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Standpunkt 506, 14. August 2020

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Eine Publikation der Wirtschaftskammer Baselland

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6 | Standpunkt der Wirtschaft CORONAVIRUS 14. August 2020 «Man lernt, kleinere Brötchen zu backen» FORTURA AG – Die im Import und Handel mit Spiel- und Süsswaren sowie mit Party- und Geschenkartikeln tätige Fortura AG rechnet dieses Jahr mit bis zu 90 Prozent weniger Umsatz. Massive Umsatzeinbrüche Peter Stäubli, Geschäftsführer b.t.boutique für bild und ton ag in Giebenach. Die Tätigkeit der b.t.boutique für bild und ton ag teilt sich hälftig auf den Event-Bereich und jenen der Festinstallationen auf. «Seit der Absage der Basler Fasnacht und dem behördlich verfügten Lockdown ist der Eventbereich bei Null», sagt Geschäftsführer Peter Stäubli. Vereinzelt wurden die technischen Dienstleistungen des Giebenacher Veranstaltungs-Profis für Live-Streams von Firmen oder Vereinen in Anspruch genommen. Vorsorglich hat man den Betrieb für Kurzarbeit angemeldet, und der Covid-Kredit wurde ebenfalls organisiert. Vom fünfköpfigen Team musste bislang nur ein Mitarbeiter im Eventbereich auf Kurzarbeit gesetzt werden. Und der Covidkredit blieb bis dato zum Glück unbenutzt. «Hauptsache, er steht zur Verfügung, wenn wir ihn dann doch noch brauchen.» Im Vergleich mit dem vergangenen Jahr rechnet Peter Stäubli mit einem Umsatzeinbruch von 80 Prozent. Mit Festinstallationen und neuen Geschäftsmodellen – wie zum Beispiel dem technischen Support bei Live-Streams – könne man sich im Moment noch einigermassen über Wasser halten. Man habe gelernt, kleinere Brötchen zu backen. «Wichig ist, dass wir überhaupt noch Brötchen backen können», sagt Stäubli. Seiner Einschätzung nach wird seine Branche auch im kommenden Jahre zum Teil massiv mit den Corona-Nachwirkungen zu kämpfen haben. «Wir müssen uns an ein Leben mit Corona gewöhnen.» Marcel W. Buess «Wir hängen total in der Luft» Pietro Papini (links), CEO der Fortura AG, mit Sohn und Geschäftsleitungsmitglied Roberto Papini. Die in Zunzgen domizilierte und 1929 gegründete Fortura AG ist ein klassisches Familienunternehmen und wird heute von den Neffen des Firmengründers Otto Fortura, Pietro und Stefano Papini, geführt. Roberto Papini, der Sohn von CEO Pietro Papini, ist ebenfalls Mitglied der Geschäftsleitung. Das Kerngeschäft besteht im Import und Handel mit Spiel- und Süsswaren sowie mit Party- und Geschenkartikeln. Beschäftigt werden aktuell 74 Mitarbeitende – vor Corona waren es noch 89. Seit dem März 2020 wurden Abgänge coronabedingt nicht mehr ersetzt. Ebenfalls musste inzwischen auf die Weiterbeschäftigung von Temporärmitarbeitenden verzichtet werden. 30 Tonnen Confetti nicht verkauft Nach der Absage der Fasnacht – die Firma blieb auf rund 30 Tonnen Confetti sitzen – und der Verhängung des Lockdowns sind die Umsätze bei der Fortura dramatisch eingebrochen. Gegenüber dem Vorjahr könnte der Grosshandel je nach Entwicklung bis Ende 2020 bis zu 80 Prozent einbrechen, im Detailhandel sogar bis zu 90 Prozent. Nach der Absage von Märkten, Dorffesten und Chilbi- Anlässen beziehen Marktfahrer und Schausteller keine Süsswaren, Spielzeuge, Plüschtiere oder Schiessbudenartikel mehr. Die