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Standpunkt 448, 7.7.2017

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Standpunkt der Wirtschaft – Offizielles Informationsorgan der Wirtschaftskammer Baselland

BL 2 VERKEHRSPOLITIK 7.

BL 2 VERKEHRSPOLITIK 7. Juli 2017 – Schweizerische Gewerbezeitung Haus der Wirtschaft – Dienstleistungs- und Kompetenz-Zentrum für KMU aus Gewerbe, Handel, Dienstleistung und Industrie GASTKOMMENTAR Ein Umdenken ist unumgänglich Vom irischen Lyriker und Bühnenautor Oscar Wilde stammt das Sprichwort «Handeln ist nichts als das gemein same Anbequemen an die Tatsachen». Genau darum sollte es in der hiesigen Verkehrs politik gehen: Die Behörden, insbesondere aber die Wahlberechtigten, müssen den tatsächlichen Entwicklungen der Vergangenheit sowie der näheren Zukunft ins Auge blicken – ihnen Rechnung tragen – und künftige Entscheide entsprechend fällen. Die Bevölkerung der Schweiz ist seit 1990 um mehr als 1,5 Millionen auf heute 8,4 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner angestiegen. Das entspricht einer Zunahme von fast 25 Prozent. Im gleichen Zeitraum hat auch die Wohnbevölkerung im Baselbiet um 50 000 auf heute gut 285 000 Personen zugenommen. Die Nachfrage nach Mobilität wächst noch schneller als die Bevölkerung, weil die Menschen länger jung und mobil bleiben. Das zeigt sich auch am Motorfahrzeug bestand: Schweizweit hat dieser seit 1990 um fast 60 Prozent auf knapp sechs Millionen Fahrzeuge zugenommen. Gleiches gilt für den Kanton Basel-Landschaft, dessen Fahrzeugbestand erst vor Kurzem die 200 000-Marke durchbrochen und die schweizweite Entwicklung somit sogar leicht übertroffen hat. Diese stetige Zunahme fordert ihren Tribut: Allein auf den Nationalstrassen, die allerdings nur gerade rund 2,5 Prozent des gesamten Strassennetzes ausmachen, staute sich der Verkehr im vergangenen Jahr während sage und schreibe mehr als 24 000 Stunden, also fast drei Jahre lang. Hauptursache war – einmal mehr – die Verkehrsüberlastung. UMFAHRUNG ALLSCHWIL – Die «IG Umfahrungsstrasse Allschwil – stadtnahe Tangente» kämpft für eine rasche Realisierung der von der Stimmbevölkerung beschlossenen Umfahrung Allschwil. Erster Teil eines inneren Rings um Basel Soll sich die Region zu einer Metropolitanregion entwickeln, ist es notwendig, die Verkehrsinfrastruktur von der heutigen Korridor- zu einer Netzstruktur mit einem inneren und einem äusseren Ring weiterzuentwickeln (siehe Artikel Seite 5 unten). Einen wichtigen Schritt in diese Richtung hat die Baselbieter Stimmbevölkerung am 8. März 2015 ermöglicht. Damals hat der Souverän mit 61,87 Prozent Ja die Initiative zur Umfahrung Allschwil gutgeheissen. Ambitionierter Zeitplan Das erste Teilstück (Zubringer Bachgraben) ist in der Vorstudienphase. Umgesetzt werden soll es 2023 bis Christian Greif, Direktor des ACS, Sektion beider Basel Dieser sowohl Umwelt wie auch Wirtschaft schädigenden Entwicklung liegt eine wesentliche Ursache zugrunde: In den vergangenen Jahrzehnten wurde es verpasst, eine weitsichtige Planung für den mit Abstand bedeutendsten Verkehrsträger, nämlich die Strasse, aufzugleisen. Vielmehr lag der Fokus auf dem Bahnverkehr, dessen Verkehrsleistung aber fast fünf Mal geringer ist als diejenige des Motorisierten Individualverkehrs (MotIV). Dieser schon seit Jahrzehnten geltenden – und trotz aller Milliardeninvestitionen in den öffentlichen Verkehr nur um ganz wenige Prozentpunkte schwankenden – Tatsache gilt es ins Auge zu sehen. Weder ist es gelungen, den Automobilisten mit immer neuen Behinderungen die Freude am Fahren auszutreiben, noch haben die massiven Investitionen, um mehr Anreize für den Umstieg auf die Bahn oder das Velo zu schaffen, wirklich gefruchtet. Nach wie vor ist die Strasse unangetastet die absolute Spitzenreiterin unter den Verkehrsträgern. Gemäss Expertenmeinung wird sie diese Position – insbesondere auch unter Berücksichtigung der technologischen Entwicklungen – in Zukunft noch weiter ausbauen. