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Standpunkt 503, 5. Juni 2020

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Eine Publikation der Wirtschaftskammer Baselland

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4 | Standpunkt der Wirtschaft CORONAVIRUS 5. Juni 2020 NACH DEM LOCKDOWN – Helferinnen und Helfer der von der Wirtschaftskammer ins Leben gerufenen Aktion «s Baselbiet schaffts» haben den Wirtinnen und Wirten, die am vergangenen 11. Mai ihre Restaurants nach dem Corona-Lockdown wieder öffnen durften, ein Starterpaket überreicht. Starterkit zur Wiedereröffnung LANDRAT Fragen zur Coronahilfe für Lehrbetriebe Die Baselbieter Regierung hebt per Ende Mai 2020 die Corona-bedingte Unterstützung für Lehrbetriebe auf. Dies hat der Regierungsrat an seiner Sitzung vom vergangenen 26. Mai beschlossen. Mit einer Interpellation möchte SVP-Landrätin Anita Biedert nun von der Regierung wissen, ob von Kurzarbeit betroffene Baselbieter Lernende – im Sinne der Jugendlichen – nicht über den 31. Mai 2020 hinaus auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind. Lehrstellen unter Druck Die Coronakrise stellt die Baselbieter Wirtschaft vor existenzielle Herausforderungen. Eine Corona-bedingte Rezession wird nicht abzuwenden sein. Fraglich ist nur noch das Ausmass der Rezession. Dies wird auch negative Auswirkungen auf die Berufsausbildung haben. Bereits jetzt geht eine Studie der Universitäten Zürich und Bern davon aus, dass in der Schweiz aufgrund der Coronakrise in den kommenden fünf Jahren bis zu 20 000 weniger Lehrverträge abgeschlossen werden (siehe Seite 2). Corona-Notverordnung I Aufgrund der Auswirkungen der Coronakrise hat der Regierungsrat am 24. März 2020 ein Massnahmenpaket zur Unterstützung der Baselbieter Unternehmen verabschiedet und die Massnahmen des Bundes subsidiär ergänzt. Im Rahmen der Corona-Notverordnung I hat die Regierung zum Schutz der Lernenden auch Beiträge für Lehrbetriebe beschlossen. Lehrbetriebe sollen so entlastet werden, damit sie bestehende Lehrverträge während der Dauer der Notlage aufrechterhalten können. Gemäss Verordnung erhalten Betriebe für jede Lernende und jeden Lernenden, die oder der zur Kurzarbeitszeitentschädigung berechtigt ist, einen Betrag von 450 Franken pro Monat. Mit der Aufhebung der Notverordnung fällt auch die Unterstützung der besagten Lehrbetriebe weg. Unterstützung weiterführen «Lounge 11» in Sissach. Am vergangenen 11. Mai durften die Restaurants in der ganzen Schweiz erstmals nach dem bundesrätlich verordneten Corona-Lockdown wieder Gäste empfangen. Helferinnen und Helfer der von der Wirtschaftskammer Baselland ins Leben gerufenen Aktion «s Baselbiet schaffts» haben den Gastronominnen und Gastronomen im Kanton Baselland ein Starterpaket überreicht. Dies enthielt unter anderem Schutzmasken, die auch im Webshop von «s Baselbiet schaffts» erhältlich sind. Beizen, die geöffnet sind Auf der Website von «s Baselbiet schaffts» findet sich auch die Rubrik «Het mini Beiz offe?». Dort erfahren Restaurantbesucherinnen und -besucher, ob ihre Lieblingsbeiz wieder geöffnet ist. Reto Anklin www.sbaselbiet-schaffts.ch Restaurant «Krone» in Schönenbuch. Confiserie Buchmann in Münchenstein. Bilder: zvg SVP-Landrätin Anita Biedert möchte nun konkret wissen, für wie viele Lernende bislang der besagte Betrag von 450 Franken pro Monat bezahlt wurde. Weiter soll geklärt werden, ob Lernende nach dem 31. Mai 2020 nicht mehr Corona-bedingt von Kurzarbeit betroffen sein werden. Ebenfalls soll die Regierung im Rahmen des Vorstosses prüfen, welche Kosten die Verlängerung der Unterstützung für entsprechende Lehrbetriebe um zwei Monate voraussichtlich nach sich ziehen würden und ob eine