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Standpunkt 510, 23. Oktober 2020

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2 | Standpunkt der Wirtschaft ZUBRINGER ALLSCHWIL 23. Oktober 2020 BACHGRABEN – Mit dem Bau des Zubringers Allschwil kann gemäss Baselbieter Regierung frühestens 2027 begonnen werden. Für den Life-Science-Standort Bachgraben und den vom Durchgangsverkehr geplagten Allschwiler Dorfkern sind das schlechte Nachrichten. Bau der Entlastungsstrasse verzögert sich Nun ist es amtlich. Der Baubeginn des so dringend benötigten Zubringers Bachgraben (ZUBA), der einerseits den Dorfkern von Allschwil entlasten und andererseits das neue Entwicklungsquartier Bachgraben erschliessen soll, wird sich nach Ansicht der Baselbieter Regierung um mindestens drei Jahre bis 2027 verzögern. Dies wurde bei der Präsentation des Kantonsbudgets 2021 im September bekannt und von der Regierung vergangene Woche in der Beantwortung einer Interpellation von CVP-Landrat Felix Keller bestätigt. Erst im letzten Juli – über ein Jahr nach der Präsentation eines Vorprojekts – fanden erste Verhandlungen mit den französischen Behörden zur Klärung der Randbedingungen statt. Dazu stellt sich die Problematik, dass der baselstädtische Grosse Rat Motionen zur zwingenden Parallelität von flankierenden Massnahmen und der Tramerschliessung Bachgraben überwiesen hat. Um die verschiedenen Verkehrsprojekte aufeinander abzustimmen, wurde die Arbeitsgruppe «Koordination Verkehrsanbindung Bachgraben» (Koba) eingesetzt. «FÜR DIE BEDEUTENDEN FIRMEN, DIE SICH IN DER LIFE-SCIENCE- HOCHBURG, GENANNT «SILICON MILE», NIEDER- LASSEN WOLLEN, SIND DAS SCHLECHTE PERSPEKTIVEN.» Die Rue de Bâle verläuft auf französischem Gebiet. Die Entwicklung des Gewerbegebiets Bachgraben ist bereits voll im Gang. Bild: Herr In der Interpellationsantwort definiert die Baselbieter Regierung, dass sie bis Ende 2020 Absichtserklärungen mit Frankreich und Basel- Stadt vorliegen haben will und im ersten Quartal 2021 eine Landratsvorlage zur Finanzierung und Genehmigung des generellen Bauprojekts ZUBA präsentieren wird. Sie geht davon aus, dass das Tramprojekt des Kantons Basel- Stadt erst in der fünften Generation des Agglomerationsprogramms (2028–2031) und damit nach Abschluss des ZUBA realisiert wird. Verschlechterte Perspektiven Für die bedeutenden Firmen, die sich in der Life-Science-Hochburg im Bachgrabengebiet, genannt «Silicon Mile», niederlassen wollen, sind das schlechte Perspektiven. Denn dort hatte man sich auf den noch im letzten Jahr kommunizierten Baubeginn im Jahr 2024 eingerichtet. Auch der jüngste Entscheid des Allschwiler Einwohnerrats, im Rahmen des Quartierplans und Mobilitätskonzeptes der Firma Idorsia, die einen Neubau realisieren möchte, ist ein schlechtes Signal. Der Einwohnerrat möchte den Anteil des motorisierten Individualverkehrs bis 2030 auf 30 Prozent reduzieren – eine illusorische Vorstellung. Wertschöpfungsstarke Unternehmen brauchen gute Verkehrsanbindungen und Perspektiven. Staatliche Streitigkeiten, Verzögerungen und Planungsunsicherheit sind ernstzunehmende Faktoren, die einen Standort bedrohen. Wenn das Bachgrabenquartier erfolgreich weiterentwickelt werden soll, muss Einigkeit und Sicherheit seitens der Behörden demonstriert werden. Die Entwicklungsquartiere sind für den Kanton So ist der Zubringer Bachgraben-Allschwil (Stand Juni 2019) geplant: das Bachgrabengebiet wird zunächst entlang der Rue de Bâle offen geführt und danach über einen Tunnel an die Nordtangente (A3; ganz rechts) angeschlossen. . Grafik: zVg/BUD Baselland Basel-Landschaft