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Standpunkt 504, 19. Juni 2020

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Eine Publikation der Wirtschaftskammer Baselland

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4 | Standpunkt der Wirtschaft CORONAVIRUS 19. Juni 2020 UMFRAGE – Eine Umfrage der Wirtschaftskammer Baselland und des Kantons Basel-Landschaft bei rund 1000 Lehrbetrieben hat gezeigt, dass die sich die Coronakrise unweigerlich schon auf die KMU ausgewirkt hat. Hier die detaillierten Resultate. Lehrbetriebe und die Coronakrise LEHRSTELLEN «Fit in die Lehre» hilft Jugendlichen In der vergangenen Ausgabe hat der Standpunkt der Wirtschaft die Ergebnisse einer Umfrage zur Lehrstellensituation im Kanton Basel-Landschaft publiziert. An dieser haben im vergangenen Mai mehr als 1000 Lehrbetriebe teilgenommen. Das Fazit der Umfrage lautet: Die Baselbieter Lehrbetriebe können aufgrund der Coronakrise mittel- bis langfristig weniger Lernende ausbilden als bisher. Das Interesse an den Umfrageresultaten ist hoch, und der Handlungsbedarf in der Sache ist gross. Aus diesem Grund publizieren der Standpunkt nun die detaillierten Resultate der Umfrage. Urs Berger, stv. Direktor der Wirtschaftskammer Baselland und Leiter Berufs- und Weiterbildung, sagt: «Die Aussagen dieser Umfrage sind eine wichtige Standortbestimmung. Anhand dieser können wir im Bereich der Lernenden zielgerichtet agieren und die Ausrichtung für das kommende Jahr festlegen.» Nächste Umfrage im Oktober Das Feedback der Wirtschaft soll in regelmässigen Abständen mit einer ähnlichen Umfrage abgeholt werden. Das nächste Mal wird das im Oktober der Fall sein und dann wieder im neuen Jahr. Berger: «Wir wollen auf Veränderungen reagieren und allenfalls Aktivitäten anpassen können.» Die Aussagen der vorliegenden Umfrage legen nahe, dass man gut daran tut, nahe am Thema und den ausbildenden Betrieben zu bleiben. 91 Prozent der befragten Betriebe geben an, dass die aktuelle Notlage Auswirkungen auf die Anzahl Lehrstellen hat, die im 2020/2021 angeboten werden (Frage 3). Und 17 Prozent der Befragten wollen nicht mehr im gewohnten Umfang Lernende ausbilden (Frage 5). Patrick Herr Zum Angebot von «Fit in die Lehre – trotz Corona!» gehören auch Probegespräche zur Vorbereitung auf einen Vorstellungstermin. Bild: Archiv Die Wirtschaftskammer Baselland startet gemeinsam mit der Hauptabteilung Berufsbildung des Kantons Basel-Landschaft das Projekt «Fit in die Lehre – trotz Corona!» und unterstützt damit Jugendliche, die noch keine Lehrstelle gefunden haben. Das ist aufgrund der aktuellen Situation mit der Coronakrise sehr wichtig, zumal während der Sommerferien die Berufswegbegleitung an den Schulen wegfällt. Deshalb sollen sich die Jugendlichen an die Wirtschaftskammer wenden können. Für Jugendliche ohne Anstellung Urs Berger, stv. Direktor der Wirtschaftskammer und Leiter Berufs- und Weiterbildung, sagt: «Es gibt viele Jugendliche, die gerne eine Lehre absolvieren möchten, aber aus verschiedenen Gründen noch keine Anstellung gefunden haben. Für sie ist das Projekt gedacht. Gerade in dieser schwierigen Zeit brauchen die Jugendlichen zusätzliche Unterstützung.» Diese will man mit dem Projekt «Fit in die Lehre – trotz Corona!» geben. Die Jugendlichen können dabei von folgenden Angeboten profitieren: – Berufswahleignung: Überprüfung der Eignung des oder der Jugendlichen bezüglich Anforderungen des Berufswunsches und allfällige Ausweitung der Suche auf Lehrstellen, die gemäss Ausschreibung auf der Website Lenabb.ch noch offen sind. – Bewerbungsdossier: Überprüfung der Unterlagen durch einen erfahrenen Rekrutierungsspezialisten und allfällige Überarbeitung