4 | Standpunkt der Wirtschaft BERUFSBILDUNG 22. November 2019 REGIERUNGSPRÄSIDENT ISAAC REBER – Der Baselbieter Baudirektor kann den Unmut der KMU über die Staus auf den Strassen «manchmal durchaus» verstehen. Isaac Reber wünscht sich einen konstruktiven Dialog. Davon hätten Bevölkerung und Gewerbe am meisten. «Von Unmut alleine lässt sich nichts kaufen» Standpunkt: Herr Regierungspräsident, sie haben als Regierungspräsident am Tag der Wirtschaft vor rund 3000 Gästen die Grussbotschaft der Baselbieter Regierung überbracht. Waren sie nervös? Regierungspräsident Isaac Reber: Als dienstältestes Regierungsratsmitglied mit über acht Jahren Erfahrung und der zweiten Regierungsratspräsidentschaft verfüge ich über eine gewisse Routine. Vor so vielen Menschen zu sprechen, ist aber auch für mich nicht alltäglich. «DER FAKTOR MENSCH IST EIN ZENTRALER FAKTOR FÜR GUTE DIENSTLEISTUNGEN. ES IST ENTSCHEIDEND, DASS DIE MENSCHEN GUTE AUSBILDUNGS- UND WEITERBILDUNGS- BEDINGUNGEN VORFINDEN.» Die Veranstaltung stand unter dem Motto «Erfolgsfaktor Mensch». Wie wichtig ist der Mensch in der digitalisierten, schnellen Arbeitswelt noch? Vielleicht sogar wichtiger denn je. Der Faktor Mensch ist ein zentraler Faktor für gute Dienstleistungen. Entsprechend ist entscheidend, dass die Menschen hier gute Ausbildungs- und Weiterbildungsbedingungen vorfinden. Wirtschaft und Verwaltung brauchen gleichermassen gute Fachleute, wenn wir unseren Job gut machen wollen – und das wollen wir. Was bedeutet für Sie persönlich «Erfolgsfaktor Mensch»? Dass wir die Berufsbildung weiterhin fördern und junge Menschen auch für diesen Weg begeistern wollen. Wir brauchen überdies eine starke Hochschulebene mit FHNW, Universität Basel und ETH Basel – notabene eine der Top-Ten-Hochschulen der Welt. Sie sind seit dem 1. Juli Vorsteher der Bau- und Umweltschutzdirektion, der BUD. Welche Eindrücke von Ihrer neuen Aufgabe haben sie nach den ersten Monaten? Ich habe viele sehr gute und motivierte Mitarbeitende angetroffen und freue mich darauf, mit ihnen zusammen etwas zu bewegen und erfolgreich unterwegs zu sein für die Basel bieter Bevölkerung. Selbstverständlich wird das herausfordernd, aber auch sehr spannend. Ganz nach meinem 100-Tage-Motto: «It’s not easy but it’s good.» Welches sind die Unterschiede zu Ihrer vorgängigen Aufgabe in der Sicherheitsdirektion? Zum einen die Anzahl der Mitarbeitenden, welche tiefer ist als bei der SID. Zum anderen gibt es bei der BUD mehr – zum Teil grosse – Projekte und ein deutlich höheres Budget. Isaac Reber gehört seit 2011 dem Baselbieter Regierungsrat an. Seit 2019 steht er der Bau- und Umweltschutzdirektion vor, zuvor führte er acht Jahre lang die Sicherheitsdirektion. Er ist dieses Jahr zum zweiten Mal Regierungspräsident. Bild: zVg Sie sind ausgebildeter ETH-Raumplaner, wie stark profitieren Sie von der Ausbildung für die jetzige Aufgabe? Es ist nicht nur so, dass ich ausgebildeter ETH-Raumplaner bin. Ich habe auch in den Neunzigerjahren bereits einmal bei der BUD gearbeitet. Beides ist mit Sicherheit kein Nachteil. Und beides hat dazu geführt, dass die Übernahme dieser Aufgabe auch ein wenig wie «Heimkommen» war und ist. Welche Herausforderungen sind Sie in Ihrer neuen Direktion bereits angegangen oder wollen Sie noch angehen? Die BUD ist eine Direktion mit zahlreichen Schlüsselthemen – Umwelt, Energie, Klima, Raumplanung, nachhaltiges Bauen und eine fitte Infrastruktur – welche auch sehr kontrovers beurteilt werden. Diese Diskussionen möchte ich versachlichen. Ausserdem braucht es eine Konzentration auf das realistisch Machbare. Wir wollen uns fokussieren und Prioritäten setzen. Bestehendes soll gezielt weiterentwickelt, und neue Akzente sollen dort gesetzt werden, wo Neues stattfinden soll. Mit anderen Worten: Es gilt, Infrastruktur und Entwicklung zusammenzubringen. «SELBSTVERSTÄNDLICH WIRD DAS HERAUS- FORDERND, ABER AUCH SEHR SPANNEND. GANZ NACH MEINEM 100-TAGE- MOTTO: ‹IT’S NOT EASY BUT IT’S GOOD.