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Standpunkt 492, 08.11.2019

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6 | Standpunkt der Wirtschaft BERUFSSCHAU 8. November 2019 IMPRESSIONEN – Die Berufsschau 2019 ermöglichte Jugendlichen, die auf der Suche nach der geeigneten Ausbildung sind, einen praxisnahen Einblick in die Welt der Lehrberufe. ANGETROFFEN Eine Messe zum Anfasssen Severine Kräuliger, Lernende Severine Kräuliger absolviert bei der Kestenholz AG in Pratteln die vier Jahre dauernde Lehre als Automobil-Mechatronikerin EFZ. Sie befindet sich im zweiten Lehrjahr und ist nach wie vor begeistert von ihrer Berufswahl. Ihr Interesse für das Automobilgewerbe weckte ihr Vater. Er nahm sie beim Besuch von «allen möglichen Automessen einfach mit». Modellautos taten das übrige. Heute habe sie das Glück, in einem sehr tollen Lehrbetrieb tätig sein zu dürfen, welcher die Lernenden nicht nur fordere, sondern auch fördere. An der Berufsschau hat Severine Kräuliger nur gute Erfahrungen gemacht. Sehr viele Besuchende hätten sich für die Automobil-Berufe interessiert. Selbstbewusst stellt sie auch fest: Unsere Berufe haben ganz klar Zukunft. mwb ANGETROFFEN Wirtschaftskammerdirektor Christoph Buser posiert auf einem Rundgang durch die Berufsschau 2019 mit Jugendlichen. Bilder: mwb Die Berufsschau 2019 hat auch bei ihrer zwölften Austragung bewiesen, dass sie keine Papiermesse ist, sondern eine Messe, bei der die Besucherinnen und Besucher an den Ständen der verschiedenen Berufsorganisationen Hand anlegen dürfen. Sie erleben so die Berufe hautnah und erhalten einen ersten Eindruck. So konnten die Besucherinnen und Besucher am Stand der Bauunternehmer Region Basel (BRB) einen richtigen Bagger bedienen, bei der Sektion beider Basel des Auto Gewerbe Verbands der Schweiz Modellautos zusammenbauen oder beim Messeauftritt von Gastro Baselland den Lernenden in die dampfenden Kochtöpfe schauen (siehe Bilder). An anderen Ständen wurde gehämmert, gemauert, gebohrt und gelötet. Kamen bei den Jugendlichen Fragen auf, so gaben Lernende und Ausbildungsverantwortliche praxisnahe Auskünfte. Reto Anklin Am Stand der Bauunternehmer Region Basel (BRB) hebt ein Messebesucher mit dem Bagger einen Schachtdeckel hoch. Gleich daneben wird gemauert. Lukas Bürgin, VBLEI Als Vorstandsmitglied des Verbands Basellandschaftlicher Elektro-Installationsfirmen VBLEI engagiert sich Lukas Bürgin seit langem für die Berufsbildung. Und der VBLEI gehört seit Anbeginn zu den Berufsschau-Teilnehmern. Früher sei bei der Präsentation mehr Handwerkliches im Vordergrund gestanden, heute müsse man mit virtuellen Präsentationen den Zugang zu den Jugendlichen finden, stellt Lukas Bürgin fest. Trotzdem verzichtet der Verband mit elektrotechnischen Schaltung und Magneten nicht gänzlich auf praktischen Anschauungsunterricht. Die Rekrutierung von geeigneten Lernenden sei mittlerweile mit mehr Aufwand verbunden. Vor allem an den Berufsschau-Wochenenden fänden gute Kontakte mit ernsthaft Interessierten statt, sagt Lukas Bürgin. mwb ANGETROFFEN Bei der Sektion beider Basel des Auto Gewerbe Verbands der Schweiz bauen Jugendliche Miniaturautos zusammen. Die Lernenden am Stand von Gastro Baselland kochen für die Besucherinnen und Besucher. Allessandro Rusconi, Lernender Am Stand des Schreinermeisterverbands basteln Jugendliche einen Bilderrahmen. Für Allessandro Rusconi ist die praktische Arbeit ein wichtiger Zugang zum Schreinerberuf. Es sei toll mitzuerleben, wie stolz die Schülerinnen und Schüler jeweils über das selber gefertigte Werk seien. Er ist überzeugt, dass damit der eine oder die andere für den Schreinerberuf begeistert werden kann. Allessandro Rusconi absolviert seit einem Jahr im Erlenhof Reinach eine Berufslehre als Schreiner EFZ. Bei seiner Berufswahl sei es auch entscheidend gewesen, dass er etwas Konkretes tun respektive das Ergebnis seiner Arbeit sehen und in die Hand nehmen könne. Der Schreinerberuf sei sehr vielfältig und biete viele kreative Möglichkeiten. mwb