gerade auch finanziell von immenser Bedeutung. Fragwürdiger «Sachplan Verkehr» Auch auf Bundesebene scheint man neuerdings das Pferd von hinten aufzäumen zu wollen. So heisst es im «Sachplan Verkehr», der die Entwicklung der schweizerischen Regionen bis 2050 in Mobilität und Raum definiert, wörtlich: «Im Metropolitanraum Basel ist die Siedlungsentwicklung auf die Kapazität der Verkehrsinfrastruktur abzustimmen.» Müsste es nicht umgekehrt sein? Die Gemeinde Allschwil hat mit ihrer Medienmitteilung vom vergangenen 29. September klargemacht, dass sie eine Verzögerung in der Realisierung des ZUBA nicht hinnehmen wird. Die Regierung macht hier indes wenig Hoffnung: «Dadurch, dass die BUD die unterschiedlichen Prozesse und Bewilligungsverfahren nicht selbst in der Hand hat, sind keine Beschleunigungen möglich», schreibt sie lapidar. Widerspruch zur HLS-Initiative Dies ist auch vor dem Hintergrund, dass mit der deutlichen Annahme der HLS-Initiative «zum Ausbau des Hochleistungsstrassennetzes» im vergangenen September ein klares Signal der Bevölkerung für Entlastung und Ausbau von intelligenten Umfahrungsmöglichkeiten gesendet wurde, unverständlich. Dem Wunsch der Bevölkerung muss entsprochen und der überfällige Zubringer Allschwil schnellstmöglich realisiert werden. Birgit Kron und Daniel Schaub 5-PUNKTE-PLAN BLEIBT AKTUELL Schon 2013 haben FDP-Landrat Christof Hiltmann und Wirtschaftskammerdirektor Christoph Buser einen 5-Punkte-Plan zur Entlastung der angespannten Verkehrssituation in der Region Basel präsentiert. Eine der Forderungen ist seit kurzer Zeit umgesetzt. Das Bundesamt für Strassen (Astra) hat mit dem Regierungspräsidium Freiburg die Ausweichroute über die A98 über die Zollbrücke in Rheinfelden nach Weil am Rhein/Basel offizialisiert. Automatische Reisezeitanzeigen an A2 und A3 auf Schweizer und an der A5 auf deutscher Seite sollen den Verkehrsfluss auf den viel befahrenen Autobahnen im Grenzgebiet stabilisieren und Stausituationen reduzieren. Auf gutem Weg war auch eine zweite Forderung aus dem 5-Punkte-Plan, die Nutzung der Pannenstreifen auf dem Autobahnabschnitt A2/A3 zwischen Augst und der Hagnau. Das Projekt für den Abschnitt von Rheinfelden Ost bis Liestal verzögert sich jedoch aufgrund einer Beschwerde des VCS. Die Entlastung der A2-Anrainer-Gemeinden ist eines der konkreten Ziele des 5-Punkte-Plans, der an Aktualität nichts verloren hat. Dazu gehört auch der Wunsch nach einer Umfahrung der Gemeinden Augst und Kaiseraugst als Ost-Anschluss an den neuen Kreisel «Frenkendörferstrasse» der verlegten Kantonsstrasse «Rauricastrasse». ds

23. Oktober 2020 ZUBRINGER ALLSCHWIL Standpunkt der Wirtschaft | 3 GEMEINDE ALLSCHWIL – Der Allschwiler Gemeinderat will einen um drei Jahre verzögerten Baubeginn für den Zubringer Allschwil nicht einfach so hinnehmen. Gemeindepräsidentin Nicole Nüssli sagt im Interview, wieso das Projekt so wichtig ist. «Allschwil will Verkehr aus Quartieren nehmen» Im Gewerbe gebiet am Allschwiler Hegenheimermattweg sind bereits 4000 Arbeitsplätze mit hoher Wertschöpfung entstanden. Weitere 6000 könnten folgen. Um das Potenzial zu nutzen, brauche es eine gute Verkehrsanbindung, sagt Nicole Nüssli, Gemeindepräsidentin von Allschwil. Standpunkt: Frau Nüssli, der Baubeginn des Zubringers Bachgraben (ZUBA) wird sich, gemäss Kantonsregierung Basel-Landschaft, um drei Jahre verschieben. Der Gemeinderat Allschwil hat bereits in einer Medienmitteilung verlauten lassen, dass er die Verzögerung nicht einfach so hinnehmen will. Warum ist der ZUBA von solch grosser Bedeutung für die Gemeinde