2 | Standpunkt der Wirtschaft BERUFSSCHAU 5. November 2021 ERÖFFNUNG – Die Baselbieter Berufsschau ist eine der wenigen Berufsmessen, die in diesem Jahr in der Schweiz physisch durchgeführt werden konnten – für Tausende von Jugendlichen eine enorm wichtige Plattform für ihre Berufswahl. Zur Eröffnung war viel Prominenz zugegen. «Keine Sorgen um den Bildungsstandort» «Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind stark zu machen.» Dieses afrikanische Sprichwort nutzte Nationalratspräsident Andreas Aebi bei der Eröffnung zur 13. Baselbieter Berufsschau am vorletzten Mittwoch in Liestal und zog damit einen treffenden Vergleich. Bei der Berufsschau treten alle Beteiligten in der Berufsbildung in direkten Kontakt, tauschen sich aus, unterstützen sich und begünstigen so erste Entscheidungen in der Berufswahl. «Die Plattform der Berufsschau ist ein entscheidender Faktor», sagte die Baselbieter Regierungsrätin und Bildungsdirektorin Monica Gschwind beim schlichten Eröffnungsakt in der Militärhalle in Liestal. Sie bezeichnete die Berufsbildung in der Schweiz und in der Region als «enorm krisenresistent» und wünschte sich für die Zukunft noch mehr Durchlässigkeit im Schweizer Bildungssystem. Aebi wiederum, der auch aussenpolitisch sehr aktiv ist und im Ausland oft auf das Schweizer Berufsbildungskonzept angesprochen wird, machte sich angesichts seiner Eindrücke an der Berufsschau «keine Sorgen um die Zukunft des dualen Systems in der Schweiz». Zertifikats- und Maskenpflicht Die Berufsschau 2021 fand erstmals ausschliesslich in einer komplett im Aussenbereich der Schul- und Sportanlagen Frenkenbündten in Liestal erbauten Zeltlandschaft unter Beachtung eines umfassenden Schutzkonzeptes statt. Tausende Schülerinnen und Schüler nutzten die Gelegenheit, um dem Motto «Berufe an der Arbeit» nachzuleben und viele Dinge praktisch ausprobieren zu können. Das abermals modernisierte Konzept der drei offenen Erlebniswelten «Gesundheit/Soziales/Chemie/Pharma», «Natur/Handwerk/Technik» Viel Farbe an der Berufsschau 2021: Nationalrätin Sandra Sollberger (2.v.l.), die selbst ein Malergeschäft führt, hat wertvolle Tipps für (v.l.n.r.) Daniel Spinnler (Stadtpräsident Liestal), Andreas Aebi (Nationalratspräsident) und Christoph Buser (Direktor Wirtschaftskammer). Bild: Uta Grütter und «Bildung/Dienstleistungen/ Handel/Tourismus», welches auch farblich zur Geltung kommt und die Führung der Besuchenden entsprechend erleichtert, ermöglicht es den Jugendlichen, sehr einfach und mit ihren Informationsgewohnheiten in die Berufswelten einzutauchen. Bergers Optimismus Nach der offiziellen Eröffnungsfeier, bei der OK-Chef Urs Berger und sein Team für ihre Hartnäckigkeit und den Optimismus in der Vorbereitung gelobt wurden, begleitete die Polizeimusik Basel-Landschaft den Festumzug vom Regierungsgebäude bis zum Ausstellungsgelände, wo kurz vor Mittag das Band durchgeschnitten und die Berufsschau als offiziell eröffnet erklärt wurde. Ständerätin Maya Graf, die Nationalrätinnen Sandra Sollberger, Florence Brenzikofer und Daniela Schneeberger (gleichzeitig Vizepräsidentin des Schweizerischen Gewerbeverbandes), Landratspräsidentin Regula Steinemann, Regierungspräsident Thomas Weber und der Liestaler Stadtpräsident Daniel Spinnler nutzten die Gelegenheit, sich auf einem Rundgang von der breiten Palette von rund 250 Berufen und Ausbildungswegen, die 140 Ausstellende an 68 Ständen präsentierten, zu überzeugen und das eine oder andere auch gleich selbst auszuprobieren. Ein besonderer Name auf der Gästeliste war Iwona Kozłowska, die Botschafterin der Republik Polen in der Schweiz und im Fürstentum Liechtenstein, die sich mit ihrer Delegation ein Bild über die Vielfalt der Berufsbildungslandschaft in der Schweiz machen wollte. Daniel Schaub www.berufsschau.ch Das Band ist durchschnitten. Daniel Spinnler, Andreas Aebi, Andreas Schneider, Monica Gschwind, Iwona Kozlowska, Christoph Buser (v.l.n.r.). Bilder: Uta Grütter Defilee des von der Polizeimusik BL angeführten «Berufsschau-Zuges» vor dem Liestaler Törli. Monica Gschwind ehrt «Mister Berufsschau» Urs Berger. Bildungsdirektorin Gschwind am Stand der Baumeister. Daniela Schneeberger, Thomas Weber und Andreas Aebi (v.l.n.r.) auf dem Weg zur Berufsschau.
