SCHWEIZERISCHE 3. November 2023 Die Zeitung für KMU | Regionalbund | Standpunkt-Ausgabe Nr. 568 | 26. Jahrgang AZA 4133 Pratteln Post CH AG DIE MEINUNG Vorfreude auf die Berufsschau ROHNER-AREAL – Die Kontrollberichte der Arbeitsmarktkontrolle für das Baugewerbe AMKB zum Rückbau des Rohner-Areals in Pratteln liegen vor. Massive Vorwürfe bestätigt Von Christoph Buser, Direktor Wirtschaftskammer Baselland Die Berufsschau Baselland findet vom 15. bis 19. November 2023 zum ersten Mal in der St. Jakobs halle in Münchenstein statt. Zum 14. Mal präsentieren die Branchen- und Berufsverbände die Vielfalt der Berufe und laden Jugendliche, Eltern, Lehrpersonen und alle Interessierten ein, sich von der Schweizer Berufsbildung begeistern zu lassen. Die Verantwortlichen des Kompetenzzentrums Berufsbildung im Haus der Wirtschaft und auch die ausstellenden Berufsverbände und Branchen haben keinen Aufwand gescheut, um den Besucherinnen und Besuchern einen unvergesslichen Anlass zu ermöglichen. Dafür wurde das Konzept total erneuert. Die Projektplanung hat sich über eine Zeitspanne von mehr als einem Jahr erstreckt. Zu sehen sind erstmals über 80 Ausstellungsstände, die reine Standfläche beträgt mehr als 3300 Quadratmeter und die ganze Fläche mit Catering und Vorplätzen, auf denen die Berufsschau stattfindet, beträgt rund 7000 Quadratmeter. Auch das Rahmenprogramm der Berufsschau kann sich mehr als sehen lassen. Unter anderem gibt es einen Tag der Lernenden, der sich etwa an interessierte Lernende, Praxis ausbildner und Laufbahnverantwortliche richtet. Fragen und Anliegen der Auszubildenden stehen im Zentrum. Keynote-Speaker ist «Spiegel»- Bestsellerautor Rüdiger Maas. Das Echo auf die erste Baselbieter Lehrstellenmesse am Samstag, 18. November, ist ebenfalls riesig: Innert kürzester Zeit gab es 80 Anmeldungen. Zielgruppe der Berufsschau sind primär die Schülerinnen und Schüler; aber fast genauso wichtig sind die Eltern. Damit alle gut und umfassend über die Angebote informiert werden, wurde auch der Webauftritt komplett neu überarbeitet. Das Kompetenzzentrum Berufsbildung hat ausserdem zum zweiten Mal das Magazin «BL Skills» publiziert, wo nicht nur sämtliche Programmpunkte rund um die Berufsschau detailliert und ausführlich beschrieben werden, sondern auch eine Reihe spannender Hintergrundartikel, Reportagen und Serviceartikel rund um das Thema Berufsbildung zu lesen sind. Ich kann Ihnen die Lektüre nur empfehlen und freue mich, wenn Sie sich für die Berufsbildung engagieren und so mithelfen, unseren Werkplatz zu stärken. HEUTE IM STANDPUNKT 3 | TAG DER WIRTSCHAFT Der Golfprofi Benjamin Rusch ist Gast am VIP-Apéro. 4 | BERUFSSCHAU Noch 12 Tage bis zur Eröffnung der Berufsschau in der St. Jakobshalle. Die Rede war vom grössten Skandal der letzten 20 Jahre. Im Frühling 2021 wurde das ehemalige Rohner- Areal beim Prattler Bahnhof zurückgebaut. Die Arbeitsmarktkontrolle für das Baugewerbe AMKB hatte damals aufgrund von Kontrollen der federführenden Baufirma Gerritsen Group massive Verstösse gegen das Entsendegesetz vorgeworfen. Von 57-Stunden-Woche und 10 Franken Lohn war damals die Rede. Das bestätigt sich jetzt. Den Arbeitern aus Polen, Lettland und Litauen wurde nur ein Drittel des geschuldeten Lohns ausbezahlt. Der Verstoss beläuft sich auf sagenhafte 738 000 Schweizer Franken. Das ist nicht nur Betrug an den Arbeitern, sondern auch an der Wirtschaft. Schweizer Betriebe haben so bei der Vergabe von Aufträgen keine