20. März 2020 CORONAVIRUS Standpunkt der Wirtschaft | 7 SOCIAL-MEDIA-POST DER WOCHE GENERALVERSAMMLUNGEN – Wegen der Bekämpfung des Coronavirus können Gewerbevereine ihre Generalversammlungen nicht abhalten. Die Wirtschaftskammer beantwortet die wichtigsten Fragen. GV abgesagt – was nun? KMU-NACHRICHTEN Wie alle anderen Gewerbevereine hat auch der Arlesheimer Gewerbe- und Industrieverein (AGIV) seine diesjährige Generalversammlung (GV) verschoben. Das Bild zeigt die GV vom vergangenen Jahr. Bild: Archiv/mwb Desinfektionsmittel aus Zwetschgenwasser Das Coronavirus legt die gesamte Wirtschaft lahm und sorgt seit Wochen für eine Knappheit an Desinfektionsmitteln. Aus diesem Grund hat Hansruedi Wirz, Obstbauer aus Reigoldswil und Vizepräsident der Wirtschaftskammer Baselland, damit begonnen, mittels hochprozentigen Zwetschgenwassers, Wasserstoffperoxid, Glycerin und Zitronenöl, Desinfektionsmittel herzustellen. Seit die Wirtschaftskammer auf ihrer Facebookseite (siehe oben) das Video der Produktion veröffentlicht hat, kann sich Hansruedi Wirz vor Aufträgen und Anfragen nicht mehr retten. Apotheken und Banken bestellen Diverse Apotheken und Banken haben bereits Grossbestellungen in Auftrag gegeben. Auch die Medien wurden auf das Video aufmerksam. So berichteten Telebasel und die Schweizer Illustrierte über das Video und die kreative Idee, aus hochprozentigem Zwetschgenwasser Desinfektionsmittel herzustellen und so der Bevölkerung einen wertvollen Dienst zu leisten. Auch die Wirtschaftskammer Baselland hat von der Eigenproduktion ihres Vizepräsidenten bestellt und wird diese kostenlos an seine Mitglieder abgeben. Informationen dazu finden Sie auf der Website und der Facebookseite der Wirtschaftskammer. Dominique Heller Nachdem der Baselbieter Regierungsrat am vergangenen 15. März die Notlage, und der Bundesrat einen Tag später den Notstand ausgerufen haben, sind alle Diskussionen überflüssig geworden: Generalversammlungen (GV) dürfen derzeit wegen den Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus nicht abgehalten werden. Trotzdem bleiben noch viele Fragen offen. Die Wirtschaftskammer Baselland hat diese in einem FAQ («Frequently asked questions») zusammengefasst und beantwortet. Darf eine Generalversammlung verschoben werden und sind deren Beschlüsse auch später noch gültig? Ja. Bei der in den Statuten vorgesehenen Frist – meist handelt es sich um eine sechsmonatige Frist - handelt es sich um eine Ordnungsfrist. Diese gibt vor, innert welcher Zeit eine Handlung – die Abhaltung der Generalversammlung – vorgenommen werden sollte. Die Generalversammlungen können somit später durchgeführt werden. Sind die Beschlüsse einer verschobenen Generalversammlung überhaupt gültig? Auch Beschlüsse, die an einer verspätet durchgeführten GV gefasst werden, sind gültig. Kann eine GV auch «virtuell» abgehalten werden, als Videokonferenz oder auf einer entsprechenden Online-Plattform? Wenn Ja, unter welchen Voraussetzungen ist dies möglich? Im Gesetz finden sich keinerlei Vorschriften über Online-Generalversammlungen. Massgebend sind deshalb die Statuten. Für das Aktienrecht wird in der Fachliteratur vertreten, dass Internet Generalversamm lungen zulässig sein dürften, wenn eine wechselseitige Liveübertragung gewährleistet ist. Wenn die Statuten die Stimmrechtsvertretung erlauben, so ist auch das sogenannte Internet Proxy Voting möglich. Dabei lassen sich die Mitglieder vertreten, können die GV aber live im Internet verfolgen und dem Vertreter live (z.B. per WhatsApp) Weisungen erteilen. Hält sich dieser aber nicht daran, so sind die Beschlüsse trotzdem gültig. Soweit ersichtlich, gibt es allerdings noch zu keiner dieser Varianten irgendwelche Rechtsprechung. Es würde hier also Neuland betreten. Ist es möglich, Lehren aus der Pandemie unmittelbar in die Statuten einfliessen zu lassen? Wäre ein Passus im nachfolgenden Sinne zulässig? «Sollte es aufgrund von höherer Gewalt nicht möglich sein, eine GV durchzuführen, die es allen Mitgliedern erlaubt, daran teilzunehmen, kann der Vorstand beschliessen, seinen Mitgliedern die Traktanden in Form einer Onlineumfrage zu unterbreiten.» Im Verein müssen sich die Statuten in erster Linie über Einberufung und Durchführung der Vereinsversammlung äussern. Erforderlich ist einzig, dass alle Mitglieder teilnehmen, das heisst unmittelbar auf die GV einwirken können. Sehen die Statuten etwa eine