gemeinsam mit der oder dem Jugendlichen. – Vorstellungsgespräch/Schnupperlehre: Vorbereitung der oder des Jugendlichen auf ein Vorstellungsgespräch durch Recherche des Betriebs und Durchführung von Probegesprächen. Je nach aktueller Situation kann ein Grossteil der Angebote sowohl elektronisch via Skype oder Zoom, aber auch via E-Mail, Telefon oder auch persönlich im Haus der Wirtschaft durchgeführt werden. Lehrbeginn bis Ende Oktober Lehrstellen für das kommende Lehrjahr dürfen aktuell bis Ende Oktober besetzt werden, solange wird auch die Aktion «Fit in die Lehre – trotz Corona!» dauern. Das Angebot wird ab Beginn der Sommerferien am kommenden 29. Juni allen Jugendlichen im Kanton Basel-Landschaft, die noch keine Lehrstelle für den Sommer 2020/2021 haben, kostenlos zur Verfügung stehen. Bei Interesse finden sich auf der untenstehenden Website weitere Informationen. Patrick Herr www.fitindielehre-so2020.org

19. Juni 2020 CORONAVIRUS Standpunkt der Wirtschaft | 5 EVENTVERANSTALTER – Thomas Dürr, CEO der «act entertainment ag», hofft, dass sein Unternehmen im August wieder Veranstaltungen mit bis zu 1000 Personen im Publikum durchführen kann. Er plädiert für die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger. «Das Volk braucht Brot und Spiele» Die Eventbranche war als eine der ersten von den Corona-Einschränkungen betroffen (siehe Box). Und sie muss von allen Betroffenen auch am längsten warten, bis sie den Betrieb wieder aufnehmen darf. Anlässe von mehr als 1000 Personen sind noch bis am 31. August verboten. Wie es danach weitergeht, ist unsicher. Die Verluste sind riesig. Die Swiss Music Promoters Association (SMPA) zählt auf, dass alleine ihre Mitglieder mit rund 1900 Veranstaltungen einen direkten Umsatz von jährlich 382 Millionen Franken generieren. Die «act entertainment ag» von Thomas Dürr ist einer der wichtigsten Veranstalter und in der Region bestens bekannt. Wir haben uns mit ihm über die aktuelle Situation, Bundes hilfe und Grossanlässe der Zukunft unterhalten. Standpunkt: Herr Dürr, wie geht es Ihnen, wie geht es Ihrem Team und womit beschäftigen Sie sich zurzeit? Es geht mir und meinem Team sehr gut, wir sind zum Glück gesund durch die bisherige Coronakrise gekommen. Aktuell beschäftigen wir uns hauptsächlich mit dem Verlegen von Events und dem Rückerstatten von abgesagten Veranstaltungen. Alles in allem nicht so eine tolle Beschäftigung. «ES WIRD WICHTIG SEIN, DASS WIR LERNEN, MIT DER GEFAHR DES VIRUS ZU LEBEN.» Sie dürfen Ihre Tätigkeit seit Anfang März nicht mehr ausüben, und am 27. Mai hat der Bundesrat entschieden, dass Veranstaltungen mit mehr als 1000 Personen bis Ende August verboten bleiben. Was bedeutet dies für Ihr Unternehmen und die Menschen, die in der Branche arbeiten? Die vom Bundesrat eingeleiteten Massnahmen haben uns vollumfänglich getroffen und gelähmt. Viele Tausende Mitarbeiter von uns und unseren Zulieferern hatten von heute auf morgen keinen Job mehr. Die Situation wird je länger je mehr unerträglich. Wenn man aber sieht, dass Demonstrationen schon wieder Tausende von Menschen anziehen, Bergbahnen und Restaurants wieder voll sind, ohne dass das die Krankheitsfälle nachhaltig steigert, sollten auch Konzerte möglich sein. Wie motiviert man sich in so einer Situation? Die Motivation ist geblieben. Ich arbeite seit 28 Jahren in einer der tollsten Branchen, die ich mir vorstellen kann. Natürlich ist die aktuelle Situation nicht das, was man sich vorstellt, aber mit einem tollen Team kommt man auch durch solch ein Tal. Was halten Sie von den Sicherheits- und Hygienebestimmungen, die derzeit für Anlässe bis 300 Personen in Kraft sind? Die aktuellen Sicherheits- und Hygienebestimmungen