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, um die wachsende Verkehrsnachfrage zu befriedigen. Im Vordergrund steht der Ansatz, die Kapazität des Strassennetzes nachfragegerecht auszubauen, um eine umweltverträgliche, sowohl Gesellschaft als auch Wirtschaft dienende Bewältigung des Verkehrs zu gewährleisten. Es liegen dafür jetzt zwar – wie in dieser Ausgabe des Standpunkts der Wirtschaft dargelegt – zahlreiche Grossprojekte auf dem Tisch, deren Realisierung wesentlich dazu beitragen wird, den täglichen Stau-Wahnsinn zumindest zu reduzieren. Sie alle aber haben – mit Ausnahme der Pannenstreifen-Umnutzungs-Projekte, die aber auch keine allzu grossen Wirkung entfalten werden – einen gemeinsamen Makel: Sie werden uns im allerbesten Fall in 20 Jahren zur Verfügung stehen und die Situation entschärfen. Bis dahin allerdings werden sowohl die Bevölkerung, die Mobilitätsbedürfnisse, der Motorfahrzeugbestand – und damit leider auch die Stausituation weiter anwachsen. Was also tun gegen den Stau? In Anbetracht dessen, dass eine Engpassbeseitigung mit baulichen Massnahmen erst in Jahrzehnten wirken wird, müssen nun sozusagen als zweite Wahl auch Massnahmen geprüft werden, die nur einen kleineren Beitrag zur Problemlösung leisten können – und allenfalls sogar ihre Schattenseiten haben. Konkret sollten folgende drei Überlegungen im Fokus stehen: 1. Umdenken! In den vergangenen Jahrzehnten sind die Menschen zwar immer mobiler geworden. Die Anteile, welche die einzelnen Verkehrsmittel zur Bewältigung dieser Bedürfnisse beitragen, haben sich aber 2027. Der Zeitplan ist ambitioniert. Um sicherzustellen, dass das Projekt nicht verzögert wird, wurde Ende 2016 unter dem Präsidium von e. Landratspräsident Hanspeter Frey die «IG Umfahrungsstrasse Allschwil – stadtnahe Tangente» gegründet. Einsitz in Begleitkommission Vor Kurzem hat die IG Einsitz in der Begleitkommission genommen. So erhält sie Einblick in allfällig auftauchende Probleme. Die Umfahrung Allschwil wäre als stadtnahe Tangente ein wichtiger Teil des inneren Rings um Basel. Dazu würde auch der Gundelitunnel beitragen. Daniel Schindler nur unwesentlich verändert. Dennoch wurde in der Vergangenheit nicht entsprechend dieser Realitäten in die Infrastruktur investiert. Hier ist ein Umdenken angesagt: In Versorgungsnetze – egal ob Strasse oder Schiene – soll primär nach dem Grundsatz der Nachfrage investiert werden, womit ein optimaler Nutzen gewährleistet werden kann. 2. Weiterer Rückbau ist tabu. Dass die Stauzeiten auf dem Nationalstrassennetz immer neue Rekorde brechen, hat auch mit den Agglomerationen zu tun, deren Politik darauf abzielt, den Verkehr vom Lokalstrassennetz mit Spurreduktionen, Rückbau von Ringstrassen oder Tempo 30 auf die Autobahnen zu verdrängen. Einst vorhandene Redundanzen, die im Ereignisfall auf dem Nationalstrassennetz zumindest zur Linderung der Situation beitrugen, fehlen heute mehrheitlich, weil sie einer einäugigen Verkehrspolitik geopfert wurden, die nun regelmässig ihren Tribut fordert. Umso wichtiger ist es, dieser Politik umgehend Einhalt zu gebieten und weitere Kapazitätsreduktionen auf dem Sekundärstrassennetz zu verhindern. 3. Brachliegende Kapazitäten nutzen. Der Bund prüft bereits seit längerer Zeit die Möglichkeit, Pannenstreifen als Fahrspuren zu nutzen – und damit der vorhandenen Infrastruktur die letzten Reserven zu entlocken. Leider sind die Voraussetzungen in unserer Region mit den vielen Ein- und Ausfahrten und der Autobahnraststätte alles andere als optimal, sodass gemäss heutigem Kenntnisstand eine Pannenstreifen umnutzung zwischen Basel und Liestal nur auf kurzen Strecken – mit entsprechend begrenzter Entlastungswirkung – möglich ist. Eine massgebliche Entlastung des Nationalstrassennetzes, wenn nicht gar ein Befreiungsschlag, könnte allerdings erzielt werden, indem das seit den 1930er- Jahren für den schweren Nutzverkehr geltende Sonntags- und Nachtfahrverbot zwischen 22 und 5 Uhr gelockert, ganz aufgehoben, oder sogar in umgekehrten Sinne zur Anwendung gelangen würde. In Anbetracht des damit erzielbaren Gewinns einer merklich besseren Auslastung der Infrastruktur scheint es mir angezeigt, auch über diese Option ernstlich nachzudenken. Zusätzliche Kapazitäten sind wohl auch auf dem Lokalstrassennetz zu finden: In beiden Kantonen