Lager der Fortura AG sind voll und warten auf Abnehmer. Hinzu kommt, dass viele Grosshandelskunden aufgrund wegbleibender Umsätze früher bezogene Ware nicht bezahlen können. Und nachdem Geburtstags- oder Firmenfeste abgesagt und Hochzeiten verschoben werden mussten, fehlen auch Umsätze bei Bilder: mwb der im Detailhandel tätigen Tochterfirma WOP (World of Party). Online: Markante Zunahme Immerhin nahm das Online-Geschäft von März bis Mai markant zu. Doch die Einbrüche im Direkthandel können damit nicht kompensiert werden. Sollten nicht bald weitere Lockerungen folgen und wieder Grossveranstaltungen wie Märkte und Chilbis stattfinden, sieht Pietro Papini nicht nur für seinen Betrieb, sondern vor allem für viele seiner Kunden tiefschwarz. Marcel W. Buess Toni Scherrer, CEO AudioRent Clair AG in Aesch. Als ausgewiesener Dienstleister für Events und Grossveranstaltungen ist die in Aesch beheimatete AudioRent Clair AG seit vielen Jahren mit grossem Erfolg weltweit tätig. Je nach Berechnungsart werden jährlich zwischen 350 und 1000 Veranstaltungen betreut. Dazu gehören auch mehrwöchige Tourneen von renommierten Künstlern und Musikern. In den ersten beiden Monaten dieses Jahres konnten noch einige wenige Aufträge ausgeführt werden. Seit dem 28. Februar steht der Betrieb praktisch still. «Bis Ende Jahr sind noch zwei Jobs offen, ob sie durchgeführt werden können, wissen wir nicht», sagt CEO Toni Scherrer. Im Vergleich mit den Vorjahren rechnet er mit einem Umsatzausfall von mindestens 90 Prozent, was schliesslich einem Fehlbetrag in siebenstelliger Höhe entsprechen wird. Die 63 Festangestellten befinden sich seit Anfang März in Kurzarbeit. Dank des Covid-Kredits konnte die Firma den laufenden Betriebskosten bislang nachkommen. Die Branche habe schon verschiedentlich Krisensituationen durchstehen müssen. Toni Scherrer erinnert an 9/11 oder den Irak-Krieg. Doch eine so schlimme Situation wie jetzt habe er bisher noch nicht erlebt. Mittlerweile sei es fünf Sekunden vor Zwölf. «Wir hängen total in der Luft», sagt Scherrer. Die Branche brauche dringend eine Perspektive, die gegenwärtig vorherrschende Negativspirale sei letztlich tödlich und müsse endlich durchbrochen werden. Marcel W. Buess EVENTIS AG – Geschäftsführer Martin Ditzler hofft auf Lockerung der 1000-er-Regel bei Anlässen. Eventbereich ist seit März tot Martin Ditzler, Geschäftsführer EVENTIS AG in Muttenz. Am 12. März wollte Martin Ditzler, Geschäftsführer der EVENTIS AG in Muttenz, an einer Medienkonferenz über eine «grosse Produktion» informieren. «Die Verhängung des Lockdowns war ein Schock für uns und unsere Partner. Der Rollladen wurde abrupt hinuntergezogen. Der Stecker wurde aus dem Projekt herausgezogen», sagt Martin Ditzler. Plötzlich standen Unsicherheiten und Zukunftsängste im Vordergrund, denn Martin Ditzler und seine vier Mitstreiterinnen und Mitstreiter in der EVENTIS AG generieren den Betriebsertrag zu 70 Prozent aus dem Bereich «Events und Kultur». Die restlichen 30 Prozent fallen auf den reinen Kommunikationsbereich. Sofort wurde der Betrieb auf Kurzarbeit gesetzt und der Antrag auf einen Covidkredit gestellt. Diesen erhielt die Firma postwendend, und er muss mittlerweile auch genutzt werden. Der Eventbereich ist seit März tot. Mit dem Solidaritätsprojekt «Unsere Künstler