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Standpunkt 520, 23. April 2021

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6 | Standpunkt der Wirtschaft INTERVIEW 23. April 2021 CHRISTOPH FRANZ – Der Verwaltungsratspräsident der Roche Holding AG spricht im Interview über die Rolle seines Unternehmens und der Schweiz in der Corona-Pandemie, die Wichtigkeit von Daten und die Zukunft der Medizin. «Daten können tausendfach Leben retten» Standpunkt: Herr Franz, aus Sicht eines global tätigen Pharmaunternehmens: Wie beurteilen Sie ganz allgemein das Management der Coronakrise in der Schweiz? Christoph Franz: Die Pandemie ist ein enormer Stresstest für Politik, Wirtschaft und jeden einzelnen Menschen. Eine Extremsituation, bei der nirgends immer alles rund läuft und man aufgrund immer neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse oft erst im Nachhinein schlauer ist. Besonders beeindruckt hat mich hier die rasche, unbürokratische Finanzhilfe für die vielen vom Lockdown betroffenen Unternehmen. Handkehrum hat sich gezeigt, dass sich in der föderalen Schweiz die Entscheidungsfindung selbst bei klarem Sachverhalt oft etwas hinzieht. So war «Testen, testen, testen» schon im ersten Shutdown von der Wissenschaft empfohlen, weil sich damit infizierte Menschen rasch identifizieren und die Ansteckungsketten unterbrechen lassen. Diagnostische Tests liefern auch unabdingbare Informationen über die Virusverbreitung und die Immunisierung, um die richtigen politischen Massnahmen zur Bewältigung dieser Pandemie treffen zu können. Doch es dauerte lange, bis das Testen nun auch in der Schweiz systematisch genutzt wird. Dennoch ist die Schweiz im Grossen und Ganzen mit ihrem pragmatischen, eher liberalen Kurs, der auf Eigenverantwortung setzt, bisher relativ gut durch die Pandemie gekommen. Ich wünsche mir, dass das so bleibt. Was hätten Sie persönlich anders gelöst – oder anders gefragt: welche Lehren kann die Schweiz aus der Bewältigung dieser Pandemie für die Zukunft ziehen? Die Pandemie hat den Wert der Digitalisierung überdeutlich gemacht. Hier hätten wir mehr tun können. Stellen Sie sich etwa vor, all die Covid-Behandlungen in den vergangenen Monaten – und die damit gewonnenen Daten – würden systematisch elektronisch erfasst, und wir könnten diese Daten in hoher Dichte und Tiefe auswerten, um besser zu erkennen, wie Patienten auf die verschiedenen Therapien ansprechen; dann wären wir in der Entwicklung von Covid-19-Medikamenten wesentlich weiter. Solche – selbstverständlich anonymisierten – Daten wären nicht nur bei Covid-19, sondern auch bei vielen anderen Krankheiten immens wertvoll. Und hier – man muss es einfach deutlich sagen – verliert die Schweiz zunehmend den Anschluss. Wir müssen hier umdenken, denn der bessere Zugang zu Daten aus der klinischen Praxis könnte tausendfach Leben retten. Christoph Franz, VR-Präsident von Roche: «Die Schweiz verliert zunehmend den Anschluss. Wir müssen hier umdenken, denn der bessere Zugang zu Daten aus der klinischen Praxis könnte tausendfach Leben retten.» Bild: zVg/Roche tet, einen Diagnostik-Test zum Nachweis des neuartigen Virus zu entwickeln. Innerhalb von nur acht Wochen haben wir bereits Mitte März letzten Jahres den ersten kommerziellen PCR-Test in der Schweiz bereitgestellt, darauf folgten Antikörper-Tests im Mai, ein Antikörper-Schnelltest im August und einer der ersten in der Schweiz zugelassenen Antigen-Schnelltests für den professionellen Bereich im Herbst 2020. Insgesamt haben wir hier