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Standpunkt 499, 20.03.2020

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Eine Publikation der Wirtschaftskammer Baselland

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2 | Standpunkt der Wirtschaft CORONAVIRUS 20. März 2020 IMPORT – Die Haecky Gruppe macht mit ihren Produkten viel Umsatz in der Gastronomie. Entsprechend bekommt sie die Auswirkungen der Massnahmen gegen den Coronavirus zu spüren. «Wir stehen erst am Anfang» EXPORT «Der weitere Verlauf ist ungewiss» Richard Weber, Geschäftsführer REGO-FIX AG. Standpunkt: Sie haben Niederlassungen in den USA und China und sind mit Vertriebspartnern in 50 Ländern präsent. Wie präsentiert sich die Lage für Sie? Richard Weber: Die Massnahmen aufgrund des Coronavirus haben unsere Tochterfirma in China stark beeinträchtigt. Die Verkäufe sind deshalb zurückgegangen. Die Mitarbeitenden durften die Arbeit wieder aufnehmen. Von einer normalen Situation kann aber noch nicht gesprochen werden. Die Situation in den USA ist seit ein paar Tagen ungewiss. Die nächsten Wochen werden zeigen, welche Auswirkungen die getroffenen Massnahmen haben werden. Erste negative Auswirkungen zeigen sich bereits bei Warentransporten in die Staaten. In der Schweiz und in Europa verlief der Jahresstart auf Budget. Aufgrund der aktuellen Massnahmen in den einzelnen Ländern rechnen wir mit einem Auftragsrückgang. Markus Wehrli, CEO Haecky Gruppe, Reinach. Standpunkt: Die Ausbreitung des Coronavirus hat bei vielen Unternehmen den Businessalltag auf den Kopf gestellt. Was hat das bei Ihrer Firma ausgelöst? Markus Wehrli: Die Mitarbeitenden und die Geschäftsleitung sind beunruhigt. Das ist absolut verständlich bei der Dauerpräsenz des Themas in den Medien und der sich stetig verschärfenden Lage. Nebst der gesundheitlichen Bedrohung und der Sorge um unsere Mitarbeitenden ist Ungewissheit generell immer sehr negativ. Wir müssen viel Managementzeit dafür einsetzen, intern intensiv mit allen Mitarbeitenden zu kommunizieren, die vom Bundesamt für Gesundheit, BAG, empfohlenen Massnahmen umzusetzen und unsere operativen Notfallpläne auf die aktuelle Situation hin zu überprüfen und zum Teil anzupassen. Kurzfristig geht es darum, die Betriebstätigkeit an allen vier Haecky- Standorten bei einem möglichen raschen Ausfall von vielen Mitarbeitenden sicherzustellen. Da die Haecky Gruppe im Lebensmittelbereich tätig ist und über alle wichtigen damit verbundenen Zertifizierungen verfügt, sind wir grundsätzlich stets und gut auf solche Situationen vorbereitet. Wie beurteilen Sie die Situation, Stand heute, 16. März? Die Lage wird sich weiter verschärfen. Die Welle der Massnahmen zur Eindämmung des Virus ist nicht mehr aufzuhalten und wird laufend umfassender, auch politisch bedingt. Wir stehen erst am Anfang der Auswirkungen, die sich im 2020 auch wirtschaftlich sehr negativ zeigen werden. So bricht zum Beispiel der für die Haecky Gruppe wichtige HORECA-Umsatz – Hotel, Restaurant, Café – sehr stark ein, erste Anzeichen sind schon da. Oft wird der Schweizer Franken als Fluchtwährung in schlechten Zeiten gewählt. Ein noch stärkerer Schweizer Franken würde unseren Export noch mehr belasten und gleichzeitig Forderungen bei den Kunden im Import auslösen, die umgehend und erfahrungsgemäss weit über das durch den Devisenmarkt durchaus berechtigte Mass hinausgehen werden. All diese Faktoren werden unser Jahr 2020 mit Sicherheit stark negativ belasten. Welches ist im Zusammenhang mit dem Coronavirus die grösste Herausforderung für Ihr Unternehmen? Erstens: die Sicherstellung der Produktion in den beiden Fabriken in Birmenstorf und Rivera. Können oder dürfen die Mitarbeitenden nicht mehr zur Arbeit kommen, müssten wir bald gewisse