gegen die Krise» konnte Martin Ditzler in Zusammenarbeit mit Telebasel immerhin ein wichtiges Zeichen der Hoffnung setzen, doch verdienen konnte die EVENTIS damit nichts. Sollte der Bundesrat die 1000er- Regel im Verlauf des kommenden Herbstes aufheben, dann könnten eventuell ab Frühsommer 2021 wieder grosse Events stattfinden. Sollte dieser Entscheid aber erst Ende 2020 fallen, dann könne man das kommende Jahr praktisch vergessen. Zurückhaltende Sponsoren Martin Ditzler sieht zwei grosse Probleme: Einerseits sei es äusserst schwierig, innert nützlicher Frist genügend Sponsorgelder zu organisieren. Bei den potenziellen Geldgebern (zum Beispiel Banken, Versicherungen, Grossfirmen) herrsche eine grosse Zurückhaltung. Andererseits das Problem mit den Kosten. Wegen Schutzkonzepten und zusätzlichem Personalbedarf würden bereits heute mögliche Veranstaltungen bis zu 1000 Teilnehmende Mehrkosten von 30 bis 40 Prozent verursachen. Hier erwartet Martin Ditzler Kompensationen vom Staat, der die Einschränkungen verordne. Marcel W. Buess EICHE METZGEREI – «Es kommt nicht mehr so, wie es einmal war», sagt Geschäftsführer Karl Eiche. «Leben von unseren Reserven» Karl Eiche, Geschäftsführer Metzgerei Eiche in Allschwil. Die Eiche Metzgerei gehört zu den traditionellen Familienbetrieben unserer Region. Das Unternehmen besteht seit 1904 und wird heute in dritter Generation von Karl Eiche geführt. Produktion und Verwaltung befinden sich in Allschwil. Die Geschäftstätigkeit umfasst zu je einem Drittel die Bereiche Gastroservice inklusive Belieferung von Altersheimen und Spitälern, den Detailverkauf mit dem Eiche-Stand auf dem Basler Marktplatz und schliesslich die Abteilung Feste und Veranstaltungen. Der Betrieb beschäftigt 35 Festangestellte und 30 bis 40 Freelancer. Seit der Absage der Basler Fasnacht werden keine Freelancer mehr beschäftigt – schlicht aus dem Grund, weil keine Anlässe mehr stattfinden, an denen diese üblicherweise eingesetzt werden. Karl Eiche schätzt, dass dieser missliche Zustand bis Ende 2020 andauern wird. Den entgangenen Umsatz aufgrund des Lockdowns und des Wegfalls von Festen und Veranstaltungen beziffert Karl Eiche für das laufende Jahr mit rund 1,5 Millionen Franken. Der Detailverkauf auf dem Basler Marktplatz nahm ab dem vergangenen 1. Mai wieder Fahrt auf. Im Vergleich mit den Vorjahren rechnet Karl Eiche auch in diesem Segment mit einem Umsatzeinbruch von 20 bis 30 Prozent über das ganze 2020 gerechnet. Kurzarbeit angemeldet Auch die Metzgerei Eiche wurde für Kurzarbeit angemeldet. Während des Lockdowns musste der Betrieb auf 50 Prozent Kurzarbeit gesetzt werden. Die betroffenen Mitarbeitenden erhielten trotzdem ihren Lohn zu 100 Prozent. Und zu Entlassungen sei es auch nicht gekommen, betont Eiche. Solange als möglich will Eiche vom Covidkredit nicht Gebrauch machen. «Wir leben im Moment von unseren Reserven und können so zum Glück noch einige Zeit durchhalten.» Die Hoffnungen auf das kommende Jahr halten sich bei Eiche in sehr engen Grenzen. «Es kommt nicht mehr so, wie es einmal war», sagt er. Marcel W. Buess