5. November 2021 BERUFSSCHAU Standpunkt der Wirtschaft | 3 BERUFSSCHAU 2021 – Erst die Aussteller machen mit ihrem Engagement die Berufsschau zu einer Erlebniswelt. Wir haben uns auf den Weg gemacht und die Leute an den Ständen besucht. Ein Gang durch den Showparcours An der Berufsschau werden alle – restlos alle! – Register gezogen, um Branchen und Berufe attraktiv zu präsentieren. Im Einsatz um die Aufmerksamkeit der Jugendlichen sind der gute alte Foto-Mat für das Gruppenföteli, diverse Bagger, Labyrinthe aus Labormaterialien, Kettensägen, VR-Brillen, Dachziegel, Tablets oder auch die unverwüstlichen Lego- Klötzli. Man kann Flughafencontainer gegen die Stoppuhr mit Kisten füllen, sich eine hübsche Metallvase schweissen, mit dem Gabelstapler einen Geschicklichkeitsparcours machen oder einen Strommast hochklettern. Die Erlebniswelt der Ausbildung wird zum Showparcours. Und das ist von den Ausstellern durchaus so gewollt, wie Rolf Roggwiler von aprentas sagt: «Ja, es ist eine Show», meint der Ausbilder Chemie- und Pharmatechnologie mit viel Begeisterung, «aber so können wir mit den jungen Leuten ins Gespräch kommen.» «WIR MACHEN HIER MIT DEN JUNGEN SOGAR BRATWURST.» Beim Metzgermeister-Verband beider Basel hilft Marcel Jeker den jungen Leuten, ihre Schinkengipfeli zu rollen und das Apéro-Plättli nett zu gestalten. Jeker wollte eigentlich Forstwart werden. Aber dann entschied er sich, mal in den Metzgerberuf reinzusehen. Jetzt macht er bei Jenzer Fleisch + Feinkost in Arlesheim eine Lehre als Fleischfachmann «Veredelung», wie er betont. «Der Job ist enorm vielfältig und interessant», sagt Jeker und erzählt mit sichtlich viel Stolz von seinem Job, seinem Beruf und den Möglichkeiten, die ihm die Ausbildung bietet: «Ich kann sogar Lebensmitteltechnologe werden.» Der junge Mann ist im zweiten Ausbildungsjahr, sprüht vor Begeisterung und ist sichtlich stolz auf seinen Beruf und auf das, was er an «seinem» Stand zeigen darf. «Wir machen hier mit den Jungen sogar Bratwurst.» «Echt jetzt?» «Ja, eine richtige Bratwurst. Ist das nicht super?» Finden offenbar auch die jungen Leute, der Stand ist voll. «Schuld» ist die Berufsschau Das Gewusel unter den Zeltdächern ist gross, überall gibt es etwas zu sehen, zu hören zu machen und zu erfahren. Malen bei den Malern, Bagger-Geschicklichkeitstest bei den Gärtnermeistern oder eine Spritze setzen bei der Gesundheit beider Basel. Welche weiterführenden Schulen gibt es? Will ich ein Sprachjahr einbauen? Oder doch was Soziales? So sieht heutzutage die Berufswahl aus: Fünf Tage lang war in Liestal Show, mehr als 250 Berufe und Ausbildungswege wurden mit viel Aufwand und Attraktionen präsentiert. Bilder: Patrick Herr Etwas ruhiger ist es im Wald. Hier, am Stand des Forstpersonals beider Basel treffen wir Felix Ammann an. Dass der junge Birsfelder hier ist, daran ist die Berufsschau «schuld». Das Gymi, die Polizeischule, das war der Weg, den er gehen wollte. «Bis ich an die Berufsschau kam und hier WAS SAGEN DIE SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER? Wie kommt die Erlebniswelt bei den jungen Leuten an, die hier Inspiration und Information für ihren beruflichen und schulischen Werdegang suchen? Alina fasste den Besuch so zusammen: «Ich habe