seit März letzten Jahres über zehn diagnostische Tests zur Identifikation einer akuten oder vergangenen Infektion mit SARS-CoV-2 bereitgestellt. Wir waren also von Anfang an Teil der Pandemiebekämpfung in der Schweiz. Mit der Sonderzulassung der Schnelltests für den Laiengebrauch können wir nun mit den Selbsttests einen weiteren Beitrag leisten. «DIE SCHWEIZ IST IM GROSSEN UND GANZEN MIT IHREM PRAGMA- TISCHEN, EHER LIBERALEN KURS, DER AUF EIGENVERANTWOR- TUNG SETZT, BISHER RELATIV GUT DURCH DIE PANDEMIE GEKOMMEN. ICH WÜNSCHE MIR, DASS DAS SO BLEIBT.» Es tauchten in den vergangenen Tagen häufig Fragen über die Verlässlichkeit dieser Schnelltests auf. Was können Sie uns beruhigend dazu sagen? Diverse Studien zeigen, dass Antigen-Schnelltests sehr rasch und zuverlässig hochansteckende Personen identifizieren. Sie sind wie ein Netz, das vor allem Superspreader herausfischt: das sind genau die Personen, die bei der Weiterverbreitung des Virus eine besonders star- Die Roche begab sich – mindestens in der öffentlichen Wahrnehmung – relativ spät auf das nationale Parkett in der Pandemiebekämpfung und liefert seit der Woche nach Ostern die Schnelltests an die Schweizer Apotheken, die weltweit schon sehr gefragt waren. Wie sehen Sie die Rolle der Roche in diesem Zusammenhang? Wir waren im Gegenteil seit Ausbruch der Pandemie an vorderster Front dabei. Unsere Mitarbeitenden in der Forschung und Produktion haben seit dem Bekanntwerden der Gensequenz des Virus im Januar 2020 Tag und Nacht daran gearbeike Rolle spielen. Ausserdem ist mit den Selbsttests die Schwelle, sich zu Hause zu testen, sehr niedrig. Dadurch können Menschen getestet werden, die ansonsten wegen des Aufwands wahrscheinlich keinen Test machen würden. Selbst wenn der Test von 100 infizierten Personen ohne Symptome nur 70 nachweist, wie uns eine Studie aus Chile zeigt, sind das 70 hochansteckende Personen, die man sonst wahrscheinlich nie gefunden hätte. Diese 70 Personen hätten wahrscheinlich viele weitere Personen angesteckt. Mit dem Selbsttest kann man sie schnell isolieren und auf diese Weise viele Infektionsketten durchbrechen. Das Testen ist neben dem Impfen aktuell eine der Hauptpfeiler in der Pandemiebekämpfung. Glauben Sie hier an einen baldigen Durchbruch und an eine Rückkehr zur Normalität auch auf internationaler Ebene? Die Pandemie wird aufgrund der unglaublichen weltweiten Anstrengungen und Innovationen hoffentlich bald vorübergehen. Die enormen Fortschritte beim Testen und Impfen weisen den Weg zu einer schrittweisen Rückkehr in die Normalität. Doch bis ein Grossteil der Weltbevölkerung geimpft ist und eine Herdenimmunität erreicht sein wird, braucht es Zeit – das sind gleich mehrere Marathons. Solange gilt es, regelmässig zu testen sowie die Abstands- und Hygieneregeln einzuhalten, damit wir die noch nicht geimpften Menschen schützen und dem Virus weniger Chancen für weitere Mutationen geben. Das Virus lässt sich wohl nie ganz ausrotten. Vielleicht wird wie bei der saisonalen Grippe eine jährliche Impfung angezeigt sein, je nachdem wie lange die Antikörper im Organismus verbleiben. Doch eines ist sicher – diese Pandemie wird in absehbarer Zeit vorbei sein. Das hängt natürlich ganz entscheidend von der Geschwindigkeit der Impfungen ab. Immer wieder wurde während der Pandemie beklagt, dass die Schweiz als bedeutender Pharma- Standort im Impfbereich keine eigenen Produktionskapazitäten zur Verfügung hat. Warum ist das so und wird sich daran aus den Erfahrungen, die man jetzt gemacht