für bis zu 300 Personen sind sicher ein Test und besser als gar nichts. Für uns als Veranstalter, der hauptsächlich Events zwischen 1000 und 15 000 Personen organisiert, nützen diese Massnahmen nichts, und wir sind so auch weiterhin nicht in der Lage, unseren Thomas Dürr am Helene-Fischer-Konzert, das seine «act entertainment AG» 2018 im Basler St. Jakob-Park organisiert hat. Beruf auszuüben. Grundsätzlich wird es so sein, dass die grossen Hallen auch nicht finanziell in der Lage sein werden, ihre Kapazitäten nachhaltig zu reduzieren. So muss man sich überlegen, ob und in welchem Umfang überhaupt noch Unterhaltungsveranstaltungen möglich sein können. Events müssen lange im Voraus vorbereitet werden. Können Sie unter den gegebenen Umständen überhaupt weiter planen? Wir bereiten unsere Events in der Regel 12 bis 18 Monate vor der jeweiligen Veranstaltung vor. Aktuell ist es fast unmöglich, für weitere neue Veranstaltungen mit der Planung zu beginnen. Wir müssen warten, wie sich die Situation weiterentwickelt und beobachten mit Optimismus die aktuell sehr tiefen Zahlen. Die Massnahmen des Bundesrats müssen nun in ihrer Verhältnismässigkeit sicher bald anders beurteilt werden. Sie sind nicht nur Veranstalter. Als Bookingagentur vertreten Sie auch nationale und internationale Künstler wie «77 Bombay Street», Anastacia, oder «Die Prinzen». Sie haben persönlichen, seit Jahren engen Kontakt zu zahlreichen Künstlern. Welche Reaktionen haben Sie von diesen erhalten? Nicht nur für die Mitarbeiter der Eventbranche ist der aktuelle Zustand sehr schlecht, es fehlt eindeutig ein positives Signal. Auch für die vielen Künstler ist aktuell die Einnahmequelle versiegt. Viele Künstler versuchen sich nun mit neuen Ideen über Wasser zu halten. Längerfristig kann dieser Zustand nicht so gehalten werden. Künstler und Agenten haben jedoch gerade in dieser Zeit verständnisvoll reagiert und waren auch froh um unsere Bemühungen, die ja nun ein Vielfaches grösser waren als eigentlich vorgesehen. Sie haben Anfang März Hilfe vom Bund gefordert. Haben Sie diese Hilfe erhalten? Bisher haben wir den vom Bund zugesagten Überbrückungskredit erhalten, warten jedoch nun auf die viel wichtigere Kostenerstattung für unsere Branche, da wir als Veranstaltungsbranche die Erstbetroffenen und wahrscheinlich auch diejenigen sind, die am längsten durch die aktuellen Massnahmen eingeschränkt werden. Tourismus, Coiffeure, Detailhandel, von vielem und vielen war in den vergangenen Wochen die Rede. Aber nur wenig von der Eventbranche. Fehlt dieser die Lobby bei der Politik? Als Branche sind wir relativ umfassend und werden oft von der Politik unterschätzt. Wir bedauern das ausserordentlich, zumindest sind 5,5 Prozent der Beschäftigten (275 000 Beschäftigte 2013) in der Schweiz in der Kulturindustrie-Branche tätig. Für uns ist es wichtig, mit dem Tourismus gleichgestellt zu werden und ähnlich starke Unterstützungsmassnahmen zu erhalten, damit auch wir zukünftig unsere wertvollen und «GROSSANLÄSSE IM UNBESTUHLTEN SEGMENT WIE ROCK- KONZERTE, ROCK- FESTIVALS ODER STADIONKONZERTE SEHE ICH DIESES JAHR NICHT MEHR.» normalerweise für den Staat gratis angebotenen Leistungen aus dem Kultursegment erbringen können. Mit 70 Milliarden Franken Umsatz erreicht unsere Branche 22 Milliarden Franken Wertschöpfung. Was wünschen Sie von der Politik? Die Politik und die vielen Politiker kennen uns bestens und nutzen oft unsere Anlässe zum Politisieren und zum Cüpli trinken. Nun ist die Situation aber so, dass unsere Branche leidet und die vielen Tausend Mitarbeiter, die derzeit ohne Einkommen dastehen, brauchen dringend Unterstützung. Ansonsten wird diese sehr wichtige Branche wegfallen, und