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Baselland Business 2/2023 Deutsch

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Wirtschaftsguide für die Region Basel-Landschaft in deutscher und englischer Sprache

Energie «Das Ziel kann

Energie «Das Ziel kann nicht Verzicht sein» Die Sicherung der Energieversorgung in der Schweiz ist weiterhin fraglich. Dank eines milden vergangenen Winters konnte eine allfällige Mangellage zwar vermieden werden. Jedoch ist das keine Garantie, dass dies diesen Winter erneut der Fall sein wird. Wenig Schnee und Regen führten dazu, dass Wasser in den Speicherseen fehlt. Die Trockenheit in diesem Jahr hatte eine eingeschränkte Produktion der Wasserkraft und der Kernenergie zur Folge. Die Aufforderung der Regierung an die Schweizer Bevölkerung Energie zu sparen besteht weiter. Fakt ist: Die Situation bleibt angespannt. Chris Stoecklin FDP-Landrätin und Präsidentin der Energie Liga Christine Frey: Wie schätzen Sie die aktuelle Lage der Energienation Schweiz ein? Die Unsicherheit bleibt bestehen für den kommenden Winter. Dies ist umso ärgerlicher, als die Probleme hausgemacht sind. Die Energiepolitik des vergangenen Jahrzehnts war unausgewogen und unvorsichtig. Mit dem totalen Fokus auf die Nachhaltigkeit gingen ebenso wichtige Ziele wie die Versorgungssicherheit und die Bezahlbarkeit regelrecht vergessen. Und die Herausforderungen werden nicht kleiner: Eine Dekarbonisierung durch Elektrifizierung lässt den Strombedarf zunehmen, gleichzeitig müssen wegfallende Kernkraftkapazitäten ersetzt werden. Die Abhängigkeit vom Ausland macht die Sachlage auch nicht einfacher. Das Schweizer Volk hat im Juni für eine Annahme des Klimaschutzgesetzes gestimmt. Löst das nun effektiv alle Probleme? Der Klimahype hat Wirkung gezeigt; das muss man den treibenden Kräften zugestehen. Nur löst man mitnichten die Probleme rund um den Klimawandel, indem in der kleinen Schweiz die Gesellschaft mit immer mehr Geboten und Verboten umerzogen werden soll. Wird Ihrer Meinung nach von Seiten Medien und Politik auch zu polemisch mit der Thematik Energie umgegangen? Danke für diesen Steilpass. Ja klar, aus meiner Sicht wird extrem einseitig berichtet. Damit werden Ängste geschürt, die Wasser auf die Mühle der links-grünen, extremen Forderungen spülen. Es ist beinahe unmöglich, in dieser Diskussion einen pragmatischen Umgang mit dem Thema zu fordern. Ich habe erlebt, dass man dann sofort als Klimawandel-Leugner dargestellt wird. Die Debatten im Landrat nehmen manchmal beinahe religiöse Züge an. Damit ist niemandem gedient. Ist das auch ein Problem mangelnden Wissens über die Materie? Eine Fotovoltaikanlage ist ja nicht dasselbe wie ein Sonnenkollektor. Halbwissen oder mangelndes Wissen führten tatsächlich dazu, dass Diskussionen oft nicht auf einem zielführenden Niveau geführt werden können. Die politische Debatte sollte sich nicht in technischen Details wie z.B. dem Wirkungsgrad von verschiedenen Anlagen verlieren. Vielmehr ist es Aufgabe der Politik, die Grundsätze und Leitplanken festzulegen, nach denen die Wirtschaft und die Gesellschaft in Zukunft die Energieversorgung und die Reduktion von Treibhausgasemissionen angehen sollen. Beim Thema Energieversorgung scheiden sich die Geister. Es gibt unzählige Szenarien von unzähligen Experten. Was ist aus Ihrer Sicht realistisch? Es gibt den Blick in die Kristallkugel nicht. Aber wir wissen, dass weltweit mit Hochdruck an verschiedensten Energieerzeugungsanlagen geforscht wird, mit denen nachhaltig produziert werden kann. Das heisst, wir dürfen unsere Klimastrategie nicht auf dem heutigen Wissensstand aufbauen, sondern müssen unbedingt technologieoffen sein. Weiter wäre es wünschenswert, dass wir den politischen Fokus wieder auf die ausreichende Verfügbarkeit und den Preis richten 56 Baselland Business

würden. Die Erhöhung des Eigenversorgungsgrads ist richtig, aber genauso wichtig ist, dass diese Eigenproduktion zu wettbewerbsfähigen Preisen realisiert wird. Aber dafür müssen grundlegende politische Entscheidungen diskutiert werden dürfen. Zum Beispiel, ob § 115, Absatz 2, der Kantonsverfassung gestrichen werden darf, der besagt: «Er (der Kanton) wirkt darauf hin, dass auf dem Kantonsgebiet oder in dessen Nachbarschaft keine Atomkraftwerke nach dem Prinzip der Kernspaltung, Aufbereitungsanlagen für Kernbrennstoffe und Lagerstätten für mittel- und hochradioaktive Rückstände errichtet werden.» Haben Ihrer Meinung nach Projekte wie beispielsweise einzelne Windräder in Gemeinden wie Muttenz eher einen symbolischen Charakter als einen effektiven Nutzen für die Energiewende? Das Windrad in Muttenz ist nicht viel mehr als eine Marketingaktion. Egal, mit welchen Naturkräften Energie erzeugt werden soll, es braucht immer viel davon, um kosteneffizient produzieren zu können. Windanlagen sind demnach in windreichen Regionen, wie zum Beispiel in Küstengebieten, geeignet. Letztlich verzerren die übertriebenen Subventionen im Energiesektor das Kostenbild. Wenn der Energieversorger unter dem Strich keinen Verlust einfährt, ist das ganz sicher nicht wegen der günstigen Produktionsbedingungen. Hier muss die Politik den Hebel ebenfalls anlegen. Wo geht Ihrer Meinung nach der Schweizer Weg auf energetischer Ebene hin? Wir kommen nicht darum herum, über grosse Stromproduktionsanlagen in der Schweiz zu diskutieren. Frau Leuthard hat ihren Atomausstieg mit Gaskraftwerken als Plan B flankiert. Gasstrom ist aber alles andere als sauber. Deshalb braucht es eine Diskussion über die Kernkraft – zumindest als Übergangslösung. Neue Reaktortypen sind sicherer, effizienter und vor allem sauber. Dank kleineren Reaktoren können diese dezentral für eine Stabilisierung der Stromversorgung sorgen. Aber auch andere Technologien müssen in die Gesamtschau einbezogen werden. Denn das Ziel kann nicht Verzicht sein, sondern muss eine sichere, wirtschaftliche, realisierbare und immer nachhaltiger werdende Energieversorgung sein. Baselland Business 57

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