sollte überall dort, wo Strassenflächen für den MotIV gesperrt sind (Brücken, Einbahnstrassen, Busspuren, Tramtrassees) überprüft werden, ob diese dauerhaften Sperrungen wirklich notwendig sind, oder ob mit etwas gutem Willen diese Flächen nicht – zumindest temporär – freigegeben werden könnten. Ein innerer Ring um Basel würde das Zentrum sowie die stadtnahen Baselbieter Gemeinden deutlich vom Verkehr entlasten. GRAFIK ARCHIV HOCHLEISTUNGSSTRASSEN Initiative fordert: Die Engpässe auf Hochleistungsstrassen sind zu beheben. Knoten sollen gelöst werden Einreichung der Initiative am 23. Februrar 2017 (v.l.): Peter Vetter, 1. Landschreiber, die Landratsmitglieder Andreas Dürr (FDP), Oskar Kämpfer (SVP), Christine Frey (FDP), Christoph Buser (FDP), Marc Scherrer (CVP, e. Landrat) und Christof Hiltmann (FDP). FOTO ARCHIV Ein Grund für die konstante Verkehrsüberlastung in der Region sind verschiedene Engpässe, die unter anderem bei den Verbindungen des öffentlichen Strassennetzes zu den Hochleistungsstrassen bestehen. Insbesondere die zunehmenden, weiträumigen Rückstaus auf den Zu- und Ausfahrtsstrassen der A2 und A3 sowie der A22 und A18 werden zum immer grösseren Problem für Bevölkerung und Unternehmen und verursachen signifikanten volkswirtschaftlichen Schaden. Die am 23. Februar 2017 offiziell eingereichte formulierte Gesetzesinitiative «zum Ausbau des Hochleistungsstrassennetzes» hat zum Ziel, diesen Missstand zu beheben (der Standpunkt berichtete). Die mit 3235 gültigen Stimmen zustandegekommene Initiative verlangt, dass die kantonalen Behörden unverzüglich alle rechtlich und sachlich notwendigen Schritte einleiten, um solche im Kanton bestehende Engpässe zu beseitigen. Das Hochleistungsstrassennetz soll betreffend Kapazität und Funktionalität so entwickelt werden, dass eine möglichst rückstaufreie Aufnahme des Verkehrs aus dem mit dem Hochleistungsstrassennetz verbundenen öffentlichen Strassennetz gewährleistet wird. Hand in Hand mit den Nachbarkantonen Wie einer Medienmitteilung vom vergangenen 22. März zu entnehmen ist, gehen die Initianten davon aus, dass es zur Zielerreichung unumgänglich sein wird, «Hand in Hand mit den Nachbarkantonen – insbesondere Basel-Stadt – und dem Bund zusammenzuarbeiten». Dass Basel-Stadt und Baselland an einem Strang ziehen müssen, zeige das Beispiel des Gundelitunnels. Dieser sei zwar Teil des Bundesbeschlusses über das National strassennetz aus dem Jahre 1960, wurde aber noch immer nicht realisiert. «Dabei wäre er ein essenzieller Bestandteil des Ausbaus des Hochleistungsstrassennetzes der Region», schreiben die Initianten. Neben der Durchsetzung einer engeren Zusammen arbeit des Kantons Baselland mit dem Bund und den Nachbarkantonen ist es dem Initiativkomitee wichtig, dass die Verkehrs- und Wirtschaftsverbände sowie die regierungsrätliche Kommission Task Force Anti-Stau in die Planungsund Umsetzungsprozesse mit eingebunden werden. Auch dies trage dazu bei, das Hochleistungs- Strassennetz rasch weiterzuentwickeln. Nach den beiden Volksinitiativen «Verhinderung von 7 Jahren Dauer-Stau in der Hagnau» und «Sicherung der Verkehrskapazität auf der Rheinstrasse Pratteln-Liestal» ist die formulierte Gesetzes initiative «zum Ausbau des Hochleistungs strassennetzes» das dritte Volksbegehren des Überparteilichen Initiativkomitees für eine staufreie Verkehrsinfrastruktur im Baselbiet. Das Komitee wird präsidiert von Wirtschaftskammerdirektor Christoph Buser. Der Baselbieter Landrat hat am 15. Juni 2017 die formulierte Gesetzesinitiative «zum Ausbau des Hochleistungsstrassennetzes» formell für rechtsgültig erklärt. Daniel Schindler

VERKEHRSPOLITIK BL 3 Haus der Wirtschaft -– Dienstleistungs- und Kompetenz-Zentrum für KMU aus Gewerbe, Handel, Dienstleistung und Industrie 7. Juli 2017 – Schweizerische Gewerbezeitung VERKEHRSKOLLAPS – Das für Wirtschaft und Bevölkerung zermürbende Dauerchaos auf den Strassen der Region ist hausgemacht. Zwar liegen Lösungsansätze teilweise bereits seit Jahren vor, aber bei der Umsetzung fehlt es mancherorts am politischen Willen. Wo es klemmt – und wer gefordert ist

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