8. November 2019 BERUFSSCHAU Standpunkt der Wirtschaft | 7 ANGETROFFEN MONICA GSCHWIND – «Die Betriebe haben dabei keinen Aufwand gescheut, die verschiedenen Berufe erlebbar zu gestalten», sagt Regierungsrätin Monica Gschwind im Interview mit dem Standpunkt. «Engagement hat mich beeindruckt» Landrat Matthias Ritter, Präsident Dach und Wand Matthias Ritter gehört zu den langjährigen Berufs schau-Stützen. Der Verband Dach und Wand Baselland präsentierte sich bereits in der Vergangenheit mit tollen Auftritten. In diesem Jahr konnten die Besucherinnen und Besucher ein Steildach mit Biberschwanz-Ziegeln bewundern. Anschaulich wurden auch das Abdichten, die Isolation und das Flachdach thematisiert. Dem potentiellen Berufsnachwuchs wurden alle Aspekte von Dächern und Wänden präsentiert. Für Matthias Ritter sind vor allem die Wochenenden wichtig. Dann könnten auch vertiefte Gespräche geführt und das Interesse bei Eltern und Jugendlichen besser geweckt werden, als an den Wochentagen mit Tausenden von Schülerinnen und Schülern. mwb ANGETROFFEN Standpunkt: Frau Regierungsrätin Gschwind, die Berufsschau 2019 ist vorbei. Welche Eindrücke nehmen Sie mit? Monika Gschwind: Einmal mehr hat mich das grosse Engagement der Ausstellerinnen und Aussteller sowie der Wirtschaftskammer, angeführt vom Projektverantwortlichen Urs Berger, sehr beeindruckt. Unsere Jugendlichen hatten die Gelegenheit, sich direkt vor Ort mit Vertreterinnen und Vertretern der Lehrbetriebe und mit Lernenden auszutauschen. Die Betriebe haben dabei keinen Aufwand gescheut, die verschiedenen Berufe erlebbar zu gestalten. Die Berufswelt verändert sich laufend. Inwiefern ist diese Veränderung an der Berufsschau spürbar? Megatrends wie die Industrie 4.0 mit der Digitalisierung, die zunehmende Mobilität usw. beeinflussen Plattformen wie die Berufsschau. Aber genau dies ist mitunter das Erfolgsrezept einer Berufsschau. So können den Jugendlichen die sich verändernden Bedürfnisse der Wirtschaft sehr zeitnah sichtbar gemacht werden. Neuerungen können direkt aufgezeigt und in die Präsentation eingebaut werden. Leon Strub, Schüler Leon Strub aus Biel-Benken besucht am Sonntag mit seinem Vater den Stand der Automatiker und Elektroniker. Er will sich noch etwas vertiefter über diese Berufsbilder informieren, als dies am Donnerstag möglich gewesen sei, als er zusammen mit der Sekundarschule Oberwil, Niveau E, die Berufsschau besucht hatte. Sein Vater ist Informatiker, deshalb will Leon sich auch noch über diesen Beruf näher informieren. Eine Schnupperlehre in einem Informatikunternehmen in Reinach hat er bereits auf sicher. Bevor sich Leon Strub definitiv entscheidet, will er allenfalls noch weitere Schnupperlehren absolvieren. Die Berufswahl müsse gut überlegt sein und der Berufe müsse einem schliesslich auch Freude bereiten. mwb ANGETROFFEN Jeroen Leuze, Gärtnermeister beider Basel Das Konzept der diesjährigen Berufsschau hat Jeroen Leuze, den Bildungs verantwortlichen des Gärtnermeisterverbandes beider Basel, überzeugt. Die Berufsschau 2019 komme viel strukturierter daher. Es habe auch mehr interessierte Besucherinnen und Besucher gegeben als bei früheren Jahrgängen. Leuze macht den Organisatoren der Berufsschau ein grosses Kompliment und hofft, dass das neue Konzept auch in Liestal in zwei Jahren umgesetzt wird. Die Berufsschau ist auch für die regionale Gärtnerbranche eine unverzichtbare Plattform für die Berufswerbung. Mit einem eigenen Ausbildungszentrum werde der Verband in den kommenden Jahren massiv in die Nachwuchsförderung investieren, sagt Leuze. mwb «DIE BERUFSSCHAU IST IM BEREICH DER BERUF- LICHEN ORIENTIERUNG IN UNSEREM KANTON EINE TRAGENDE SÄULE.» Welche Funktion erfüllt die Berufs schau aus Sicht des Kantons? Die Berufsschau ist im Bereich der beruflichen Orientierung in unserem Kanton eine tragende Säule. Im Rahmen der Laufbahnorientierung an den Volksschulen werden Jugendliche gezielt auf das Thema der Berufs findung vorbereitet. Wichtig ist auch, dass die Eltern gut informiert werden. Unser Bildungssystem ist sehr vielfältig; es ist somit schwierig für alle Beteiligten, sich in diesem «Ausbildungsdschungel» zurechtzufinden. An der Berufsschau erhalten die Jugendlichen, deren Eltern und