Produktionslinien reduzieren oder gar stoppen, schlicht aus Mangel an einsatzfähigem und qualifiziertem Personal. «DIE VERSORGUNG IST AKTUELL SICHERGESTELLT, UND WÄRE DAHER ERST IN EINER ZWEITEN PHASE EIN ERNSTHAFTES PROBLEM.» Das wäre eine Katastrophe. Zweitens: Der Umsatz wird je nach Produktegruppe rückläufig – wie erwähnt zuerst bei HORECA, aber auch im Detailhandel. Die Versorgung respektive der Wareneinkauf ist aktuell sichergestellt, und wäre daher erst in einer zweiten Phase ein ernsthaftes Problem. Die Moral des Teams ist entsprechend der Gegebenheiten gut. Generell sind meines Wissens KMU im Konsumgüterbereich gegen Pandemie nicht versichert. Die Kosten fallen also alle direkt auf die KMU zurück. Ohne finanzielle Reserven kann das rasch bedrohlich werden, insbesondere wenn die jetzige Situation noch mehrere Monate anhält. Sie haben unter anderem einen Produktionsbetrieb im Tessin. Wie ist die Lage dort? Bei Sandro Vanini kommt die Mehrheit der Mitarbeitenden aus Norditalien, welche nun die Grenzen ihrer psychischen Leistungsfähigkeit erreicht haben. Die Firma wird in den nächsten Tagen für zwei Wochen den Betrieb einstellen und Betriebsferien machen. Danach müssen wir die Situation neu beurteilen und die Produktionstätigkeit eventuell auf ein paar wenige Artikel reduzieren und das Minimum versuchen, um dringendste Kundenbedürfnisse abzudecken und die Firma über Wasser zu halten. Können Sie den Schaden für Ihr Unternehmen schon abschätzen? Nein, noch nicht. Wir gehen aber heute von einem äusserst schlechten wirtschaftlichen Ergebnis für 2020 aus, vor allem wegen rückläufigem Umsatz in der Schweiz, aber auch im Export. Gibt es erste Lehren, die Sie aus der Coronavirus-Krise ziehen können? Im Moment ist es noch zu früh dazu. Wir haben technisch die Möglichkeit, dass sich Mitarbeitende von extern in unser IT-System einwählen und dezentral arbeiten können. Wir haben als Lebensmittelfirma alle Stellvertretungs- und Notfallpläne bereit, und vor allem: Wir haben sehr kompetente Mitarbeitende, welche auch in Krisensituationen richtig und besonnen reagieren. Was halten Sie vom Vorgehen der Behörden in der Schweiz? Schwierige Frage. Wir haben Verständnis dafür. Es ist eine sehr schwierige, international verzahnte und dynamische Situation. Jetzt sind in der Schweiz auch entlastende Massnahmen wichtig, vor allem für HORECA und KMU. Der Zinssatz ist schon tief oder negativ. Es müsste also auf anderen, wirtschaftspolitischen Ebenen geschehen. Denkbar sind zum Beispiel rasche, gezielte und temporäre Steuererleichterungen oder anderes. Epidemiologen hoffen, dass bis Ende Jahr ein Impfstoff zur Verfügung stehen wird. Bis dahin müssten die Massnahmen wohl aufrechterhalten werden. Wie schätzen Sie die Konsequenzen ein, wenn die Massnahmen Bild: zVg tatsächlich bis in den Herbst oder darüber hinaus Bestand haben? Massiver Umsatzeinbruch, zahlreiche Marktbereinigungen durch Konkurse, schrumpfende Wirtschaft, enormer Druck auf den Schweizer Franken. Eine Rezession ist sehr wahrscheinlich unausweichlich. «BEI SANDRO VANINI KOMMT DIE MEHRHEIT DER MITARBEITENDEN AUS NORDITALIEN, WELCHE NUN DIE GRENZEN IHRER PSYCHISCHEN LEISTUNGSFÄHIGKEIT ERREICHT HABEN.» Welche Massnahmen erwarten Sie nun von Behörden und Politik? Klare und verbindliche Kommunikation, überlegtes und besonnenes Handeln, gezielte Wirtschaftspolitik, keine Panik, pragmatische Massnahmen. Interview: Patrick Herr Das Interview wurde am 16. März 2020 geführt. PRODUKTION UND IMPORT Die Haecky Gruppe importiert hochwertige Markenartikel und produziert Lebensmittel für den Schweizer und ausländischen Markt. Zur Gruppe gehören die Haecky Import (u.a. Heinz, Seeberger, Jim Beam oder Tio Pepe), die Haecky Distri- Fresh (Import von Pizza und Tiefkühlprodukten