hat, perspektivisch etwas ändern? Im Wallis produziert Lonza heute bekanntlich grosse Mengen an Impfstoffen für ein amerikanisches Biotechunternehmen, das auch an die Schweiz liefert, und vertraut dabei auf internationale Lieferketten. Reibungslose internationale Lieferketten sind entscheidend für den bisherigen Erfolg der Pandemiebekämpfung. Diese schaffen internationale Abhängigkeiten und schützen auf diese Weise die Versorgung. Die Abhängigkeiten halten Regierungen davon ab, Produkte exklusiv für sich zu reservieren. Wir sehen das auch bei Roche mit unseren Corona-Molekulartests: Die Einsatzstoffe kommen aus Deutschland, die Instrumente aus der Schweiz und gewisse Reagenzien aus den USA – wenn eines dieser Länder sagen würde, dass es diese Güter nicht mehr exportieren will, sagen die anderen sofort: «Dann bekommt ihr unsere Zutaten nicht.» Dann stünde alles still. Und genau das will niemand, was die Versorgung sichert. Auch wegen der tiefen internationalen Preise für Impfstoffe oder Generika ist es eine Illusion, zwecks Versorgungssicherheit vermehrt «einheimische Produktion von Gesundheitsgütern» zu fordern, wie das derzeit vermehrt diskutiert wird. Impfstoffe gegen das Covid-19- Virus waren relativ rasch auch in einer gewissen Breite verfügbar. Ein Medikament zur direkten Bekämpfung der Krankheit gibt es allerdings noch nicht … Zunächst denke ich, sollten wir dankbar sein, dass die Impfstoffe in einer unvorstellbar kurzen Zeit zur Verfügung gestanden haben. «EINES IST SICHER – DIESE PANDEMIE WIRD IN ABSEHBARER ZEIT VORBEI SEIN. DAS HÄNGT NATÜRLICH GANZ ENTSCHEIDEND VON DER GESCHWINDIG- KEIT DER IMPFUNGEN AB.» Das ist wirklich ein Sieg der Wissenschaft, den wir uns Anfang vergangenen Jahres noch nicht haben vorstellen können. Aber die Entwicklung von Medikamenten dauert normalerweise mehrere Jahre. Industrieweit im Fokus stehen deshalb insbesondere Arzneimittel, die schon gegen eine andere Krankheit zugelassen oder zumindest in Entwicklung sind. Sie umzufunktio- ZUR PERSON Dr. Christoph Franz, bald 61-jährig, ist seit 2014 Verwaltungsratspräsident der Roche Holding AG. Nach Studien in Lyon, Darmstadt und Berkeley (USA) trat er 1990 bei der deutschen Lufthansa AG ins Berufsleben ein. Bei der Deutschen Bahn war er Vorstandsmitglied und CEO der Division Personenverkehr. 2004 wurde er CEO der Swiss International Air Lines AG, 2009 Stellvertreter des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Lufthansa AG, deren Leitung er zwischen 2011 und 2014 übernahm. Franz wohnt mit seiner Frau und fünf Kindern in Zug. Jüngst ist sein Buch «Die digitale Pille» erschienen, in dem er sich mit der Digitalisierung in der Medizin befasst. www.roche.com Fortsetzung Seite 7

23. April 2021 INTERVIEW Standpunkt der Wirtschaft | 7 KMU ARBEITSSICHERHEIT – Dominique Graber, CEO von Unico Graber und Präsident von Swiss Safety, spricht über seine Erfahrungen mit KMU Arbeitssicherheit, der Kollektivlösung von Wirtschaftskammer Baselland und Gewerbeverband Basel-Stadt. «Das Risiko von Ausfällen sinkt» Die KMU-Kollektivlösung Arbeitssicherheit (KLAS) der Wirtschaftskammer Baselland und des Gewerbe verbands Basel-Stadt heisst neu kurz und einfach KMU Arbeitssicherheit. Mit der internetbasierten Lösung «safely» können Betriebe die Anforderungen zur Arbeitssicherheit und zum Gesundheitsschutz umsetzen. KMU Arbeitssicherheit bietet auch Weiterbildungskurse an (siehe Fussnote). Dominique Graber, CEO von Unico Graber und Präsident von Swiss Safety, dem schweizerischen