›» Eine Herausforderung ist sicher auch die für KMU unbefriedigende Verkehrssituation in der Region? Fakt ist, dass die Netze voll sind – und zwar auf der Strasse wie auf der Schiene. Es ist zwingend, dass die bestehende Infrastruktur punktuell verbessert werden muss, wo dies möglich und sinnvoll ist. Ausserdem muss das Prinzip der kürzeren Wege in der Raumplanung vermehrt umgesetzt werden. Alle Verkehrsmittel müssen am richtigen Ort sein. Hier bietet insbesondere die E-Mobilität eine neue Herausforderung, aber vor allem auch eine neue Chance, vor allem in der Agglomeration. Die Konferenz der Gewerbe- und Industrievereine, KGIV, setzt sich mit der Mobilitätskampagne für weniger Stau, weniger Baustellen und mehr Parkplätze für KMU ein. Unter anderem macht sie dies mit Filmen auf den sozialen Medien. Haben Sie die Filme gesehen? Nein, ich habe die Filme nicht gesehen. Können Sie den Unmut der KMU verstehen? Manchmal durchaus. Man muss sich aber bewusst sein, dass sich von Unmut alleine nichts kaufen lässt. Ich bin überzeugt, dass wir mit kreativen Ideen und hoher Motivation zusammen mehr erreichen können. Ich wünsche mir vor allem einen konstruktiven Dialog. Ich denke, davon hat die Bevölkerung und das Gewerbe am meisten. Ich möchte aber auch deutlich sagen: wenn wir unsere Infrastruktur unterhalten wollen, geht das nicht ohne Baustellen. Anfang November erfolgte der Spatenstich zur neuen Kantonsstrasse im Gebiet Salina Raurica. Wie wichtig ist dieser Schritt für das Entwicklungspotenzial von Salina Raurica? Es handelt sich um einen enorm wichtigen Schritt, welcher zentrale Voraussetzungen für eine gezielte Umnutzung von Salina Raurica überhaupt erst ermöglicht. Dasselbe gilt für die Verlängerung der Tramlinie 14 nach Augst und die Planung der kantonalen Velorouten in der Rheinebene – allesamt Schlüsselprojekte für die Arealentwicklung. Ihre Vorgängerin Sabine Pegoraro hat gegenüber den Verkehrsverbänden versprochen, dass nach der Fertigstellung der neuen Strasse die Kapazitäten aller Strassen in diesem Gebiet sichergestellt werden. Die Folgen auf den Verkehr sollen zuerst in Ruhe angeschaut werden, bevor überhaupt über einen möglichen Rückbau der Rheinstrasse diskutiert wird. Werden sie, wie von Ihrer Vorgängerin zugesichert, zuerst die Entwicklung und die Auswirkung der neuen Kantonsstrasse beobachten? «IM BEREICH UMWELT ARBEITEN WIR WEITER MIT BEWÄHRTEM WIE DEM ENERGIEPAKET UND ERGÄNZEN ES MIT NEUEM, ZUM BEISPIEL DEM BAUSTOFF KREISLAUF.» Selbstverständlich: Zuerst muss die neue Strasse überhaupt fertiggebaut werden. Es macht aber Sinn, bereits jetzt für die Zeit nach der Fertigstellung zu planen. Ein zentrales Thema bei der gesamten Arealentwicklung war und ist die Öffnung des Zugangs zum Rhein und die Verbesserung der Gesamtqualität. Diese Vorgaben gilt es einzuhalten, und das werden wir auch tun. Schliesslich wollen wir mit all diesen Investitionen Salina Raurica attraktiv machen – sonst ergäben sie keinen Sinn. Welche Projekte wollen Sie als Nächstes vorantreiben, und welche Priorität hat für Sie der Zubringer Allschwil? Der Zubringer Bachgraben-Allschwil – ZUBA – hat erste Priorität. Wichtig ist, dass parallel dazu die Erschliessung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln vorangetrieben wird, bei welcher der Kanton Basel- Stadt die Federführung innehat. Weitere zentrale