Chance. Geflecht von Sub-Unternehmen Es ist ein Geflecht von (osteuropäischen) Sub-Unternehmen, welche im Auftrag der Schweizer Niederlassung der niederländischen Gerritsen Group die Arbeiten vom Dezember 2020 bis im Juni 2021 ausführten. Zuständig ist die Paritätische Kommission für den Gesamtarbeitsvertrag für das Metallgewerbe Nordwestschweiz. Diese hat die AMKB beauftragt, die Kontrollen durchzuführen. Im Fokus der Untersuchung standen vier Firmen, die mindestens 87 Arbeiter auf der Baustelle einsetzten. Diese wären im Rahmen der Kontrolle verpflichtet, diverse Unterlagen zuhanden der AMKB einzureichen. Dabei handelt es sich um von den Arbeitern unterzeichnete Arbeitsrapporte, eine Selbstdeklaration des Arbeitgebers, Arbeitsverträge, Lohnabrechnungen, Belege für die Lohnzahlung und die Bezahlung der Übernachtung sowie der Verpflegung. Fazit: Keines der vier Unternehmen hat die Unterlagen vollständig eingereicht. Was bei der Auflistung der eingereichten Unterlagen auffällt ist, dass exakt null Arbeitsrapporte eingegangen sind. DAS WAR GESCHEHEN Löhne von weniger als 8 Euro pro Stunde; Arbeitszeiten, die deutlich über das Zulässige hinausgehen; Verstösse gegen Sicherheits- und Quarantänebestimmungen – die Missstände, die die Arbeitsmarktkontrolle für das Baugewerbe (AMKB) im Frühling 2021 auf der Prattler Rohner-Baustelle festgestellt hat, sind massiv. Betroffen waren bis zu 130 Arbeiter, die für einen Einsatz in Pratteln gemeldet waren und in Polen, Litauen und Lettland angeworben wurden. Die Firmen seien Teile eines undurchsichtigen Geflechts von Firmen in Osteuropa, welchen vorgeworfen wurde, die arbeitsrechtlichen Bestimmungen in der Schweiz systematisch zu unterwandern. Mittwoch, 28. April 2021. Die Arbeiter verlassen die Baustelle um 18:32 Uhr: Anhand solcher Fotobeweise können Falschangaben in Rapporten widerlegt werden. Und dass eine Firma überhaupt keine Unterlagen eingereicht hat. Das ist in solchen Fällen leider nichts Aussergewöhnliches und ein ganz klarer Verstoss gegen die Mitwirkungspflicht. Aber das ist angesichts der Schwere anderer Vorwürfe ein Nebenschauplatz. 10-Stunden-Tage waren die Regel Eine zentrale Frage, welche gemäss Kontrollbericht untersucht wurde, ist die Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden auf der Prattler Baustelle. Die Gerritsen Group hat alle Vorwürfe immer bestritten und gegenüber der BaZ vom 12. Mai 2021 gesagt, «die Gerritsen-Mitarbeiter sowie die Mitarbeiter der Schwesterfirmen und die Leiharbeiter würden nachweislich rund 45 Stunden pro Woche arbeiten». Abgesehen davon, dass der Einsatz von Leiharbeitern gegen das Entsendegesetz verstösst, scheint die 45-Stunden-Behauptung falsch zu sein. Aufgrund von Beobachtungen und Befragungen der Arbeiter kommt der Kontrollbericht zum Schluss, dass vielmehr ein 10-Stunden-Tag die Regel war. Plus 5 bis 7 Arbeitsstunden Auf dem ehemaligen Rohner-Areal wurden 2021 intensive Rückbauarbeiten vollzogen. Metallbauteile wurden demontiert und später in England wieder aufgebaut. Die Arbeiten stellten durchaus erhöhte Anforderungen an die Fähigkeiten der Arbeiter und deren Sicherheit, wie im Standpunkt vom 12. Mai 2021 zu lesen war. Die Osteuropäer unterschrieben bei der Abfahrt in ihren Heimatländern Verträge, in denen zum Schein alles korrekt sei, erhielten jedoch keine Kopien. Im aktuellen Fall seien die Arbeiter in einem Hotel in Grenznähe in Süddeutschland untergebracht, versorgten sich dort selbst und wurden täglich mit Kleinbussen auf die Baustelle gefahren. am Samstag, und schliesslich vereinzelt auch an Sonn- und Feiertagen. Damit wurde schliesslich 50 bis 60 Stunden pro Woche gearbeitet. Die beschuldigten Firmen haben im Rahmen der Untersuchung Listen eingereicht, auf denen die Anzahl der täglichen Arbeitsstunden festgehalten sind. In den Kontrollberichten, in die der Standpunkt Einblick hatte, wird deutlich, dass die AMKB diese Listen nicht als glaubwürdig betrachtet. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass hier von hinten nach vorne gerechnet wurde. Heisst: Man habe den ausbezahlten Lohn der Arbeiter genommen und durch den Arbeitsstundenansatz von 25 Euro gerechnet. Das ergibt dann die Anzahl der Arbeitsstunden, die in den Listen erscheint. Obwohl die Arbeiter sich 11 bis 12 Stunden auf der Baustelle aufgehalten haben, sind in der Zeiterfassung des Arbeitgebers 4-, 5-, 6- und 7-Stunden-Tage verzeichnet, vereinzelt auch mal 0-Stunden-Tage. Das widerspricht auch völlig den Beobachtungen und Kontrollen, welche die AMKB während der Bauarbeiten gemacht hat. Und den Aussagen der Faktisch verstosse das angewandte Modell gegen das Verbot ausländischer Arbeitsvermittler in der Schweiz – und natürlich gegen zahlreiche Bestimmungen, die Schweizer Unternehmer im Rahmen eines Gesamtarbeitsvertrages im Metallgewerbe einzuhalten hätten, insbesondere den Mindestlohn, die Arbeitszeiten mit Pausen und die Spesenvergütung, wurde damals festgehalten. Das ehemalige Rohner-Areal gehört der Basler Immobilienfirma Hiag Immobilien Holding AG. Diese hatte die gesamte Produktionsanlage samt Gebäude an eine international tätige Chemiefirma in England verkauft. Auf dem Grundstück soll in den nächsten Jahren ein neuer Ortsteil entstehen. ph Bild: zVg Arbeiter. Deshalb geht die Paritätische Kommission von 10 Stunden pro Arbeitstag aus. Hinzu kommen Ausgaben für die Entsendeentschädigung wie Übernachtung, Verpflegung sowie Soll-Lohn inklusive Zuschläge gemäss GAV. Gemäss den Kontrollberichten wurde ein Verstoss mit einer Gesamtsumme von 738 741.51 Franken errechnet, um welche die Arbeiter betrogen worden seien. Die 87 Arbeiter haben im Durchschnitt nur 9 Franken pro Stunde erhalten. Gesamthaft erhielt jeder Arbeiter im Durchschnitt 4086.20 Schweizer Franken ausbezahlt. Der Anspruch liegt dreimal so hoch. Das heisst jedem der 87 Arbeiter wird im Durchschnitt ein Betrag von 8491.28 geschuldet. Gleich lange Spiesse Mit solchen Machenschaften werden nicht nur die Arbeiter betrogen, sondern auch die Schweizer Wirtschaft. Denn der Bauwirtschaft entgehen auf unlautere Art und Weise Aufträge. Darum setzt sich die Wirtschaftskammer Baselland für ein griffiges Kontrollsystem der Gesamtarbeitsverträge ein, das gleich lange Spiesse für das Schweizer Gewerbe sicherstellt. Mit den Gewerkschaften zusammen ist die Wirtschaftskammer Trägerin der Arbeitsmarktkontrolle für das Baugewerbe in der Nordwestschweiz. Wie geht es weiter? Den drei Unternehmen, welche die Unterlagen eingereicht haben, wird rechtliches Gehör gewährt. Der Firma, die keine Unterlagen eingereicht hat, wird nochmals eine Frist eingeräumt, um die Unterlagen nachzuliefern. Im Januar 2024 sollen dann die definitiven Kontrollberichte vorliegen. Dann wird die Paritätische Kommission über Konventionalstrafen entscheiden und beim Kanton Basel- Landschaft eine Dienstleistungssperre beantragen. Patrick Herr Seite 2
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