Verlängerung juristisch und mit überschaubarem Aufwand möglich wäre. Simon Dalhäuser LANDRAT Fragen zur Verwaltung im Homeoffice Die Coronakrise beschäftigt neben der Wirtschaft auch die kantonale Verwaltung. So musste sich die Kantonsverwaltung – wie auch viele Unternehmen – auf neue Arbeitsformen wie Homeoffice einstellen. Die Kantonsangestellten wurden aufgefordert, wenn immer möglich, von zu Hause aus zu arbeiten. Dies schien bei so vielen Kantonsangestellten möglich, dass der Kanton zum Ausgleich Angestellte, die am Arbeitsplatz erscheinen, pro Arbeitstag mit einer Zeitgutschrift von 30 Minuten entschädigt. Wurden die Aufgaben erfüllt? Restaurant «Ochsen» in Laufen. Restaurant «Sans Souci» in Allschwil. Mit einer Interpellation möchte FDP-Landrat Rolf Blatter nun von der Baselbieter Regierung wissen, wie der Regierungsrat die genannten 30 Minuten Zeitgutschrift für Staatsangestellte gegenüber Baselbieter Firmen begründet, die sich keine entsprechenden Gutschriften zugunsten der Mitarbeitenden leisten können. Weiter möchte der Landrat wissen, ob die Verwaltung trotz Homeoffice ihre Aufgaben im gewohnten Rahmen erfüllen konnte. Ebenfalls interessiert Blatter, ob die Kantonsangestellten die ganze Soll-Arbeitszeit aufschreiben können, auch wenn die tatsächlich geleistete Arbeitszeit – beispielsweise durch die Betreuung von Kindern – tiefer ist. Gemäss einem Merkblatt des Eidgenössischen Personalamtes soll dies Staatsangestellten nämlich möglich sein. Simon Dalhäuser

5. Juni 2020 CORONAVIRUS Standpunkt der Wirtschaft | 5 «Wir werden mit Neuanfragen überhäuft» SWISSTERMINAL – Wegen der Coronakrise sei der Güterverkehr mit Italien um 70 Prozent eingebrochen, sagt Roman Mayer, CEO von Swissterminal. Auch andere Verbindungen würden leiden. Italienverkehr ist eingebrochen e. Landrat Rolf Richterich, Geschäftsführer Poolprofi AG in Laufen. Die von e. Landrat Rolf Richterich, geführte Poolprofi AG beschäftigt sich schwergewichtig mit dem Bau von Schwimmbadanlagen für Privatkunden. Neben dem Hauptsitz in Laufen betreibt die Firma Filialen in Uster und in Oftringen. Trotz Corona-Pandemie waren Rolf Richterich und seine Mitarbeitenden in den vergangenen Wochen tätig – im Vordergrund standen vor allem Service- und Sanierungsarbeiten an bestehenden Anlagen. In den ersten drei Wochen des Lockdowns gingen sehr wenige Anfragen bezüglich Neuanlagen ein. «Dies hat sich eine Woche vor Ostern plötzlich geändert. Seither werden wir mit Neuanfragen überhäuft.» Den Grund sieht Richterich im schönen Wetter und in den nach wie vor unsicheren Aussichten für Badeferien. Offenbar wünschen sich viele Menschen eine Art Ersatzlösung und wollen sich zumindest ein Stück Badevergnügen im eigenen Garten sichern. Bereits haben solche Neuanfragen auch zu konkreten Aufträgen geführt. Ob und inwiefern die Coronakrise, welche noch nicht überstanden ist, sich negativ auf den diesjährigen Geschäftsgang auswirken wird, ist für Rolf Richterich noch offen. Vorsorglich wurde der gesamte Betrieb für Kurzarbeit angemeldet. Bislang musste davon aber noch nicht Gebrauch gemacht werden. Und im Sinne der Liquiditätssicherung wurden auch entsprechende Vorkehrungen getroffen. Die Poolprofi AG ist für den Fall der Fälle vorbereitet. Marcel W. Buess «Caumasee statt Mittelmeer» Der von einem Tag auf den anderen angeordnete Lockdown, war für Roman Mayer, CEO von Swissterminal, ein «Riesenschock». Die in Frenkendorf domizilierte Swissterminal AG gilt als Marktführerin für Containerterminal-Services in der Schweiz. Mit fünf Standorten verfügt der von Roman Mayer geführte Logistikdienstleister über schnelle Verbindungen in alle Himmelsrichtungen. Der Pandemiefall war und ist für Mayer nichts Spezielles. Er