Strassenbauprojekte sind der Rheintunnel, die neue Talstrasse Münchenstein-Arlesheim, der Vollanschluss Aesch oder die soeben gestartete Verlegung der Rheinstrasse in Salina Raurica. Im Bereich des öffentlichen Verkehrs sind es die Verlängerung des Trams 8 Letten, des Trams 14 in Salina Raurica und die Engpassbeseitigung Spiesshöfli, für welche der Landrat soeben einstimmig den Kredit verabschiedet hat. Darüber hinaus sollen neue Wege im Bereich der E-Mobilität beschritten werden, etwa mittels Evaluation von Pilotstrecken für Veloschnellrouten. Selbstverständlich gibt es abgesehen von Infrastrukturprojekten weitere wichtige Aufgaben zu erfüllen: In der Raumplanung die Schaffung von Clustern, die Verdichtung nach innen und die Realisierung des Prinzips der kurzen Wege. Und natürlich bleibt der Schutz der Umwelt eine der zentralen Daueraufgaben unserer Zeit. Hier arbeiten wir weiter mit Bewährtem, wie dem Energiepaket, und ergänzen es mit Neuem, zum Beispiel dem Baustoffkreislauf. Wie sieht Ihr Mobilitätskonzept für die Region im Generellen aus? Entscheidendes Merkmal muss die Berücksichtigung sämtlicher Verkehrsträger sein. Es gilt, jeweils das am besten geeignete Verkehrsmittel am richtigen Ort einzusetzen. Ausserdem sollen neue Möglichkeiten bestmöglich genutzt werden. Ich denke hier etwa an die E-Mobilität oder an Veloschnellrouten. Gerade da, wo wir heute am meisten Verkehrsprobleme haben – am Übergang von der Agglomeration zum Zentrum – bieten sich neue Entlastungsmöglichkeiten, weil der e-Antrieb das Fahrrad auch auf mittlere Distanzen «massentauglich» macht. Interview: Dominique Heller
22. November 2019 TAG DER WIRTSCHAFT Standpunkt der Wirtschaft | 5 SWISS INNOVATION CHALLENGE – Am Tag der Wirtschaft wurde die Siegerin der Swiss Innovation Challenge 2019 bekannt: Es ist die TOLREMO therapeutics AG, die mit niedermolekularen Wirkstoffen gegen Arzneimittel resistenzen bei Krebstherapien kämpft. Krebsbekämpferin auf erstem Platz Sie will mit ihren Therapien das Leben von Krebspatienten entscheidend verlängern: Stefanie Flückiger-Mangual, CEO von TOLREMO therapeutics. Bild: zVg Die TOLREMO therapeutics AG hat mit ihren Entdeckungen und Entwicklungen von niedermolekularen Wirkstoffen gegen Arzneimittelresistenzen bei Krebstherapien die Jury der Swiss Innovation Challenge am meisten überzeugt. Gestern Abend durfte das Start-up am Tag der Wirtschaft vor mehr als 3000 Gästen in der St. Jakobshalle in Münchenstein den Siegerpokal und einen Check von 20 000 Franken entgegennehmen. Im März 2017 haben Dr. Stefanie Flückiger-Mangual, Prof. Dr. Wilhelm Krek, Prof. Dr. Karl-Heinz Altmann, Dr. Isaac Kobrin und Dr. Emmanuel Savioz das Schweizer Biotechnologieunternehmen TOLREMO therapeutics AG als ETH-Spin-off gegründet. Da bei Krebstherapien immer häufiger Arzneimittelresistenzen auftreten, erforscht und entwickelt das Start-up niedermolekulare Wirkstoffe. Die wissenschaftlich fundierte Forschungs- und Entwicklungspipeline des ETH-Spinn-offs basiert auf den bahnbrechenden Erkenntnissen der Gründer über die molekularen Mechanismen von Krebs und Arzneimittelresistenz sowie auf ihrem Fachwissen in der medizinischen Chemie und der Arzneimittelentwicklung. Ziel von TOLREMO therapeutics ist es, Arzneimittel zu entwickeln, die mit vorhandenen Krebsmedikamenten kombiniert werden können, um die Resistenzentwicklung bei verschiedenen Krebsarten zu verhindern. Eigens entwickelte Plattform Dazu nutzt das Unternehmen eine eigens entwickelte und patentierte Plattform, die hilft, entsprechende Moleküle zu finden und hofft damit, eine neue Welle resistenzbrechender Therapien auszulösen. «Das Leben von Krebspatienten soll mit