Online-Generalversammlung mit wechselseitiger Liveübertragung oder ein Internet Proxy Voting vor, so dürfte dies zulässig sein. Eine zeitverzögerte schriftliche Umfrage anstelle einer Vereinsversammlung dürfte allerdings eher nicht zulässig sein. Ist es zulässig, die GV 2020 erst im Jahr 2021 abzuhalten und dann anschliessend gleich die ordentliche GV 2021 durchzuführen? Grundsätzlich ja. Im Verein bestehen wiederum keine gesetzlichen Vorschriften, wann und wie oft eine Vereinsversammlung durchzuführen ist. Die meisten Statuten sehen aber vor, analog zur AG, dass die Generalversammlung einmal pro Jahr binnen sechs Monaten seit dem Abschluss des vergangenen Geschäftsjahrs durchzuführen ist. Zuständig für die Einberufung der GV ist der Vorstand. Widersetzt sich dieser den Statuten, indem er etwa die Jahresversammlung nicht einberuft, so kann im Extremfall jedes Vereinsmitglied den Richter anrufen. Wie dieser entscheiden würde, wenn die GV aufgrund äusserer Umstände gar nicht statutenkonform durchgeführt werden kann bzw. darf, erscheint aber unklar. Zur Vermeidung von Streitigkeiten wird empfohlen, per E-Mail eine konsultative Mitgliederbefragung betreffend einer Verschiebung der GV durchzuführen (etwa per Doodle o.Ä.). So kann sichergestellt werden, dass die Notmassnahmen des Vorstands von einer möglichst grossen Zahl der Mitglieder mitgetragen werden. Bei der Organisation von General versammlungen entstehen jeweils Kosten, sowohl auf der Vereins- als auch auf der Lieferantenseite.Welche Kosten können/müssen beglichen werden? Wird eine Generalversammlung von den Behörden verboten, so liegen Umstände vor, die der Schuldner nicht zu verantworten hat. In diesem Fall gelten die Verpflichtungen beider Seiten grundsätzlich als erloschen. Allenfalls bereits geleistete Anzahlungen sind zurückzuerstatten. Abweichende Vereinbarungen, etwa in Form einer Umtriebsgebühr in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) oder Ähnlichem, sind aber im Allgemeinen zulässig. Wenn sich der Verband ohne behördliche Anordnung entscheidet, die GV abzusagen, so muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Absage vom Verein zu vertreten ist. Ist keine Umtriebsgebühr oder Ähnliches vereinbart, muss der Lieferant aber die Existenz und die Höhe seines Schadens beweisen. Hat etwa ein Restaurant im Zeitpunkt der Absage noch nicht eingekauft, so können die Einkaufskosten nicht auf den Verband abgewälzt werden. Sind am vorgesehenen Datum der GV im betreffenden Gebiet alle Restaurants von den Behörden geschlossen worden, so kann der Umsatzausfall nicht dem Verband angelastet werden. Generell gilt: Je länger im Voraus die Absage erfolgt, desto geringer und unwahrscheinlicher dürften Schadenersatzforderungen oder Umtriebsentschädigungen anfallen. Bleiben das Vertragsverhältnis inklusive die AGB bestehen? Das Vertragsverhältnis wird von behördlichen Massnahmen zur Epidemienbekämpfung grundsätzlich nicht berührt. Allerdings können, wie bei der vorhergehenden Frage erklärt, wegen behördlicher Massnahmen die Verpflichtungen der Parteien unter Umständen als erloschen gelten. Besteht die Möglichkeit auf gegenseitige Kulanz? Diese Möglichkeit besteht immer, doch Kulanz kann per Definition rechtlich nicht erzwungen werden. Wir empfehlen daher, möglichst zeitnah das Gespräch mit dem Lieferanten zu suchen und gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten. Diese könnte zum Beispiel darin bestehen, dass man bereits jetzt vereinbart, dass der betreffende Lieferant für die verschobene Generalversammlung erneut beauftragt wird. Philipp Rupp FÜR WEITERE FRAGEN Für weiterführende rechtliche Fragen rund um die Organisation von Generalversammlungen steht den Mitgliedern der Wirtschaftskammer Baselland Rechtsanwalt Philipp Rupp zur Verfügung. Telefon: 061 225 92 22 E-Mail: rupp@rupp-law.ch Bei einer Kontaktaufnahme sollten folgende Unterlagen vorhanden sein: – Vereinsstatuten – Vereinbarungen und Verträge mit Lieferanten (inkl. Allgemeine Geschäftsbedingungen, AGB). Der FAQ «Generalversammlungen» wurde bereits an die Präsidenten der Gewerbe- und Industrievereine verschickt. Die Wirtschaftskammer hat ihn auch in ihrem Newsletter und auf der Website publiziert. Der vorliegende Standpunkt ist am vergangenen18. März gedruckt worden. Die Angaben auf der Website werden fortlaufend aktualisiert. ra www.kmu.org
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