14. August 2020 ENERGIEPOLITIK Standpunkt der Wirtschaft | 7 ENERGIEPAKET – Anwalt Christoph Jäger hat die Wirtschaftskammer bei der Beschwerde gegen den Vergabeentscheid des Basel bieter Kantonsgerichts erfolgreich vor Bundesgericht vertreten. Im Interview sagt er, wieso es nicht reicht, die alten Offerten zu aktualisieren. «Eine punktuelle Anpassung reicht nicht» Der Auftrag zur Bearbeitung der Fördergesuche im Rahmen des Baselbieter Energiepakets war 2018 zu einem Politikum geworden, als das Kantonsgericht Baselland die Vergabe behörde, die Bau- und Umweltschutzdirektion, für die Vergabe an die Wirtschaftskammer-Tochter IWF mit scharfen Worten gerügt und den Auftrag direkt einer Zürcher Konkurrentin namens Effienergie erteilt hatte. Die Kritik des Kantonsgerichts führte zu heftigen Reaktionen in der Regionalpresse, bis hin zu Mauschelei vorwürfen. Umso grösser fiel die Ernüchterung in diesen Kreisen aus, als das Bundesgericht im vergangenen Januar in einem aufsehenerregenden Urteil den Entscheid des Kantonsgerichts drehte und die Sache an die Vergabebehörde zur Neubeurteilung zurückwies, also «Zurück auf Feld 1» anordnete. Damit ist der Konflikt um die kantonale Energieförderung aber offenbar noch nicht ausgestanden. Die Auslegung des auf den ersten Blick klaren Entscheids des Bundesgerichts führte erneut zu Meinungsverschiedenheiten mit der Vergabebehörde. Diese hat nämlich die früheren Offerenten nur aufgefordert, in zwei Punkten (Preis, Schlüsselpersonal) mitzuteilen, ob sich in den letzten Jahren etwas Wesentliches verändert habe, will aber im Übrigen gestützt auf die alten Offerten aus dem Jahr 2017 entscheiden, die für das Vertragsjahr 2018 abgegeben worden waren. In der Zwischenzeit haben sich aber nicht nur auf Seiten der Anbieter die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verändert, auch der Vertragsgegenstand ist nicht mehr derselbe: Neue Fördergegenstände, z. B. Wärmepumpen, wurden ins Energiepaket aufgenommen, während andere Massnahmen wie Fenster ersatz nicht mehr gefördert werden. Schliesslich wollte sich die Vergabebehörde auch nicht festlegen, wofür genau offeriert werden soll, für das laufende Kalenderjahr, für 2021 oder gar für eine mehrjährige Vertragsperiode, nämlich bis zum Abschluss des aktuellen Energiepakets 2025. «DAS PROBLEM IST ALLERDINGS, DASS SICH WÄHREND DER DAUER DES BESCHWERDE- VERFAHRENS DIE VERHÄLTNISSE VERÄNDERT HABEN.» Standpunkt: Herr Jäger, Sie führen regelmässig Rechtsmittelverfahren gegen Submissionsentscheide, auch solche ans Bundesgericht. Kommt es im Submissionsrecht oft vor, dass das Bundes gericht einen Entscheid der letzten kantonalen Instanz aufhebt? Christoph Jäger: Das ist aus meiner Erfahrung selten. Schon die prozessualen Hürden dafür sind hoch. Der Zugang ans Bundesgericht ist im öffentlichen Beschaffungswesen stark eingeschränkt: Das Bundesgericht kümmert sich – vom Gesetz her gewollt – von vornherein nur um Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung oder um Verfassungsverletzungen. Dass die Bundesrichter in dieser Situation nicht nur auf eine Beschwerde eintreten, sondern diese auch noch ganz oder teilweise gutheissen, habe ich selber in einem Christoph Jäger ist Dozent für öffentliches Beschaffungswesen an der Universität Bern und vertritt als Anwalt regelmässig Gemeinwesen, Behörden, Unternehmen und Private in Submissionsverfahren. Er führte mit Rechtsanwalt Thomas Geiger als Vertreter der IWF AG die erfolgreiche Beschwerde ans Bundesgericht. Bild: zVg von mir