personalisierten Therapien gegen die durch Medikamente hervorgerufene Resistenz entscheidend verlängert werden, das ist unsere Vision und dafür arbeiten wir täglich hart», sagt CEO Stefanie Flückiger-Mangual. Sie zeigte sich an der Preisverleihung hoch erfreut über die Auszeichnung. «Der Sieg an der Swiss Innovation Challenge ist für uns ein Innovations-Gütesiegel und stärkt das öffentliche Profil unseres Unternehmens. Beides hilft uns, die besten Köpfe aus Akademie und Wirtschaft für unser Team zu gewinnen.» Das Preisgeld will das Unternehmen in den geplanten Umzug von Zürich nach Allschwil investieren. Um dem wachsenden Platzbedarf von TOLREMO therapeutics gerecht zu werden, zieht das Unternehmen im zweiten Quartal 2020 in den Schweizerischen Innovationspark nach Allschwil. Sie werden also neu mitten im Herzen des Schweizer Pharma- und Biotech-Zentrums zu Hause sein. Dominique Heller SONDERPREISE Am Tag der Wirtschaft in der St. Jakobshalle wurden neben dem Namen der Gewinnerin der Swiss Innovation Challenge auch bekannt, wer die drei Sonderpreise in den Bereichen Internationalisierung, Life Sciences sowie Bau erhalten hat. Der Sonderpreis Bau geht an die DynaRoads AG mit ihrem dynamisches Fahrleitsystem. TOLREMO therapeutics AG gewinnen neben dem Hauptpreis auch den Sonderpreis Life Sciencies. Über den Sonderpreis Internationalisierung darf sich die Combi Fuel Swiss AG freuen. dh ZWEITER PLATZ – Naomi Mac Kenzie und Anastasia Hofmann wollen mit ihrem Start-up KITRO dazu beitragen, dass weniger Lebensmittel im Abfall landen. Kampf gegen Lebensmittelverschwendung DRITTER PLATZ – Die Advanced Osteotomy Tools AG hat einen Laser entwickelt, der Knochen schneidet. Neueste Lasertechnologie Die beiden Gründerinnen Naomi MacKenzie und Anastasia Hofmann hatten während ihres Studiums an der École hôtelière de Lausanne unter anderem Einblick in den Küchen- und Servicebereich. Dort sahen sie, wie tagtäglich enorme Mengen an brauchbaren Lebensmitteln weggeworfen werden. Die beiden Frauen begannen, sich intensiv mit Foodwaste auseinanderzusetzen und gründeten schliesslich KITRO. Ihre Lösung besteht aus einer Hard- und Software und basiert auf Bildverarbeitungsund maschinellen Lerntechnologien, die das weggeworfene Material automatisiert identifizieren. Das heisst, wenn etwas in der Tonne landet, wird automatisch erfasst und analysiert, was und wie viel es ist und in Form eines Online-Dashboards angezeigt. Kostensparender planen Mit diesem Trackingverfahren verfügen die Nutzer über einen Überblick der Abfälle, die verschwendeten Ressourcen und vor allem die Kosten, die damit verbunden sind. Auf der Basis dieser Daten kann somit effizienter sowie kostensparender geplant und die Verschwendung von Lebensmitteln reduziert werden. dh 50 Jahre Forschung an medizinisch einsetzbaren Lasertechnologien haben durchaus eindrucksvolle Erfolge gebracht. Doch gerade im Bereich der Knochenchirurgie hatte man bislang keine Lösung gefunden, um das Knochengewebe im Bereich von Laser-Schnittflächen intakt und vital zu erhalten. Das ist der AOT AG nun mit der bahnbrechenden Erfindung des CARLO®-Systems gelungen. Dieses System ermöglicht die direkte Zusammenarbeit von Mensch und Maschine. Und zwar mittels eines speziell dafür konstruierten, kleinen und leichten taktilen Roboterarms, einer Navigations- und Kontrollsoftware und der entsprechenden Hardware. CARLO® ist damit der weltweit erste medizinische, taktile Roboter, der Knochen berührungsfrei mit kalter Lasertechnologie schneiden kann und dem Chirurgen Knochenoperationen mit einer noch nie dagewesenen Präzision ermöglicht. dh
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