Berufe gesucht, die mit Tiermedizin zu tun haben, oder mit Tanz. Das habe ich aber nicht gefunden. Die Berufsrichtung Bewegung und Gesundheit hat mich angesprochen. Ich würde wieder hierherkommen, es hat mir sehr gut gefallen.» Mia, Greta, Nisanur und Lexa meinten: «Es war sehr toll. Man konnte viel sehen und sich austauschen. Die Auswahl an Berufen ist sehr gross und die Jobs sehr unterschiedlich. Einen speziellen Beruf haben wir nicht gesucht. Es ist aber gut, dass man sich einmal informieren kann. Tatsächlich würden alle Angesprochenen die Berufsschau wieder besuchen. Konkret gesucht haben die wenigsten, halt einfach auch, weil man noch ganz am Anfang des (Berufs-)Lebens steht. Aber viel gesehen haben alle. ph den Job des Forstwartes entdeckte.» Dann habe es «bäng» gemacht und heute ist er Forstwart bei der Bürgergemeinde Basel und vertritt nun seinen Job an ebendieser Berufsschau. Nebenan versucht sich ein Junge mit der Säge an einem Baumstück. Es wird laut. Amman lacht. Ja, es sei halt viel Show hier. Auch er bringt den jungen Besucherinnen und Besuchern die Vorzüge seines Berufs mit viel Freude und Stolz näher. «Es ist ein Job mit Zukunft.» Jetzt wolle er sich erstmal weiterbilden, studieren und Forstingenieur werden. Spiderman ist Dachdecker Bei Alex Jeker versucht eine Gruppe Jugendlicher, die Dachziegel in der richtigen Reihenfolge an den richtigen Ort zu setzen. Auf dem Plakat am Stand sieht der Dachdecker aus wie Spiderman. Und der Abdichter wie ein anderer Marvel-Superhero. «So muss das heute sein», sagt Jeker, der in Büsserach einen Betrieb für Bedachungen, Fassadenbau und Holzbau betreibt. Er vertritt hier seine Branche. Eine Branche, die, wie er sagt, Nachwuchsprobleme hat. Denn es wird zu jeder Jahreszeit draussen gearbeitet, es ist eine körperliche Arbeit, bei der man auch dreckig wird und vor allem muss man schwindelfrei sein. Dann ist er auch schon wieder weg. «Ha scho wieder eine», sagt er und wendet sich der Lehrperson zu, die Informationen sucht. Jeker sagt dann auch, dass viele Junge nicht recht wissen, was sie hier machen sollen. Sein Stand werde mehr von Lehrpersonen frequentiert. Sagt das und ist – «ha scho wieder eine» – auch schon wieder weg zur Informationsvermittlung. Wir machen einen Halt bei der Gastronomie und Hotellerie. Stephan Brügger beginnt seine Ausführungen mit einer guten Nachricht. Überdurchschnittlich viele Lernende seien im Kanton Basel-Landschaft in das neue Lehrjahr gestartet, sagt der Leiter Gastronomie / Instruktor von Gastro Baselland. «Die Branche ist im Wandel, auch weil sie sich an die Bedürfnisse der jungen Generation anpassen will.» Eine exzellente Ausbildung, tolle Jobs, attraktivere Arbeitszeiten und gute Bezahlung seien die Pluspunkte. Hinzu komme, dass viele Bereiche der Hotellerie und Gastronomie im Leben der jungen Generation eine grosse Rolle spielen. Reisen, Essen, Hotels, Restaurants, Rezepte – all das ist auf den sozialen Medien omnipräsent. Entsprechend gross auch der Andrang der Interessierten. Stephan Brügger ist sehr zuversichtlich für seine Branche und die vielen Jugendlichen, die eine Ausbildung suchen: «Ich mache mir keine Sorgen um die Zukunft.» Patrick Herr
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