betreuten Mandat im vorliegenden Fall zum ersten Mal erlebt. Das Bundesgericht ordnete in seinem Entscheid an, die Vergabebehörde habe eine Neubewertung der Angebote mit vollem Ermessen und unter Einbezug der nicht berücksichtigten Offerenten durchzuführen. Wie verstehen Sie das? Mit dieser Anordnung wurde der ursprüngliche Zuschlag des Kantons definitiv aufgehoben und das Vergabeverfahren des Kantons wird dadurch quasi «reaktiviert». Die Vergabebehörde muss an sich die damals eingegangenen, ausschreibungskonformen Offerten aller geeigneten Anbieter zwar im Lichte des Bundesgerichtsentscheids, aber ansonsten nach den ursprünglichen Zuschlagskriterien nochmals bewerten und den Zuschlag dem besten Angebot gemäss dieser Neubewertung erteilen. Das Problem ist allerdings, dass sich während der Dauer des Beschwerdeverfahrens die Verhältnisse verändert haben und der ausgeschriebene Auftragszeitraum 2018, optional auch 2019 war. Eine Neubeurteilung der bestehenden Angebote kann also nicht ohne Weiteres erfolgen. Reicht es, die früheren Offerenten in einzelnen Punkten zur Aktualisierung ihrer Angaben aufzufordern oder hätte die Vergabebehörde nicht vielmehr vollständig neue, auf die neuen Rahmenbedingungen ausgerichtete Angebote einholen müssen? Nach meiner Auffassung ist eine bloss punktuelle Anpassung der Offerten unter den gegebenen Umständen ausgeschlossen und reicht nicht. Die Vertragsjahre der ursprünglichen Ausschreibung sind längst abgelaufen, die Fördergesuche aus jener Zeit sind bearbeitet. Inzwischen haben sich die Rahmenbedingungen wesentlich verändert, gerade auch (aber nicht nur) aufgrund der Erkenntnisse des Beschwerdeverfahrens. Offenbar haben nämlich nicht alle Anbieter den Auftrag gleich verstanden, sodass sich die Leistungsangebote nicht unbedingt vergleichen lassen (Stichwort: «reine, administrative Gesuchsbearbeitung oder darüber hinaus auch gewisse Beratungsleistungen gegenüber den Gesuchstellern?»). Zudem haben sich inzwischen auch die Förderpraxis und die Vorgaben verändert. «ES IST NAHELIEGEND, DASS DIE ANGEBOTE AUS DEM JAHR 2017 NICHT MEHR GENAU DEN HEUTIGEN BEDARF ABDECKEN.» Kurz: Es ist naheliegend, dass die Angebote aus dem Jahr 2017 nicht mehr genau den heutigen Bedarf abdecken und sich ausserdem für die Kalkulation und das Leistungsangebot der Anbieter relevante Umstände erheblich verändert haben. Gleichzeitig ist unklar, ob alle ursprünglichen Anbieter nach wie vor am Auftrag interessiert sind und ob der damalige Wettbewerb noch der wirtschaftlich günstigsten Beschaffung entspricht. Allenfalls bietet der Markt heute preislich oder qualitativ bessere Angebote. Die Wirtschaftlichkeit – d.h. der effiziente Einsatz des Steuerfrankens – ist aber ein wichtiges Ziel des öffentlichen Beschaffungswesens. Sind die ursprünglichen Offerenten aus dem Jahr 2017 überhaupt noch an ihre damaligen Angebote gebunden? Nein. Die damalige Ausschreibung des Kantons verlangte, dass die Offerten während 6 Monaten ab Einreichung gültig sein müssen. Diese Frist ist längst abgelaufen. Angenommen, das damalige, in zwei Punkten aktualisierte Angebot sei bindend. Wissen die Offerenten überhaupt, auf welche(s) Vertragsjahr(e) sich ihr Angebot bezieht? Nein, das ist unklar. Mit der Auftragsausschreibung suchte der Kanton einen Dienstleister, welcher die