Branchenverband der führenden Hersteller und Importeure von Persönlichen Schutzausrüstungen (PSA), spricht über seine Erfahrungen mit KMU Arbeitssicherheit. Standpunkt: Herr Graber, was schätzen Sie als Hersteller und Anbieter von Persönlichen Schutzausrüstungen (PSA) an der Betriebsgruppenlösung KMU Arbeitssicherheit? Dominique Graber: Die Arbeitssicherheit wird im Bereich KMU nach wie vor oft als notwendiges Übel angesehen. Meist ist der Sicherheitsbeauftragte entweder der Patron selber oder ein Mitarbeiter, welcher beispielsweise primär für den Maschinenpark zuständig ist. Aus Zeitmangel rutscht die Arbeitssicherheit und somit auch die richtige PSA in die Unwichtigkeit ab. Das darf nicht sein. Die ökonomischen Effekte auf eine Firma, welche ihre Mitarbeiter nicht oder nicht ausreichend schützt, sind oft verheerend. Vom möglichen menschlichen Leid einmal ganz abgesehen. Um die Arbeitssicherheit aus diesem «Schatten dasein» zu befreien, braucht es unkomplizierte Lösungen, die verständlich formuliert und umsetzbar sind, auch für ein KMU. Bei Fragen müssen Ansprechpartner, die etwas von der Materie verstehen, zur Verfügung stehen. Nur so kann Arbeitssicherheit reibungslos funktionieren. Und im Interesse aller, also Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sollte sie reibungslos funktionieren. Arbeitsausfälle können so verhindert und unnötige Kosten reduziert werden. Was bringt Ihnen die Lösung im täglichen Arbeitsleben? Ich sehe die Lösung als sehr umfassendes Nachschlagewerk. PSA ist unser tägliches Brot, daher leben wir als Augenschutzspezialisten den Arbeitsschutz jeden Tag. Trotzdem gibt es Themen, welche wir nicht «aus dem FF» wiedergeben können – genau dann kommt die Branchenlösung zum Einsatz. Auch für Sicherheitsbeauftragte, die das Thema PSA an die nächsthöhere Instanz «verkaufen» müssen, bietet es einen Haufen Argumente, welche die Ausgaben für die Arbeitssicherheit und PSA rechtfertigen. Welchen wirtschaftlichen Nutzen bringt dies für Ihr Unternehmen? Es ist im Interesse eines jeden Unternehmers, seine Kosten im Griff zu haben. Dazu gehört auch die Minimierung der Ausfalltage. Da spielt das Thema Arbeitsschutz eine grosse Rolle. Wenn ich als Arbeitgeber meinen Mitarbeitenden hochwertige Schutzausrüstung zur Verfügung stelle, und meine Mitarbeitenden auf das Thema Risiken am Arbeitsplatz sensibilisiert sind, sinkt das Risiko von Verletzungen und Ausfällen. Hochwertig heisst hier nicht teuer, sondern hochwertig im Sinne, dass die Ausrüstung auch ein hohes Mass an Tragkomfort bietet. Wenn meine Mitarbeiter gut geschützt sind, können sie sich auf die Arbeit konzentrieren, somit sind sie produktiv. Der wirtschaftliche Nutzen ist offensichtlich. Der wirtschaftliche Nutzen von «safely» sei offensichtlich, sagt Dominique Graber. Bild: zVg Welche Rolle spielt dabei die Weblösung «safely»? Wir sind tagtäglich einer Flut von Informationen und Daten ausgeliefert. Alles was nicht Kerngeschäft ist, muss relativ einfach von der Rolle gehen. «savely» ermöglicht genau das im Bereich des Arbeitsschutzes. Es ist einfach in der Handhabung und klar verständlich bei den Outputs. Haben Sie schon an den von KMU Arbeitssicherheit organisierten SiBe-Kursen, ERFA-Tagungen oder Safely-Webinaren teilgenommen? Was hat es Ihnen gebracht? Ich habe einen SiBe-Kurs von und mit Georges Lobsiger besucht. Im Alltag der Teilnehmenden hat der Arbeitsschutz eine eher nebensächliche Rolle gespielt. Georges Lobsiger hat auf eine humorvolle Weise aufgezeigt, wieso