Allschwil? deutung, sondern auch für den Kanton Basel-Landschaft. Deswegen gilt dieses Gewerbegebiet auch als Gewerbegebiet von kantonaler Bedeutung. Daran hat sich die Baselbieter Bau- und Umweltschutzdirektion zu orientieren und alles daran zu setzen, dass die Entwicklung dieses Arbeitsplatzgebietes nicht gedämpft wird. «DIE ALLSCHWILERINNEN UND ALLSCHWILER WOLLEN, DASS DER VERKEHR UM UNSER DORF HERUMGEFÜHRT WIRD.» «DAS GEBIET BACHGRABEN IST NICHT NUR FÜR ALLSCHWIL VON GROSSER BEDEUTUNG, SONDERN AUCH FÜR DEN KANTON.» Nicole Nüssli: Die Gemeinde Allschwil verfügt mit dem Gewerbegebiet am Hegenheimermattweg über ein Gebiet mit grossem Entwicklungspotenzial. Im Moment befinden sich dort bereits zirka 4000 Arbeitsplätze mit einer hohen Wertschöpfung. Das Gebiet hat aber noch Platz für weitere zirka 6000 Arbeitsplätze. Dieses Potenzial gilt es zu nutzen. Dafür brauchen wir aber eine gute Verkehrsanbindung an das übergeordnete Strassennetz und vor Nicole Nüssli, Gemeindepräsidentin von Allschwil. allem eine Möglichkeit, die Quartiere vom Durchgangsverkehr zu entlasten. Genau dafür muss der ZUBA gebaut werden. Die Bau- und Umweltschutzdirektion (BUD) hat jüngst verlauten lassen, dass ein Baubeginn 2024 ohnehin illusorisch gewesen sei. Gleichzeitig bezeichnete sie einen «runden Tisch», wie von Allschwil gefordert, als «kontraproduktiv». Wurden Sie und der Gemeinderat Allschwil über den Stand der Dinge stets auf dem Laufenden gehalten? Nein, über den konkreten Stand der Verhandlungen wurden wir nicht informiert und kennen diesen im Übrigen bis heute nicht detailliert. Wir wurden einzig in Kenntnis gesetzt, dass der Baubeginn des ZUBA nicht wie vorgesehen 2024 erfolgen kann, und dass im aktuellen Terminprogramm ZUBA von einem möglichen Baubeginn im Jahr 2027 ausgegangen wird. Dies, weil «die Abklärungen mit den Projektbeteiligten einen Bild: zVg intensiveren und länger dauernden Prozess benötigen». Das Bachgrabenquartier wird zu einem neuen und modernen Entwicklungsgebiet, das für Gemeinde und Kanton von grosser Bedeutung ist. Wird dies, in Ihren Augen, von der Bau- und Umweltschutzdirektion unterschätzt? Wie Sie richtig festhalten, das Bachgrabengebiet ist nicht nur für die Gemeinde Allschwil von grosser Be- Sie haben in der Medienmitteilung eine Brücke geschlagen zum deutlichen Abstimmungsergebnis zur HLS-Initiative «zum Ausbau des Hochleistungsstrassennetzes». Die BUD sieht hier, laut Medienberichten, keinen unmittelbaren Zusammenhang. Als Gemeindevertreterin sind Sie direkt am Puls der Einwohnerinnen und Einwohner. Hat Allschwil den unkontrollierten Durchgangsverkehr und die Verkehrsüberlastung satt? Das Abstimmungsresultat für den Ausbau des Hochleistungsstrassennetzes zeigt aus meiner Sicht klar, was ich immer wieder höre: Die Allschwilerinnen und Allschwiler wollen den Verkehr aus den Quartieren nehmen und sie wollen, dass der Verkehr um unser Dorf herumgeführt wird. Genau deswegen soll auch der ZUBA gebaut werden. Hier keinen Zusammenhang zu sehen, ist unverständlich. Interview: Birgit Kron IG UMFAHRUNGSSTRASSE ALLSCHWIL – Die Meldung, dass sich der Baubeginn für den Zubringer Allschwil bis 2027 verzögern wird, hat die «IG Umfahrungsstrasse Allschwil» überrascht, sagt deren Präsident Felix Keller. Er will, dass alle am gleichen Strick ziehen. «Diese Verzögerung ist erklärungsbedürftig» Die «IG Umfahrungsstrasse Allschwil» könne nach der vom Kanton Basel-Landschaft angekündigten Verzögerung des Baubeginns für den Zubringer Allschwil (ZUBA) nicht einfach so zur Tagesordnung übergehen, sagt IG-Präsident Felix Keller. Standpunkt: Herr Keller, der Kanton Basel-Landschaft hat gemeldet, dass sich der Baubeginn für den Zubringer Allschwil Bachgraben bis 2027 verzögert. Die Gemeinde Allschwil hat in einer Mitteilung festgehalten, dass sie die Verzögerung so nicht akzeptieren will. Was meint die «IG Umfahrungsstrasse Allschwil»? Felix Keller: Die Meldung der Verschiebung des Baubeginns hat uns überrascht. Wir waren stets dahingehend informiert und gingen auch davon aus, dass 2024 realistisch sei. Wir können dies nicht einfach so zur Kenntnis nehmen und zur Tagesordnung übergehen. Diese Verzögerung ist erklärungsbedürftig. Zusammen mit dem Gemeinderat Allschwil fordern wir eine Aussprache mit der Baselbieter Baudirektion. Warum sind der Zubringer und die ganze Umfahrungsstrasse so dringend nötig? Das linksufrige Bachgrabengebiet ist im kantonalen Richtplan als Arbeitsgebiet von kantonaler Bedeutung eingetragen. Wer die Situation vor Ort kennt, weiss, dass heute dort die Post abgeht. Seit der Ansiedlung der Firma Actelion sind namhafte und internationale Unternehmen nachgezogen. Interessante Arbeitsplätze sind dort in naher Zukunft am Entstehen. «WIR FORDERN EINE AUSSPRACHE MIT DER BASELBIETER BAUDIREKTION.» Die direkte Anbindung an die Nordtangente ist schon lange dringend. Das Projekt des Zubringers war bereits Bestandteil bei der Planung der Nordtangente. Leider hat es damals Basel-Stadt verpasst, diesen direkten Zubringer realisieren und so die Hegenheimerstrasse und den Luzernerring vom Durchgangsverkehr zu entlasten. Aber auch das Gewerbegebiet entlang der Binningerstrasse wird sich weiter entwickeln. Darum muss dieses Gebiet mittelfristig ebenfalls neu erschlossen werden, damit die Felix Keller, CVP-Landrat und Präsident der IG Umfahrungsstrasse Allschwil. Bild: zVg Quartierstrassen in Allschwil entlastet werden. Darum braucht es die ganze Umfahrungsstrasse. Das Bachgrabenquartier wächst und gedeiht. Sehen Sie diese Entwicklung durch die zögerliche Verkehrspolitik des Kantons Basel-Landschaft in Gefahr? Diese Gefahr besteht, wenn nicht das Bachgrabengebiet besser erschlossen wird. Es braucht den Zubringer, damit der Hegenheimermattweg entlastet und das Tram vom Bahnhof St. Johann her eingeführt werden kann. Nur so sind dort die Arbeitsplätze langfristig gesichert, denn sie müssen auch gut erreichbar sein. Als diplomierter Bauingenieur sind Sie Fachexperte, wenn es um Raumplanungs- und Verkehrsfragen geht. Was muss besser gemacht werden? Die grosse Herausforderung sind die vielen Player, die bei diesem Projekt ins Boot geholt werden müssen. Da müssen sich zwei Kantone und zwei Länder zusammenraufen, und es «IG UMFAHRUNGSSTRASSE» Das Baselbieter Stimmvolk hat im März 2015 mit grossem Mehr dem Bau der Umfahrungsstrasse Allschwil zugestimmt. Die «IG Umfahrungsstrasse Allschwil», der Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft und Politik angehören, erachtet es als ihre Aufgabe, das Projekt dahingehend zu begleiten, dass es damit nun zügig vorangeht. Das Projekt solle nicht verzögert oder gar schubladisiert werden, sagt IG- Präsident Felix Keller. bk braucht jemand, der die Zügel nicht loslässt. Ich erwarte, dass dieses Projekt – wie von Regierungsrat Isaac Reber bei seiner Departementsübernahme angekündigt – mit höchster Priorität weiter bearbeitet und baldmöglichst zur Baureife gebracht wird. Wie kann der Prozess beschleunigt werden? Indem alle Player überzeugt werden, dass dieses Projekt keine weitere Bauverzögerung verträgt und alle am gleichen Strick ziehen. Interview: Birgit Kron

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