im Conveniencebereich) sowie den beiden Produktionsfirmen Sandro Vanini (Tessiner Spezialitäten, Frucht- und Maronenprodukte) und Deliciel (Backwaren und Konditoreiartikel). Das Familienunternehmen ist 104 Jahre alt, hat seinen Hauptsitz in Reinach und beschäftigt schweizweit rund 270 Personen. www.haecky.ch «ES BRAUCHT KURZ- UND MITTELFRISTIGE, ALLENFALLS GAR LANGFRISTIGE LÖSUNGEN WIE ZUM BEISPIEL FLEXIBLERE ARBEITSZEITMODELLE SOWIE DIE MÖGLICHKEIT, VEREINFACHT KURZARBEIT EINFÜHREN ZU KÖNNEN.» Können Sie den Schaden für Ihr Unternehmen schon abschätzen? Glücklicherweise haben wir bis heute keine infizierten Mitarbeitenden zu beklagen. Die finanziellen Auswirkungen können nicht abgeschätzt werden, da der weitere Verlauf ungewiss ist. Was halten Sie vom Vorgehen der Behörden und der Politik in der Schweiz? Ich hatte den Eindruck, dass die Behörden zu Beginn eher zurückhaltend kommuniziert haben. Informationen über erforderliche Massnahmen waren anfangs nur spärlich vorhanden. Inzwischen wurde dies jedoch aufgearbeitet, sodass eine gute Kommunikation gegeben ist. Welche Massnahmen für die Wirtschaft erwarten Sie in den kommenden Wochen von Behörden und Politik? Es braucht kurz- und mittelfristige, allenfalls gar langfristige Lösungen wie zum Beispiel flexiblere Arbeitszeitmodelle sowie die Möglichkeit, vereinfacht Kurzarbeit einführen zu können, damit rasch auf Schwankungen reagiert werden kann. Wir sind mit den Behörden und der Regierung des Kantons Basel-Landschaft in einem guten Dialog und gehen davon aus, dass dieser auch in dieser herausfordernden Zeit weiterhin konstruktiv gepflegt wird. Interview: Patrick Herr Das Interview wurde am 13. März 2020 geführt. FÜHRENDER WERKZEUGHERSTELLER Die REGO FIX AG ist ein führender Werkzeughersteller mit Hauptsitz in Tenniken. Die innovativen Produkte werden in den Bereichen Fahrzeugbau, Luft- und Raumfahrt, Formenbau, Maschinenbau, Medizintechnik, Telekommunikation und in der Uhrenindustrie eingesetzt. Das Unternehmen hat Niederlassungen in China, Brasilien und in den USA, sowie Vertriebspartner in mehr als 50 Ländern. Es beschäftigt in Tenniken 220 Mitarbeitende und gilt als innovativer und attraktiver Arbeitgeber. Richard Weber ist Geschäftsführer der REGO FIX. ph

20. März 2020 CORONAVIRUS Standpunkt der Wirtschaft | 3 GASTRONOMIE «Der Erlass der Mehrwertsteuer wäre fair» GASTRO BASELLAND – Auch wenn es den Betrieben an die Existenz geht, hält Enrique Marlés, Präsident von Gastro Baselland, die Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus für richtig. Er fordert rasche Hilfe. «Das Virus ist eine Katastrophe» Alain Goepfert, Geschäftsführer Berg&Tal Gastro GmbH. Alain Goepfert, Geschäftsführer der Berg&Tal Gastro GmbH in Sissach, sagt im Interview, welche Folgen die Coronavirus-Pandemie auf seine Betriebe «Sissacherfluh», «Lounge 11» und «Club 55» hat. Der Bund könnte den Betrieben helfen, wenn er ihnen die Mehrwertsteuer 2019 erlassen würde, sagt Goepfert. Standpunkt: Herr Goepfert, Sie führen die Bergwirtschaft «Sissacherfluh», die «Lounge 11» und den «Club 55» in Sissach. Wie hart hat Sie die Absage der Fasnacht getroffen? Alain Goepfert: Das hat uns sehr hart getroffen. Die Fasnacht macht einen festen Bestandteil unseres Jahresumsatzes aus. Geschadet hat uns auch das Ausschankverbot, das vom Regierungsrat erlassen wurde. Und nun mussten wir am 16. März unsere Betriebe sogar ganz schliessen. Wie machen sich die Folgen des Coronavirus sonst in Ihren Betrieben bemerkbar? Die Folgen sind drastisch. Wir führen drei gut laufende Betriebe. Es ist eine markante Summe, die uns da verloren geht. Wir haben in unserem Lager Lebensmittel im Wert von 25 000 Franken, die wir nun nicht verkaufen können. Das Ganze trifft uns mit voller