wirkt als ausgewiesener Logistiker in Gremien der schweizerischen Landesversorgung aktiv mit und war in dieser Funktion auch beteiligt an der Ausarbeitung von entsprechenden Notfallplanungen. Insofern war auch die Swissterminal AG auf die sich abzeichnende Corona-Pandemie vorbereitet. Dennoch war der von einem auf den anderen Tag angeordnete Lockdown für ihn ein «Riesenschock». «Die grössten Sorgen bereitete mir die Gesundheit und das Wohlergehen unserer Mitarbeitenden», sagt Roman Mayer. Die strikte Anwendung der BAG-Richtlinien ist seither bei der Swissterminal AG eine Selbstverständlichkeit. Als in vielen Branchen praktisch ein behördlich verordneter Stillstand herrschte, lief die Logistikbranche aufgrund der noch gefüllten Auftragsbücher der Industrie weiter. Roman Mayer ist überzeugt, dass die wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise – zum Beispiel fehlende, weil im Moment nicht finanzierbare Investitionen und Projekte – sich nun auch in den nächsten Monaten spürbar auf die Logistikbranche auswirken werden. Mayer erwartet, dass die Exporte erst im kommenden Herbst wieder richtig Fahrt aufnehmen werden. Bereits massiv ausgewirkt hat sich die Pandemie auf den Güterver- Bilder: mwb kehr mit Italien. Dieser sei bereits zu 70 Prozent eingebrochen. Eine positive Seite gewinnt Mayer dem Lockdown aber ab: «Endlich wurden technische Plattformen wie zum Beispiel Videokonferenzen genutzt, weil man eben nicht zu Besprechungen ins Ausland reisen konnte. Alles lief viel geplanter und letztlich auch effizienter.» Der Lockdown habe zu einer Beruhigung im Alltag und in den Abläufen geführt. «Man sparte Reisekosten und reduzierte damit sogar den CO 2 -Ausstoss.» Marcel W. Buess Christian Cuérel, Leiter Reisebüro «FerienInsel» in Allschwil. Christian Cuérel sieht schwarz für die schweizerische Reisebürobranche. Er befürchtet, dass es am Ende der gegenwärtigen Krise 20 bis 40 Prozent der kleinen und kleineren Reise büros nicht mehr geben wird. Vor elf Jahren bauten er und seine Frau die «FerienInsel»-Filiale in Allschwil der SwissExpress Reisebüro AG, Basel auf. In den letzten Wochen herrschte praktisch Stillstand, einzig zwei Umbuchungen wurden abgewickelt. Cuérel rechnet im Vergleich mit dem letzten Jahr mit einem Umsatzrückgang von gut 70 Prozent. Dank der Einbettung in eine schweizweit tätige Mutterfirma wird sein Filialbetrieb vermutlich mit einem dunkelblauen Auge davonkommen. Statt Badeferien am Mittelmeer oder Reisen in die Karibik werden für die bevorstehende Ferienzeit vor allem einheimische De stinationen angeboten – zum Beispiel Badeferien am Caumasee in Flims/Laax, Sommerplausch in der Region Arosa-Lenzerheide, Golfwoche in der Bündner Bergwelt oder Biketouren in der Ostschweiz. Welche Auslandsdestinationen demnächst wieder möglich sein werden, sei im Moment noch offen. Und ob man dann wirklich gewillt sei, ins Ausland zu verreisen, sei nochmals eine andere Frage. «Es wird ein sehr schwieriges Jahr für die Reisebranche – nicht nur in der Schweiz, sondern vor allem auch für die Veranstalter und Anbieter in den Feriendestinationen», sagt Cuérel. Marcel W. Buess SPIESS SCHUHE UND LIFESTYLE – «Das Frühlingsgeschäft fand nicht statt», sagt Dieter Spiess. «Kein Frühlingsgeschäft» Dieter Spiess, Inhaber Spiess Schuhe und Lifestyle in Gelterkinden. Während des achtwöchigen Lockdowns war das Schuh- und Lifestyle- Geschäft Spiess in Gelterkinden geschlossen. Die Aktivitäten verlagerten sich während dieser Zeit auf Facebook und Instagram. Die Mode- und Lifestyle-Beraterinnen von Dieter Spiess informierten dort laufend über aktuelle Trends. «Somit waren wir kontinuierlich im Kontakt mit unserer treuen Kundschaft», sagt Spiess. Auswahlpakete