Arbeitsschutz so wichtig ist. Letztlich kann eine Vernachlässigung des Themas auch zivilrechtliche Folgen haben, was vielen SiBes nicht klar ist. Der Kurs war für mich eine gute Repetition. Er zeigte auf, wo wir und unsere Kundschaft rasch Antworten zu unseren Fragen finden. Interview: Reto Anklin ZUR PERSON UND ZUR FIRMA Dominique Graber ist CEO von Unico Graber und Präsident von Swiss Safety, dem schweizerischen Branchenverband der führenden Hersteller und Importeure von Persönlichen Schutzausrüstungen (PSA). Unico Graber wurde während des Zweiten Weltkriegs von Paul Graber Senn als Handelsfirma für Augenschutz in Basel gegründet. Das Unternehmen begann, die überwiegend aus den USA importierten Brillen zu optimieren. Im Zuge der wachsenden Nachfrage konnte Beat Alfred Graber 1980 einen eigenen Produktionsbetrieb in Hölstein eröffnen. Dominique Graber führt das Unternehmen seit 2009 in dritter Generation. 2015 wird mit dem neuen Standort in Münchenstein und der Gründung einer Tochtergesellschaft in Lörrach (D) ein weiterer Meilenstein gelegt. www.unicograber.com WEITERBILDUNGSKURSE Für bereits aktive Sicherheitsbeauftragte (SiBe) führt KMU Arbeitssicherheit am 21. Oktober 2021 eine Erfahrungsaustausch-Tagung (ERFA- Tagung) durch. Am 24. November 2021 findet ein Grundkurs für angehende SiBe statt. Anmeldung auf der Website von KMU Arbeitssicherheit. www.kmu-arbeitssicherheit.ch Fortsetzung von Seite 6 nieren kann schneller gelingen als eine vollständige Neuentwicklung. Roche prüft deshalb das Potenzial von Medikamenten aus dem bestehenden Portfolio, und wir sind vielversprechende neue Partnerschaften eingegangen: Die von Roche und Regeneron gemeinsam entwickelte Kombinationstherapie mit zwei Antikörpern hat in den USA eine Notfallzulassung erhalten und gerade jüngst sehr gute Daten auch bei der Prophylaxe von Covid-19 vorgezeigt. Wir haben diese Therapie zur Behandlung von Hochrisiko-Patienten, bei denen eine leichte bis mittelschwere Covid-19-Erkrankung im Frühstadium diagnostiziert wurde, auch in der Schweiz zur Zulassung eingereicht und hoffen, dass sie hier bald verfügbar sein wird. Zudem forschen wir intensiv an weiteren Ansätzen, wie beispielsweise einem Molekül, das womöglich in Pillenform verabreicht und in grossen Mengen hergestellt werden kann. «ES WERDEN AM STANDORT BASEL BIS 2024 RUND 1800 HOCH- MODERNE ARBEITS- PLÄTZE FÜR FORSCHE- RINNEN UND FORSCHER ENTSTEHEN. DIES IST EIN KLARES BEKENNTNIS ZUM FOR- SCHUNGSSTANDORT SCHWEIZ UND DEM LIFE-SCIENCE-CLUSTER BASEL.» Wie beeinflusst eine solche Pandemie die Handlungsfelder eines Pharmakonzerns wie Roche in ihrer Strategie und Ausrichtung? Die Pandemie führt derzeit weniger zu einer Veränderung der Ausrichtung von Gesundheitsunternehmen und dient vielmehr der Bestätigung, wie zentral eine forschende Gesundheitsindustrie ist. In Rekordzeit sind durch Forschung und Entwicklung Tests, Impfstoffe und erste Medikamente entwickelt worden. Roche ist seit der Gründung vor 125 Jahren auf Wissenschaft und Innovation ausgerichtet. Unser Fokus ist und bleibt die Prävention, Diagnose und Behandlung – dies nicht nur, wenn es um schwere, nicht-übertragbare Krankheiten wie Krebs geht, Roche ist auch eines der wenigen Unternehmen, das noch auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten forscht. Was sich hingegen durch die Dringlichkeit der Pandemie stark beschleunigt hat, ist die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren im Gesundheitswesen. Die Kooperation zwischen Firmen oder auch mit