Wucht. Januar, Februar und März sind immer schwache Monate. Die Umsätze an Fasnacht und Ostern machen das normalerweise wieder wett. Dieses Jahr wird dies nicht so sein. Wir hatten in den vergangenen beiden Tagen für 700 bis 800 Gäste Reservationen, die wir alle streichen mussten. Das schmerzt noch weit mehr als der verlorengegangene Umsatz an der Fasnacht. Wie hoch ist der finanzielle Schaden? Es sind mehrere 100 000 Franken Umsatz, die uns entgehen. Bis Ende April wird es bis zu einer halben Million Franken sein. Was ist mit dem Personal? Arbeitgebende sollten immer einen Plan B haben. Wir haben bereits am vergangenen 3. März ein Kurzarbeitsgesuch eingereicht. Das Personal ist uns sehr wichtig. Wir werden die Krise überleben. Während der Krise gilt es, unsere 45-köpfige Belegschaft zu schützen. War es kompliziert, das Kurzarbeitsgesuch einzureichen? Es ist schon eine komplexe Sache. Aber ich muss sagen, dass sich die zuständigen Ämter sehr zuvorkommend gezeigt haben. Erwarten Sie weitere Hilfe vom Staat? Ja, wir brauchen Hilfe. So einen Komplettausfall können wir nicht einfach so wegstecken, auch wenn wir eine gesunde Firma sind. Welche Art von Unterstützung würde Ihnen am meisten helfen? Wir brauchen rasche und unbürokratische Hilfe. Jeder Betrieb sollte anteilmässig gleichviel erhalten. Auch sollten keine Betriebe übermässig unterstützt werden, die schon vor der Krise schlecht gewirtschaftet hatten. Ich fände deshalb die Rückzahlung der 2019 von den Betrieben bezahlten Mehrwertsteuer eine faire Lösung. Die Unterstützung wäre so automatisch an die wirtschaftliche Leistung des vergangenen Jahres gekoppelt. Interview: Reto Anklin Das Interview wurde am 16. März 2020 geführt. AUF DEM BERG SOWIE IM TAL Die Berg&Tal Gastro GmbH führt unter dem Motto «Auf dem Berg sowie im Tal» die Bergwirtschaft «Sissacherfluh», das Billard- und Freizeitcenter «Lounge 11», sowie den Tanz- und Nachtclub «Club 55» in Sissach. Alain Goepfert ist Geschäftsführer der Berg&Tal Gastro GmbH. ra Den Schaden, den das Coronavirus in der Schweizer Wirtschaft hinterlassen wird, geht in die Milliarden. Die Gastronomie ist von den drastischen Massnahmen zur Bekämpfung des Virus besonders stark betroffen. Messen finden nicht statt, Seminare werden abgesagt, Generalversammlungen gecancelt, und seit letztem Sonntag müssen im Kanton Basel-Landschaft alle Gastronomiebetriebe komplett geschlossen bleiben. «Die ausbleibenden Einnahmen gehen an die Existenz der Betriebe sagt Enrique Marlés, Präsident von Gastro Baselland, im Interview mit dem Standpunkt der Wirtschaft. Standpunkt: Herr Marlés, haben Sie in Ihrer Karriere eine derart angespannte Situation schon jemals erlebt? Enrique Marlés: Wir hatten 2008 die grosse Finanzkrise gehabt, diese war für die Gastronomie sehr einschneidend, aber nicht zu vergleichen mit der aktuellen Situation. Was wir zurzeit erleben, diese massive Panik, habe ich in meinen 40 Jahren im Gastgewerbe noch nie erlebt. «WIR VERZEICHNEN UMSATZEINBRÜCHE VON ZWISCHEN 50 UND 70 PROZENT. DIE LAGE IST WIRKLICH SCHLIMM UND STIMMT MICH ALS PRÄSIDENT VON GASTRO BASELLAND SEHR NACHDENKLICH.» Welche Rückmeldungen erhält Ihr Verband von den Mitgliedern? Die Rückmeldungen sind nicht optimistisch. Besonders die Betriebe, die über keine finanziellen Reserven verfügen, kommen nun in grosse Schwierigkeiten. Durch die zusätzliche Anordnung der Regierung, alle Gastrobetriebe zu schliessen, haben sämtliche Betriebe keine Einnahmen mehr. Die Lage ist wirklich schlimm und stimmt mich als Präsident von Gastro Baselland sehr nachdenklich. Was halten Sie von der behördlich angeordneten Schliessung sämtlicher Betriebe? Dieser Schritt zeichnete sich in den vergangenen Tagen ab. Gastro Baselland unterstützt die Betriebe mit