auch die Lehrpersonen die Gelegenheit, sich über die verschiedenen Ausbildungswege zu informieren. Ziel ist es, dass unsere Jugendlichen den Weg für sich finden, der ihren Fähigkeiten und Neigungen entspricht. Unbestritten ist natürlich auch der mediale Effekt der Berufsschau, der unsere Berufsbildung als Leuchtturm sichtbar macht. Die Baselbieter Berufsschau stösst über die Kantonsgrenzen hinaus auf ein riesiges Interesse und wird von Interessierten aus der ganzen Schweiz und aus dem grenznahen Ausland besucht. Wo sehen Sie die Gründe für diesen Erfolg? Was diese Berufsschau sicher schweizweit auszeichnet, ist die Konzeption. Diese Berufsschau ist keine Konserve. Urs Berger richtet sie jedes Mal wieder neu auf die Erfahrungen der vorherigen Berufsschau aus. Sie wird jedes Mal massgeschneidert, das heisst, auf die Entwicklungen in der Ausbildung ausgerichtet und an die Bedürfnisse der Wirtschaft angepasst. Das macht sie auch für Jugendliche aus anderen Kantonen so attraktiv. Regierungsrätin Monika Gschwind, Vorsteherin der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion des Kantons Basel- Landschaft. Bild: zVg Was hat Sie an der Berufsschau 2019 am nachhaltigsten beeindruckt? Nachhaltig beeindruckt haben mich das «Feuer» der Ausstellenden sowie die daraus entstehende Resonanz bei den Jugendlichen, die sich hochmotiviert mit den Angeboten an den verschiedenen Ständen auseinandersetzten. Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei den Lehrpersonen bedanken, die diese Berufsschau nutzten und sehr viel Energie in die Vorbereitung der Klassen für den Besuch der Berufsschau steckten. «ES IST WICHTIG, DASS DIE JUGENDLICHEN UND DEREN ELTERN ERKENNEN, DASS HOCH- QUALIFIZIERTE ABSCHLÜSSE AUCH ÜBER DEN BERUFSBILDUNGSWEG ERREICHT WERDEN KÖNNEN.» Immer mehr Jugendliche entscheiden sich für ein Studium. Weshalb hat die Berufsbildung einen so schweren Stand? Wir müssen die Thematik differenziert betrachten: Zur Zeit besteht ein grosser Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften. Diese können auf drei unterschiedlichen Wegen ausgebildet werden. Über den gymnasialen Weg zu Abschlüssen auf universitärer Ebene, über die Berufsmaturität oder Fachmaturität zu Abschlüssen der Fachhochschule und über die berufliche Grundbildung zu Abschlüssen der höheren Berufsbildung. Innerhalb der Berufsbildung gibt es sehr anspruchsvolle Lehren, die schulisch starke Jugendliche ansprechen. Es ist wichtig, dass die Jugendlichen und deren Eltern erkennen, dass hochqualifizierte Abschlüsse auch über den Berufsbildungsweg erreicht werden können. Hat die Berufsbildung den Stellen wert, den sie verdient? Nein. Die Ausbildungsmöglichkeiten haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Besonders die Berufsmaturität ist vielen Eltern und Jugendlichen nicht bekannt. Andererseits werden die Karrieremöglichkeiten, die auf einer praxisbezogenen Ausbildung fussen, oftmals nicht erkannt. Daran müssen wir arbeiten – unsere Berufsschau bietet dafür eine einzigartige Gelegenheit. Was wir jedoch nicht machen dürfen, ist, die verschiedenen Bildungswege gegeneinander auszuspielen. Nach der Berufsschau ist vor der Berufsschau. Die Wirtschaftskammer ist bereits an der Planung der Berufsschau 2021, die in Liestal stattfinden wird. Wiederum in Partnerschaft mit dem Kanton Basel-Landschaft. Auf was freuen Sie sich am meisten? «ICH BIN SEHR NEUGIERIG DARAUF, WIE SICH DIE BERUFSSCHAU IN ZWEI JAHREN PRÄSENTIEREN WIRD.» Ich bin sehr neugierig darauf, wie sich die Berufsschau in zwei Jahren präsentieren wird. Die Digitalisierung wird sicher noch weitere, neue Formen der Berufsschau ermöglichen. Zudem hat uns Urs Berger bereits verraten, dass er die Berufsschau erweitern möchte: mit Weiterbildungsmöglichkeiten für Erwachsene. Und ich freue mich wiederum auf die ausgezeichnete Zusammenarbeit der Wirtschaftskammer Baselland mit unserer Hauptabteilung Berufs bildung und darauf, in zwei Jahren wieder die erwartungsvollen Gesichter unserer Jugendlichen zu sehen und ihre Begeisterung zu spüren. Interview: Simon Dalhäuser

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