För- dergesuche des Basler Energiepakets im Jahr 2018 bearbeitet. Zudem behielt er sich eine Verlängerung um ein Jahr als Option vor. In der Anfrage an die Anbieter nach dem Bundesgerichtsentscheid sagt der Kanton nicht, auf welches Vertragsjahr oder allenfalls auf welche Vertragsjahre sich die erneuerten Offerten beziehen müssen. Dies ist aber ein wesentliches Element für die Beschaffung und für die Anbieter, gerade auch für die Planung der personellen Kapazitäten. Bei einer mehrjährigen Vertragsdauer könnten die Anbieter überdies den Initialisierungsaufwand (Programmierung, Schulung etc.) über mehrere Jahre amortisieren und damit ihre Leistung tendenziell kostengünstiger offerieren. Wenn man eine Offerte abgibt, muss man normalerweise wissen, wofür genau. Ist dies im öffentlichen Vergaberecht anders? Nein, natürlich nicht. Die Ausschreibung muss verbindlich sagen, was und zu welchen Bedingungen die Anbieter offerieren müssen. Sie darf im Nachhinein auch nicht beliebig angepasst werden, sondern höchstens geringfügig, in untergeordneten Punkten. Wäre es denkbar, dass ein «neuer» Anbieter, der an der ersten Ausschreibung für das Vertragsjahr 2018 nicht teilgenommen hatte und entsprechend nun keine Möglichkeit hat, an der neuen Ausschreibung teilzunehmen, die neue Vergabe erfolgreich anfechten könnte? Ja, das ist denkbar. Das Festhalten am bisherigen Verfahren bzw. den bisherigen Offerten verwehrt einem neuen Anbieter den Marktzugang, d.h. die Chance auf den Auftrag des Kantons. Ist ein potenzieller, neuer Anbieter der Auffassung, dass aufgrund der Veränderungen eine neue Ausschreibung erforderlich ist und das ursprüngliche Vergabeverfahren abgebrochen werden muss, kann er Beschwerde führen, wobei die prozessualen Hürden natürlich nicht zu unterschätzen sind. Wie müsste die Behörde richtigerweise vorgehen, um zu verhindern, dass diese Ausschreibung nochmals zum Gegenstand langwieriger juristischer Auseinandersetzungen wird? Das Festhalten am Bestehenden birgt nach meiner Auffassung aus juristischer Sicht unter den gegebenen Umständen mehr Risiken als Chancen. Besser wäre es, das Verfahren abzubrechen und den Auftrag auf einer verbesserten Basis neu auszuschreiben. Welches Szenario ist zu erwarten, wenn die Bau- und Umweltschutzdirektion ungeachtet solcher Bedenken die Vergabe des Auftrags aufgrund der alten Ausschreibung und der alten Offerten durchdrückt? «ES IST UNGEWISS, OB DIE NUR PUNKTUELL ERNEUERTEN OFFERTEN ÜBERHAUPT NOCH DAS BESTE PREIS-LEISTUNGS- VERHÄLTNIS SPIEGELN.» Ein Risiko haben Sie bereits erwähnt: Dass sich zum Beispiel neue Anbieter um den Marktzugang gebracht fühlen und diesen erzwingen wollen. Noch naheliegender ist aber, dass einer oder mehrere Anbieter, die bereits am Verfahren beteiligt sind, den neuen Zuschlag wiederum nicht akzeptieren und anfechten. Abgesehen von solchen Prozessrisiken ist aber vor allem ungewiss, ob die nur punktuell erneuerten Offerten überhaupt noch das beste Preis-Leistungs-Verhältnis spiegeln. Mit dem Festhalten am Bestehenden bringt sich der Kanton womöglich um die Chance, dass er seinen (aktuellen) Bedarf – die Bearbeitung der Fördergesuche – zu besseren Konditionen hinsichtlich Preis oder Qualität decken könnte. Interview: Michael Köhn

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