eine eigentlich politisch sehr wichtige Branche geht verloren, und über 200 000 Arbeitslose kommen dazu. Ich bin immer der Meinung, das Volk braucht Brot und Spiele, nun haben wir seit Langem ein Spielverbot und im Gegensatz zum Sport kann man keine Geisterkonzerte veranstalten. Das wäre wie Musik ohne Ton. Ab wann rechnen Sie wieder mit Grossanlässen und wie können die Schutzkonzepte für diese aussehen? Aktuell scheint es mir sehr wichtig zu sein, dass vom Bundesamt für Gesundheit auch positive Signale gesetzt werden, ähnlich wie sie zum Tourismusbereich angekündigt wurden. Es braucht klare Signale, ab wann wieder grössere Veranstaltungen möglich sind. Die aktuellen Zahlen für Corona-Infizierte geben wenig Anlass für weitere einschränkende Massnahmen, und so denke ich, dass wir schon im August/September Veranstaltungen bis 1000 oder 1500 Leuten problemlos organisieren können, mit entsprechenden Konzepten, insbesondere für den Einlass und auch für die Spieldauer. Beispielsweise Veranstaltungen ohne Pause und mit nummerierten Sitzplätzen, wo wir einen Grossteil der Kunden durch die Verkäufe von Ticketcorner lokalisieren können. Glauben Sie, die Leute sind bereit, um Grossanlässe zu besuchen? Grossanlässe im unbestuhlten Segment wie Rockkonzerte, Rockfestivals oder Stadionkonzerte sehe ich dieses Jahr nicht mehr. Ich denke, man muss die Entwicklung beobachten, aber eigentlich sollte dies im Jahr 2021 auch wieder möglich sein. Bestuhlte Veranstaltungen halte ich für möglich. Die Bergbahnen und die Restaurants zeigen, dass es geht. Sie haben eine «carte blanche» für den Re-Start als Event-Veranstal- CHRONOLOGIE Am 28. Februar 2020 hat der Bundes rat Veranstaltungen von 1000 oder mehr Personen verboten. Am 13. März hat der Bundesrat Veranstaltungen mit mehr als 100 Personen verboten. Am 16. März wurde vom Bundesrat die «ausserordentliche Lage» erklärt und der Lockdown verfügt. ZUR PERSON Bild: Tobias Sutter Thomas Dürr ist CEO der «act entertainment ag», die es seit 1991 gibt. Mit jährlich mehr als 300 Shows gehört die «act entertainment ag» zu den wichtigsten Veranstaltern auf dem Schweizer Unterhaltungsmarkt. Mit eigenen Produktionen hat sie sich auch als Produzent einen hervorragenden Ruf erworben. Die breite Palette reicht von Konzerten über Musicals und Comedy bis zu Tanzproduktionen. Der in Basel geborene und in Haltingen aufgewachsene Dürr hat 2018 den «Basler Stern» erhalten.ph www.actnews.ch ter. Wie sieht dieser Anlass aus, wo findet er statt, wer tritt auf? Ich persönlich hoffe für den Re-Start noch immer, dass wir Ende August unsere beiden Veranstaltungen mit Biyon Kattilathu, in einer Kapazität mit unter 1000 Besuchern, durchführen können und würde mich sehr freuen, wenn so ein kleiner Schritt in Richtung Normalität gemacht werden könnte. Es wird sicher nicht möglich sein, uns dauerhaft einzusperren und die wichtigen kulturellen Impulse der vielen Künstler zu beschneiden. Es wird wichtig sein, dass wir lernen, mit der Gefahr des Virus zu leben, und diese Eigenverantwortung sollten alle Bürger nun auch wieder übernehmen dürfen, gleichgesetzt mit Rauchen und Alkohol trinken, was beides ebenfalls sehr gefährlich ist. Interview: Patrick Herr Am 29. April hat der Bundesrat beschlossen: Das Verbot von Veranstaltungen von 1000 oder mehr Personen gilt vorerst bis am kommenden 31. August. Am 27. Mai hat der Bundesrat beschlossen: Veranstaltungen mit bis zu 300 Personen dürfen wieder stattfinden. Voraussetzung sind Schutzkonzepte. Am 24. Juni wird der Bundesrat über das weitere Vorgehen bei Veranstaltungen mit bis zu 1000 Personen und weitere Lockerungen beschliessen.

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