direkt nach Hause Auf Wunsch wurden Auswahlpakete zusammengestellt, versandt oder direkt nach Hause geliefert. Der Betrieb wurde zwangsläufig auf Kurzarbeit gesetzt, wobei die Löhne unverändert zu 100 Prozent ausbezahlt wurden. «Es war mir ein grosses Anliegen, dass meine Mitarbeiterinnen aufgrund dieser aussergewöhnlichen Situation keine Einbussen in Kauf nehmen mussten», sagt Dieter Spiess. dieses nicht selbstverständliche, aber soziale Engagement und die finanzielle Überbrückung des Lockdowns konnte Spiess dank vorhandener Reserven stemmen. Der während dieser acht Wochen des Stillstands nicht realisierte Umsatz kann nicht mehr aufgeholt werden. Die Bekleidungs- und Schuhbranche hängt sehr stark vom saisonalen Geschäft ab. «Dank Corona fand das Frühlingsgeschäft für uns schlicht nicht statt», sagt Spiess. Seit der Wiedereröffnung am vergangenen 11. Mai läuft das Geschäft wieder in erfreulichem Masse. Die Kundschaft sei froh, sich wieder vor Ort beraten lassen und direkt einkaufen zu können. Dieter Spiess ist mit der Umsatzentwicklung seit dem Lockdown- Ende zufrieden. Seiner Meinung nach hätte die Öffnung aller Läden bereits am 27. April erfolgen müssen. Als ehemaliger, langjähriger Präsident von «schuhschweiz», dem nationalen Branchenverband, hat Spiess beim Schutzkonzept der Branche mitgewirkt und setzt dieses in seinem Geschäft konsequent um. Dessen Tauglichkeit wurde ihm bei einer kürzlich stattgefundenen Kontrolle durch das KIGA Baselland ausdrücklich bestätigt. Marcel W. Buess MIETZELTE HUBER AG – «Alle Veranstaltungen bis Ende Jahr sind abgesagt», sagt Rainer Huber. «2020 wird ein Nullerjahr» Rainer Huber, Inhaber und Geschäftsführer Mietzelte Huber AG in Binningen. Besonders dramatisch, ja verheerend wirken sich die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie auf die in Binningen domizilierte Mietzelte Huber AG aus. «Am 28. Februar, mit der kurzfristigen Absage der Fasnacht, wurde uns der Stecker gezogen. Seither läuft nichts mehr», sagt Inhaber und Geschäftsführer Rainer Huber. Nicht viel von Solidarität gespürt Zusätzlich ärgerlich sei, dass seine Firma auf den bereits verursachten Fasnachtskosten sitzen bleibe. «Niemand will dafür aufkommen, wir sind nun die Dummen», sagt Huber. Während des Lockdowns sei viel von Solidarität gesprochen worden, bislang habe er davon aber nicht viel gespürt. Bis Ende Jahr wurden alle Veranstaltungen abgesagt. Für die Mietzelte Huber AG bedeutet dies den Wegfall von mehreren Hundert Einsätzen. Seit dem vergangenen 9. März sind die insgesamt 13 Mitarbeitenden auf Kurzarbeit. In einem nächsten Schritt wird Huber nun eine Verlängerung bis Ende September beantragen. Wie es anschliessend weiter geht, weiss er nicht. Der vom Bund verbürgte Covid-19-Kredit im Umfang von 10 Prozent des Jahresumsatzes helfe zwar ein wenig, doch letztlich sei er ein Tropfen auf den heissen Stein. Die Zukunft seiner Firma sei völlig offen, stellt Rainer Huber etwas verbittert fest. «2020 wird für uns ein geschäftliches Nullerjahr», sagt Huber. Er erwartet deshalb vom Bund und vom Kanton, dass für seine Firma und ähnlich gelagerte Extrem-Situationen die gewährten Kredite letztlich in «à fonds perdu»-Beiträge umgewandelt werden. Es sei schlicht fatal, wenn diese Krise dazu führe, dass sich KMU zum Teil gewaltig verschulden müssten. Es werde ja oft genug von der Bedeutung der KMU für die schweizerische Volkswirtschaft gesprochen. Für Rainer Huber ist klar: Nun sei man in einer Situation, wo schöne Reden und Bekenntnisse alleine nicht mehr ausreichen, jetzt brauche es konkrete Unterstützung. «Jetzt wird sich zeigen, wie viel Wert uns die KMU sind.» Marcel W. Buess

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