Informationen und Hinweisen zur Anmeldung für Kurzarbeit. Mehr kann im Moment nicht gesagt werden. Haben Sie Verständnis für die Schliessung durch die Behörden? Der Schutz der Bevölkerung hat Vorrang. Auch wenn es den Betrieben an die Existenz geht, halten wir die Schliessungen für einen richtigen und wichtigen Entscheid. Die Auswirkungen der kompletten Betriebsschliessungen können Sie noch nicht beziffern. Können Sie aber den Schaden der abgesagten Fasnachten für die regionale Gastronomie bereits abschätzen? Ich schätze die Einbussen für die Restaurants und Hotels während der Fasnachtswoche auf 50 bis 70 Gastro-Baselland-Präsident Enrique Marlés hat in seinen bisher 40 Jahren in der Gastronomie noch nie eine solch dramatische Situation erlebt. Bild: Wandji Prozent des Umsatzes, was die Restauration anbelangt. Was die Hotellerie anbelangt, rechnen wir mit einem Verlust von 50 Prozent des Umsatzes. «DIE MITGLIEDER SOLLEN KOSTENMANAGEMENT BETREIBEN WIE NOCH NIE. SIE SOLLEN KURZ- ARBEIT EINREICHEN UND VERSUCHEN, NICHT IN PANIK ZU VERFALLEN.» Was ist derzeit die grösste Herausforderung für den Verband Gastro Baselland? Auf der einen Seite, unseren Mitgliedern aufzuzeigen, wo und wie sie zu den aktuellen Informationen gelangen. Auf der anderen Seite, bei der Politik und bei den Ämtern auf die Probleme hinzuweisen, die unsere Betriebe belasten, und ein verkürztes Verfahren zur Kurzarbeit einfordern. Wir möchten auch pragmatische Lösungen aufzeigen, wie zum Beispiel verlängerte Zahlungsfristen bei den Mehrwertsteuerabrechnungen. Was empfehlen Sie Ihren Mitgliedern? Sie sollen Kostenmanagement betreiben wie noch nie. Sie sollen Kurzarbeit einreichen und versuchen, nicht in Panik zu verfallen. Dazu haben wir den Mitgliedern empfohlen, allenfalls Take-Away-Angebote zu prüfen und umzusetzen. Was halten Sie vom Vorgehen der Behörden in der Schweiz? Die Behörden machen eine professionelle Arbeit und ich möchte nicht alles kritisieren, aber für gewisse Entscheide der Behörden habe ich kein Verständnis. So wurde zum Beispiel die Grenze zu Italien nicht geschlossen, die Fasnacht aber verboten. Oder es wird ein Ausschankverbot für Kleinstrestaurants verhängt, die Grosskantinen sowie der Self Service von Grossverteilern dürfen offenbleiben. Da werden Messen abgesagt, gleichzeitig fertigen Einkaufszentren weiterhin Tausende von Kunden ab. Was sollen die Behörden tun? Wir bräuchten einheitliche Massnahmen. Ich bin ein Föderalist, aber es gibt Grenzen. Es besteht in der Bevölkerung und im Gewerbe eine grosse Verunsicherung, da die Kantone keine einheitlichen Massnahmen treffen. Ich hätte mir vom Bund eine klarere und schnellere Kommunikation erwünscht. Welche Massnahmen zu Gunsten der Gastronomie erwarten Sie nun von Behörden und Politik? Der Gastronomie würde es enorm helfen, wenn man schnell und unbürokratisch Kurzarbeit einführen könnte. Und unser Gewerbe benö­ tigt rasche finanzielle Unterstützung vom Bund zur Linderung des Umsatzeinbruchs. Genau so wie die Landwirtschaft entschädigt und unterstützt wird, wenn Ernten ausfallen. «UNSER GEWERBE BE- NÖTIGT RASCHE FINAN- ZIELLE UNTERSTÜTZUNG VOM BUND ZUR LINDE- RUNG DES UMSATZEIN- BRUCHS. SO WIE DIE LANDWIRTSCHAFT ENT- SCHÄDIGT UND UNTER- STÜTZT WIRD, WENN ERNTEN AUSFALLEN.» Epidemiologen hoffen, dass bis Ende Jahr ein Impfstoff zur Verfügung steht. Bis dahin könnten einschränkende Massnahmen aufrechterhalten werden. Wie schätzen Sie die Konsequenzen ein, wenn das so eintreffen würde? Nachhaltig katastrophal, nicht nur für das Gastgewerbe. Interview: Dominique Heller Das Interview wurde am vergangenen 12. März geführt und am 16. März ergänzt, nachdem der Baselbieter Regierungsrat den Notstand erlassen hatte.

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