

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