Universitäten ist nicht neu, Roche gilt hier als Pionier und sehr geschätzter Partner. Neu ist hingegen das Ausmass weltweit: in der Entwicklung, im Datenaustausch, in der Produktion. Noch nie ist so schnell und so transparent Wissen geteilt worden – dies auch im Austausch mit den Zulassungsbehörden. Was früher Monate oder Jahre benötigte, geschieht jetzt innerhalb von Wochen oder gar Tagen. Diese Schnelligkeit, dieses Vertrauen wünschen wir uns auch für die «Nach-Corona-Zeit», damit auch dann Millionen Menschen ein besseres Leben oder sogar Heilung von schweren Krankheiten erwarten können. Sie haben eine langjährige Vergangenheit in der Luftfahrtbranche, die durch die Pandemie enorm betroffen ist. Wie blicken Sie ganz persönlich auf Ihre Nachfolger, die sich mit diesen Einflüssen aktuell zu beschäftigen haben? Ich habe in der Tat einen grossen Teil meines Berufslebens in der Luftfahrt bei Swiss und bei Lufthansa verbracht und bin nach wie vor ein begeisterter Airliner. Deswegen bedrückt mich die derzeit äusserst schwierige Situation der Luftfahrt auch ganz persönlich. Umso mehr bin ich froh, jetzt bei einem forschenden Gesundheitsunternehmen vor allem mit Antigen-Schnelltests und PCR-Tests – sozusagen als Teil der Lösung – zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie, auch für eine bessere Zukunft der Luftfahrtindustrie, beitragen zu können. Ein Zukunftsthema der Medizin ist die individualisierte Medikation und Behandlung. Also nicht mehr ein «allheilendes» Schmerzmittel, sondern ein Wirkstoff spezifisch auf den Organismus eines einzelnen Menschen ausgerichtet. Wie sehen Sie hier die Entwicklung? Roche ist ein Vorreiter dieser sogenannten personalisierten Medizin, in der wir die Zukunft sehen. Durch die Fortschritte in der Molekularbiologie und in der Digitalisierung können wir Behandlungen immer genauer auf Patientenbedürfnisse zuschneiden und damit auch die Aussichten auf Behandlungserfolg erhöhen. Beispiel Krebs: Krebs ist nicht gleich Krebs, sondern es gibt hunderte Varianten. Je nach Variante braucht es unterschiedliche Medikamente, manchmal sind es sehr seltene Krebssorten. Dazu brauchen wir Genomdatenbanken, in denen wir Krebs und Behandlungsmöglichkeit abgleichen. Das kann für Patienten zur Frage zwischen veralteter Chemotherapie oder Spitzenmedizin werden. Die Verbindung von Pharma mit Diagnostik und Gesundheitsdaten wird die Entwicklung der personalisierten Medizin – auch dank fortschrittlicher Analytik – enorm voranbringen. Roche setzt in Basel auch architektonische Massstäbe, gerade wird der Bau 2 – mit 205 Metern neu das höchste Gebäude der Schweiz – fertiggestellt, ein dritter soll mit weiteren baulichen Innovationen folgen. Wie sehr sind diese baulichen Marksteine Signale für die Standortentwicklung von Roche? Wir investieren aktuell in die Arealentwicklung rund 3 Milliarden Franken und haben mit Bau 3 vorerst eine Vision für die weitere Entwicklung des Südareals vorgelegt, über deren tatsächliche Realisierung aber erst in ein paar Jahren entschieden wird. Herzstück der Baumassnahmen am Standort Basel ist derzeit unsere grösste Einzelinvestition von 1,2 Milliarden Franken in ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum. Es werden am Standort Basel bis 2024 rund 1800 hochmoderne Arbeitsplätze für Forscherinnen und Forscher entstehen. Dies ist ein klares Bekenntnis zum Forschungsstandort Schweiz und dem Life-Science- Cluster Basel. Interview: Daniel Schaub

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